notifications
Luzern

Berufsfischer auf dem Sempachersee:  «Die guten Jahre kompensieren die schlechten»

Wind und Wetter ausgesetzt, körperlich harte Arbeit – seinen Beruf liebt Andreas Hofer trotzdem. Denn als Fischer auf dem Sempachersee gleicht kein Arbeitstag dem anderen.
Andreas Hofers Beruf ist streng, dennoch liebt er ihn. (Bild: Pascal Linder
(Oberkirch,  24. Juli 2020))

Pascal Linder

Seine Tage beginnen früh. Um 3.15 Uhr, um genau zu sein. Einzig in den Wintermonaten bricht Andreas Hofer rund zwei Stunden später auf. Der gelernte Maler ist über Umwege zu seinem Beruf als Fischer gelangt. Nach abgeschlossener Ausbildung auf dem Bau arbeitete er im Fischereibetrieb seines Vaters, machte zuerst die Gesellenprüfung, um später die Meisterprüfung zum Fischwirtschaftsmeister zu absolvieren. Eigentlich hätte es nur übergangsmässig sein sollen – daraus wurden dann aber zehn Jahre. Ab 2002 studierte er an der HSL berufsbegleitend Sozialpädagogik und arbeitete als Sozialpädagoge 13 Jahre lang mit verhaltensauffälligen Jugendlichen, bis er sich schliesslich definitiv dem Fischerberuf widmete.

2013 übernahm er dann zusammen mit seinem Bruder Thomas den Fischereibetrieb des Vaters in Oberkirch am Sempachersee. Sie führen den Betrieb in der dritten Generation. Nebenbei pachten sie von Pro Natura den Baldeggersee – ein willkommener Ausgleich. Die Fischerfamilie Hofer stammt ursprünglich aus Meggen, kann dort auf eine 500-jährige Tradition zurückblicken.

Fischkonsum hat zugenommen

Ähnlich traditionsreich ist Hofers Kundschaft: Für seinen Fang findet er Abnehmer in Familien, die teilweise seit mehreren Generationen in seinem Fischereibetrieb einkaufen. Es kommen aber auch immer wieder neue Kunden dazu, immerhin hätten der Fischkonsum und das regionale Denken massiv zugenommen. Anders als früher – Hofer erinnert sich: «Als ich als junger Mann im Betrieb eingestiegen bin, hatten wir manchmal noch Absatzschwierigkeiten» – mangelt es heute nicht mehr an Kunden.

Doch all diese zu beliefern, ist manchmal gar nicht so einfach. Denn die Ungewissheit ist Teil seines Berufs – die Fangerträge fallen täglich unterschiedlich aus. Genaue Fangzahlen nennt Hofer nur ungern. Denn: «Wenn die Leute wissen, dass ich 100 Kilogramm Felchen an einem Tag fange, dann beginnen sie zu rechnen. Sie würden sich denken, dass ich bei diesen Erträgen überdurchschnittlich gut verdiene.»

Doch 100 Kilogramm Felchen entsprechen längst nicht 100 Kilogramm Filet, so Hofer. Und er stellt klar: «Man kann zwar vom Fischen leben, reich wird man davon aber nicht.» Schliesslich gebe es auch Tage, an denen er nur zehn Kilogramm Fisch an Land bringen könne. Im Grossen und Ganzen seien seine Erträge über das Jahr hinweg aber gut. Hofer schätzt das, dies sei nämlich nicht bei jedem Schweizer See so.

Felchen sind am häufigsten

Der 54-Jährige spricht die Veränderungen in seinem Beruf an. So verkauften sie die Fische früher fast nur ganz. «Heute möchte höchstens im Sommer jemand einen ganzen Fisch für auf den Grill.» Heisst für ihn: Vor dem Verkauf filetiert Hofer die Fische von Hand – eine zeitintensive Angelegenheit, die mehrere Stunden dauert.

