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Luzern

Darum fühlt sich die Semper Fidelis auch nach 175 Jahren noch jung

Die Luzerner Studentenverbindung ist 175-jährig geworden und ist damit eine der ältesten Studentenverbindungen der Schweiz. Auch heute noch haben ihre «Füchse» ein Examen zu bestehen. Frauen bleibt derweil nur die Ehrengalerie.
Er gilt als profunder Kenner der Studentenverbindungsszene in der ganzen Schweiz: «Semper Fidelis»-Altherr Erich Schibli im Vereinslokal am Fluhmattweg. (Bild: Jakob Ineichen (Luzern, 10. Juli 2018))

Hannes Bucher

«Burschen heraus», «Das schwarzbraune Bier» oder «Adele»: Wenn die heutigen 34 Mitglieder der «Aktivitas» der Semper Fidelis in bier- oder weinseliger geselliger Runde eines dieser Studentenlieder anstimmen, zum «Cantus» anheben, dann wissen sie sich in bester Gesellschaft mit einstigen grossen Luzerner Persönlichkeiten: Bereits der Führer der Sonderbundskantone Constantin Siegwart-Müller (1801–1869), der Kirchenhistoriker und Sagensammler Professor Alois Lütolf (1824–1879) und auch der Dichter Heinrich Federer (1866–1928) haben diese Studentenlieder «steigen lassen»; der erste konservative Bundesrat Josef Zemp (1834–1908) ebenso wie gute hundert Jahre später sein Bundesratskollege Alphons Egli (1924–2016). Sie waren allesamt Mitglieder der Studentenverbindung Semper Fidelis.

Schon damals galt es, wie heute immer noch, als Anwärter, als sogenannter «Fuchs» vorerst seine Sporen abzuverdienen. Erst dann wurden Neulinge vollwertige Mitglieder der Aktivitas und nach Studienabschluss traten sie in die Reihe der Altherren ein. Dazu gehören heute etwa der ehemalige Regierungsrat Heinrich Zemp, der vormalige Luzerner Staatsschreiber Viktor Baumeler und ebenso der amtierende Luzerner Polizeikommandant Adi Achermann. Dazu kommen die «Ehrenphilister», eine Art Ehrenmitglieder von aussen, Persönlichkeiten aus der Gesellschaft, welche damals und heute noch als Ehrenmitglied in die Verbindung berufen wurden und werden; zum Beispiel Regierungsrat Reto Wyss, alt-Universitätsrektor Paul Richli und Kantonsrat Ferdinand Zehnder, um nur einige zu nennen.

Älteste Studi-Verbindung ohne Unterbruch

Das laufende Jahr nun ist ein besonderes. «175 Jahre Studentenverbindung Semper Fidelis» konnte im vergangenen Mai mit einem Grossanlass gefeiert werden. Dabei warf man selbstverständlich einen Blick zurück. 1843 wurde die Sektion gegründet und sie gilt als älteste Verbindung des Schweizerischen Studentenvereins, die ohne Unterbruch fortbestand. Diese Kontinuität hatte auch zum Namen geführt: «semper fidelis» – «Immer Treu» – der Titel wurde der Luzerner Verbindung vom Gesamtverband bereits 1863 zugesprochen – seither wird sie bei diesem Namen genannt.

Szenenwechsel. Zu sehen sind Studentenmützen, farbige Bänder, Säbel, eine Menge historische Bilder und Fotos an Wänden und auf dem massiven Holztisch: Es riecht nach Geschichte, vergangenem Brauchtum, auch nach manch einer geselligen Bierrunde: Altherr Erich Schibli steht im Vereinslokal der Semper Fidelis an der Fluhmattstrasse in Luzern, ein ehemaliges Atelier eines Altherren, das zum Vereinslokal umfunktioniert wurde.

Schibli ist Altherrenpräsident im aktuellen Jubiläumsjahr, ein profunder Kenner der Verbindungsszene auch schweizweit. Lange Jahre war er Redaktor von «Civitas», der Zeitschrift für Gesellschaft und Politik, die vom Schweizerischen Studentenverein StV herausgegeben wird. Er erzählt aus der Geschichte der Semper Fidelis. Auch davon, wie während der ersten Jahrzehnte die Sektion sowohl am Lyzeum als auch am theologischen Seminar vertreten war. 1889 kam es zur Aufteilung: Die Theologen fanden sich später in der Waldstättia wieder, die eigentliche Semper Fidelis wurde vor gut 125 Jahren zur reinen Gymnasialsektion. Seit zwölf Jahren ist sie wieder an der Uni Luzern aktiv.

