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Luzern

CVP-Kantonsrat will Potenzial des Baldeggersees nutzen: die Wärme reicht, um 10'000 Haushalte zu heizen

Der Baldeggersee im Luzerner Seetal enthält genug Energie, um die ganze Region zu kühlen und zu heizen. Nun soll dieses Potenzial – wie es bei anderen Seen längst der Fall ist – genutzt werden, verlangt ein CVP-Kantonsrat.
Der Baldeggersee, fotografiert mit der Drohne von Ermensee aus. (Bild: Patrick Hürlimann (29. Juli 2020))
Markus Odermatt. (PD)
Der Sempachersee (im Bild Sempach) ist rund drei Mal grösser als der Baldeggersee. (Bild: Dominik Wunderli)

Lukas Nussbaumer

Lukas Nussbaumer

Lukas Nussbaumer

Der Baldeggersee ist mit einer Fläche von 5,2 Quadratkilometern mehr als 20 Mal kleiner als der Vierwaldstättersee. Und die maximale Tiefe von 66 Metern geht im Vergleich zu den 214 Metern des Vierwaldstättersees schon fast als flach durch. Dennoch haben die beiden Seen etwas gemeinsam: Ihr Energiepotenzial reicht, um die Gebäude der ganzen Region zu heizen und zu kühlen. Das zeigen Studien der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz mit Sitzen in Dübendorf und Kastanienbaum (Eawag). Unterschiede zwischen den Seen gibt es wiederum bei der Nutzung des Potenzials: Rund um den Vierwaldstättersee bestehen mehrere grosse Projekte (siehe Kasten am Ende des Beitrags), am Baldeggersee existieren nicht einmal Skizzen.

Das soll sich ändern, findet CVP-Kantonsrat Markus Odermatt. Er fordert die Regierung in einem Postulat auf, «eine aktive Rolle bei der Nutzung von Wasser aus dem Baldeggersee für die Energiegewinnung anzustreben». Damit dies möglich wird, braucht es den Segen von Pro Natura, die den Baldeggersee seit 1942 besitzt. Odermatt möchte, dass der Kanton mit der Umweltorganisation eine Absichtserklärung vereinbart. Damit sollen potenzielle Investoren Gewissheit haben, dass die Eigentümerin auf ihren Grundstücken Bauten für die Entnahme von Seewasser bewilligt.

«Solaranlagen und ein paar Windräder reichen nicht»

Für den seit 2007 im Kantonsrat politisierenden Landwirt aus Ballwil braucht es die Seewärme, um das Ziel der CO2-Neutralität im Jahr 2050 zu erreichen. «Nur mit Solaranlagen auf Dächern und ein paar Windrädern schaffen wir die Energiewende nicht.» Die Chancen für ein Ja zu seinem Vorstoss seien intakt, glaubt der Seetaler. So wurde das Postulat von zwei Dritteln seiner Fraktion unterzeichnet, dazu von mindestens einem Mitglied der anderen Fraktionen. Odermatt sagt denn auch: «Wenn’s Widerstand gibt, dann aus Umweltkreisen. Und entscheidend ist, wie sich Pro Natura verhält.»

Samuel Ehrenbold, stellvertretender Geschäftsführer der Pro-Natura-Sektion Luzern, signalisiert zumindest Gesprächsbereitschaft. «Wir stehen einer Vereinbarung nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber.» Bedingung sei jedoch, dass der Entzug von Seewärme oder -kälte keine negativen Auswirkungen auf das Ökosystem See habe. Wird das Postulat überwiesen und der Kanton muss auf Pro Natura zugehen, würde Pro Natura Schweiz eingeschaltet, so Ehrenbold. Schliesslich habe es die Sektion Luzern noch nicht gegeben, als der See in den Besitz der Naturschützer gelangte.

Belüftungsanlage würde nicht negativ beeinflusst

Laut den Forschern der Eawag könnte eine Nutzung der Seeenergie im Fall der Wärmeentnahme gar positive Folgen haben. Es sei mehrfach bewiesen, dass die «Abkühlung eines Sees durch Wärmeentzug in beschränktem Masse helfen könnte, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Temperaturen im See zu mildern», heisst es in einer Studie zum Energiepotenzial des Sempacher- und Baldeggersees vom Januar 2016.

«Nicht zu erwarten» sei, dass die Wärme- oder Kältenutzung die Belüftungsanlage im phosphorreichen Baldeggersee wesentlich beeinflusse, halten die Autoren in der Studie, die sie im Auftrag der Dienststelle Umwelt und Energie erstellt haben, weiter fest. Petitionär Markus Odermatt glaubt gar, die Wärme-Kältenutzung könnte durch die Aufmischung einen Beitrag zur Gesundung des Sees leisten.

See enthält mehr Potenzial an Wärme, als nötig wäre

Als Potenzial für den Baldeggersee nennen die Forscher die Wärmeversorgung von 30'000 Personen oder von 10'000 Haushalten, die geheizt werden könnten. Das sei «vorsichtig berechnet», sagt Professor Alfred Wüest von der Eawag in Kastanienbaum. Mit Wärme aus dem rund drei Mal grösseren sowie tieferen Sempachersee könnten gar rund vier Mal mehr Haushalte versorgt werden.

Beide Potenziale liegen klar über der Zahl der Einwohner im Umkreis von drei Kilometern um den Baldeggersee (15'000 Personen) und den Sempachersee (25'000). Gewählt wurde dieser Radius aus zwei Gründen: Die Nutzung von Seewärme rechnet sich umso besser, je kürzer die Leitungen sind – und je mehr Anschlüsse pro Laufmeter realisiert werden können.

Studie ist für Gemeinden und potenzielle Investoren eine Planungsgrundlage

Laut Philipp Arnold, Teamleiter Gewässer bei der kantonalen Dienststelle Umwelt und Energie, wurde die rund 7000 Franken teure Studie aus mehreren Gründen in Auftrag gegeben. So müsse der Kanton das Potenzial als Erteiler von Nutzungsrechten kennen, damit die Gewässer nicht übernutzt würden. Dazu treibe der Kanton mit dem neuen Energiegesetz den Umstieg auf erneuerbare Energien voran, und auch für die Erarbeitung des Planungsberichts über die kommende Klima- und Energiepolitik spiele die Nutzung der erneuerbaren Energien für die CO2-freie Wärme- und Kälteerzeugung eine entscheidende Rolle.

Die Gemeinden seien ebenfalls interessiert an der Nutzung von erneuerbaren Energien, weshalb die Studie den Seeanrainergemeinden als Grundlage für ihre Planungen diene, so Arnold. Zudem liefere die Potenzialabschätzung Investoren die Rahmenbedingungen für Projekte.

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