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Luzern

Das Luzerner «Paradies» für belastete Familien feiert 20. Geburtstag

Im Paradiesgässli der kirchlichen Gassenarbeit finden Familien, die mit Sucht und Armut kämpfen, eine Anlaufstelle.
Geburtstag im Paradiesgässli. (Bild: PD)

Natalie Ehrenzweig

Das Treppenhaus des Paradiesgässlis ist vollgestellt mit Kinder-Fasnachtskostümen. Im Wohnzimmer hängen über dem langen Tisch noch die Ballons, die Dekoration für das Fest vom letzten Wochenende.

Hier geht es mittwochs hoch zu und her. Denn am Mittwoch bietet das Paradiesgässli Mittagstisch mit Animation an. Für Kinder und deren suchtbelastete Eltern. Gefeiert wurde der 20. Geburtstag der Institution.

Zu 70 Prozent aus Spenden und Stiftungen finanziert

«Wir sind eine Anlaufstelle für Familien, die sucht- oder armutsbetroffen sind. Unser Angebot ist in der Schweiz einzigartig. Wir arbeiten niederschwellig, schadensbegrenzend, präventiv und alltagsorientiert. Jedes Familienmitglied hat eine eigene Bezugsperson, damit wir systemisch arbeiten können. Wir betreuen Familien teilweise über Jahre hinweg», erzählt Veronika Beck, Betriebsleiterin. Zu einer Zeit, in der die offene Szene in Zürich bereits geschlossen war, die Betroffenen in ihre Heimatgemeinden zurückgeschafft wurden, wurde deutlich, dass Mütter und Väter mit Kindern einen eigenen Ort benötigen. Die Klienten kommen freiwillig ins Paradiesgässli, das im Maihofquartier beheimatet ist. Das ist bemerkenswert, weil das ein Einräumen der jeweiligen Problematik voraussetzt.

Das Angebot ist vielseitig. So gibt es eine separate Kinder- und eine Jugendberatungsstelle. «Wir machen ausserdem Sozialberatungen bei Erwachsenen, die sich um alles Mögliche drehen können, wie etwa Erziehung, Gesundheit oder Alltag», sagt Beck. Auch freiwillige Einkommensverwaltungen, für die Leistungsvereinbarungen mit diversen Gemeinden bestehen, gehören dazu: «Das ist ein wichtiges, stabilisierendes Angebot, gerade gegenüber den Kindern, damit sie später nicht in die gleichen Fallen tappen wie ihre Eltern.»

Das Paradiesgässli macht auch aufsuchende Sozialarbeit und kann so zum Beispiel Eltern im Alltag vor Ort unterstützen und früh erkennen, wenn Hilfe nötig ist. Lager für Kinder oder Familien, Kindergeburtstage, Ausflüge, Hausaufgabenhilfe und vieles mehr gehört zum Angebot. Finanziert wird das Paradiesgässli zu 70 Prozent aus Spenden und Stiftungen, den Rest trägt die öffentliche Hand bei. «Uns ist die Unabhängigkeit wichtig, so können wir schnelle Entscheidungen treffen und die Arbeit innovativ gestalten und weiterentwickeln», betont Veronika Beck. Gerade die Nähe bei der Arbeit berge auch grosses Frustpotenzial und Erfolg zu messen sei schwierig. «Wir hatten vor 15 Jahren, als ich anfing, einen dreijährigen Buben. Er war sehr verhaltensauffällig, hat gebissen, gekratzt. Wir haben mit ihm gearbeitet, mit dem Beistand, dem Psychiater. Heute ist er ein guter Typ mit Umgangsformen und Zukunftsperspektive», meint Veronika Beck schmunzelnd. Solche Geschichten seien motivierend. Insgesamt arbeiten zurzeit zehn Personen im Paradiesgässli. Nun wurde kürzlich das 20-Jahr-Jubiläum gefeiert – mit einem Apéro für Spendende, Fachleute und Mitarbeitende und einem offenen Fest für alle.

«Die Probleme bleiben die gleichen»

«Seit der Eröffnung haben sich die Klienten und das Konsumgut verändert. Die Probleme und Stigmatisierung bleiben aber die gleichen. Doch man kann sagen: Die Kinder werden heute besser als damals wahrgenommen und das Hilfsangebot ist viel grösser geworden», sagt die Betriebsleiterin. Das Paradiesgässli solle, so Veronika Beck, auch in Zukunft innovativ und hellhörig bleiben in Bezug auf die Bedürfnisse der betroffenen Familien, aber auch der Gesellschaft. «Wir wollen das Angebot diesen Bedürfnissen entsprechend weiterentwickeln», sagt sie.

Weitere Informationen auf www.gassenarbeit.ch

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