«Ich bin überzeugt, wir sind wieder im Kommen»

Die Frage sei erlaubt: Haben Studentenverbindungen heute noch ihre Berechtigung – haftet da nicht viel «Staub von gestern»? «Ja, es braucht uns noch», sagt Erich Schibli mit Überzeugung. Gerade heute, im Zeitalter des Wertezerfalls, der religiösen Ferne, der Zeit auch, wo Umgangsformen mehr und mehr verloren gehen. «Ich bin überzeugt, wir sind wieder im Kommen.» «Wir», eben die Semper Fidelis, aus deren Kreisen lange Zeit die damalige «Elite der Gesellschaft» stammte. Theologen, Ärzte, Juristen gingen aus ihren Reihen hervor. Eben auch viele bekannte Politiker. War die Sektion lange klar konservativ ausgerichtet, ist das längst nicht mehr der Fall. «Wir verstehen uns immer noch als politischer Verein – aber überparteilich», sagt Altherr Schibli. Und heute sind die Studienrichtungen vielfältiger, er nennt das Wort «interdisziplinär».

Auch wenn die «Farben» – Studentenmütze, das farbige Band, die Krawatte – heute nur noch an offiziellen Anlässen getragen werden und viele Rituale in die Geschichte eingegangen sind: An Grundsätzlichem wird gerade beim Hauptanliegen festgehalten: Den jungen Studenten beraten und unterstützen, Halt geben und – dies ein Kernanliegen – ihm grundsätzliches «Staatsbürgerliches Pflichtbewusstsein» vermitteln. Dies wird denn auch geprüft.

40 Lieder muss ein «Fuchs» draufhaben

Vor seiner definitiven Aufnahme muss sich ein Anwärter im «Burschenexamen» nämlich auch über genügend Wissen in Schweizergeschichte und Staatskunde ausweisen können. Zusätzlich muss er über Kenntnisse des «Komments» verfügen: Dazu gehört vieles rund ums Benehmen, Anstand, Zeremonien, Rituale. Nicht zu vergessen das Gesangliche: Anwärter müssen 40 Liedtexte rezitieren können – rund ein halbes Dutzend davon auch vorsingen. Und schliesslich wird grossen Wert gelegt aufs Auftreten, Debattieren und die Rhetorik.

Der Schweizerische Studentenverein verbietet das Duellieren. «Unsere Waffe ist die Rhetorik», sagt Altherr Erich Schibli. Wenn man ihn sprechen hört – ja man glaubt es ihm gern. Und was hat es mit der landläufigen Meinung auf sich, wonach der Altherr dem jungen Studienabgänger dann schon für eine gute Stelle sorgt? Das sei längst vorbei. «Das kann sich heute niemand mehr leisten», sagt Jurist Schibli. Aber wenn das Bewerbungsdossier stimme, nun, dann finde ein Studienabgänger auch heute noch zusätzliche Türen, an denen er anklopfen kann. «Ich konnte schon für den einen oder andern eine Praktikumsstelle einfädeln.» Dieses Beziehungsnetz kommt dann im späteren Berufsleben hindurch innerhalb der Verbindungskreise immer wieder zum Tragen. Und kann eben berufliche und gesellschaftliche Türen öffnen.

Apropos Türen: Für Frauen bleiben hingegen die Türen zur Vollmitgliedschaft weiterhin geschlossen: «Wir haben uns grundsätzlich entschieden, dass wir eine reine Männerverbindung bleiben, so wie die Zunft zu Safran es auch ist», sagt Erich Schibli. Vereinzelt wurden auch Frauen als Ehrenphilister aufgenommen. Ständerätin Josy Meier etwa war Ehrenmitglied der Luzerner Verbindung.

Hinweis: Der nächste öffentliche Anlass der Semper Fidelis findet am Mittwoch 10. Oktober, 19.15 Uhr, an der Universität Luzern statt. Zum Thema «Der Whistleblower, die Baukartelle und die WEKO»

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