Einfacher hingegen wurde das Navigieren mit dem Boot. Während er in seinen Anfängen nur einen Kompass zur Hilfe hatte – «In der Dunkelheit und im dicksten Nebel sind wir auf den See hinaus gefahren. Wir wussten nur, in welche Richtung wir fahren, die Distanz abzuschätzen war schwierig» –, kann er heute seine Netze mit einem GSP-Gerät auf den Meter genau anpeilen. Denn anders als Hobbyfischer wirft er keine Angel aus, sondern fischt mit Schweb- und Bodennetzen. Letztere befinden sich im Gegensatz zu den Schwebnetzen in Seegrundnähe.

Am häufigsten gehen Hofer Felchen ins Netz; im Sempachersee auch «Ballen» genannt. Auch Eglis und Hechte gehören zum Fang; in seltenen Fällen sind Seeforellen oder Zander Teil seiner Ausbeute.

Wiederbesatz in Eigenregie

Ein immer grösser werdendes Problem ist der Wels. Ein Fisch, der im Sempachersee eigentlich nicht vorkommt, vor geraumer Zeit aber ausgesetzt wurde. Hofer erklärt die Problematik: «Als Raubfisch frisst der Wels die Brut einheimischer Fische, hat selbst aber keine natürlichen Feinde im See. Infolge ist zu befürchten, dass der Wels längerfristig die Fischbestände im See reduziert.»

Um dem entgegenzuwirken, betreibt die Fischerei Hofer einen grossen Aufwand für den Wiederbesatz des Sees: Er fängt Laichfische, streift deren Eier ab und erbrütet sie in den zwei Bruthäusern. Einen Teil der neugeborenen Fische füttert er an, damit die Fische wachsen und grössere Überlebenschancen haben –den Rest entlässt er direkt in den See.

In der letzten Laichsaison von Dezember bis Februar hat Hofer mit seinem Team knapp 50 Millionen Felcheneier ausgebrütet. Weiter haben sie knapp 300'000 Hechte im See eingesetzt. Schliesslich sei die Fischaufzucht wiederum massgebend für den Fangerfolg. Schon sein Vater habe immer gesagt:

«Jemand, der den Besatz nicht selber macht, ist kein Fischer, sondern ein Fänger.»

Appell an Badegäste

Die Fischbestände kann Hofer ein Stück weit beeinflussen, nicht aber die Handlungen der Badegäste. Während Hofer frühmorgens meist alleine auf dem See unterwegs ist, zieht es tagsüber viele Menschen an und auf den See. Nicht zuletzt habe auch die Coronakrise dazu beigetragen, dass dieses Jahr noch mehr Menschen den Weg an den Sempachersee fanden. «So viele Stand-up-Paddler wie in letzter Zeit habe ich vorher noch nie gesehen», sagt der 54-Jährige.

Problematisch werde es etwa dann, wenn diese mit dem Auto «querfeldein an eine abgelegene Uferstelle fahren und sich dort den Einstieg in den See suchen», wie es aktuell viele machen würden. Dies schade der Natur, da die Stand-up-Paddler mit ihrem Brett Lücken im Schilf heraushauen. Dieses jedoch biete einen wichtigen Lebensraum für Wasservögel.

Weil ihm die Umwelt am Herzen liegt, engagiert sich Hofer auch politisch dafür – und sitzt für die Grünen im Luzerner Kantonsrat. Im Gespräch betont er, dass es für ihn ein Privileg sei, in der Natur arbeiten zu dürfen. Etwa, weil er die morgendliche Ruhe auf dem See geniesse und weil man so die vier Jahreszeiten mit allen Vor- und Nachteilen erlebe. Lachend sagt er:

«Dieses Gefühl, wenn es zum ersten Mal im Jahr warm genug ist, um den ‹Helly Hansen› auszuziehen, ist einfach nur super.»

Nicht zuletzt erlebe er auch wunderbare Sonnenaufgänge, die er dann auf dem Handy festhält. «Sonst glaubt mir das keiner, wie schön die sind.»

Kommentare (0)