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Hochwasser

Luzern kommt mit einem blauen Auge davon

Entgegen der Prognosen hat der Starkregen am Donnerstagmorgen bald aufgehört – zum Glück für Luzern. Trotzdem war in der Innenstadt so einiges anders als sonst. Und: Die Gefahr ist nicht gebannt.
Kellner Maros Bencik in Action. (Bild: Pius Amrein (Luzern, 15. Juli 2021))
Am Schwanenplatz wurden am Donnerstag die Beaver-Wassersperren in Position gebracht.  (Bild: Pius Amrein (Luzern, 15. Juli 2021))
Im vom Hochwasser besonders gefährdeten Zöpfli muss die Feuerwehr ran. (Bild: Pius Amrein (Luzern, 15. Juli 2021))
Am Schweizerhofquai erreicht der See am Donnerstag zeitweise die Fussgängerpromenade. (Bild: Pius Amrein (Luzern, 15. Juli 2021))

Roman Hodel

Stägeli uf, Stägeli ab. Was die Geschwister Schmid in den 1940er-Jahren in ihrem Evergreen besungen haben, gilt an diesem besonderen Donnerstag in Luzern in vielen Läden und Beizen. Wer eintreten will, muss über temporäre Holztreppen oder Leitern steigen. Denn die Lokale sind wegen des drohenden Hochwassers mit Brettern, Mäuerchen und Sandsäcken verbarrikadiert. So etwa im Restaurant Bahnhöfli beim Warenhaus Globus.

Hier müssen Personal und Gäste zum Betreten oder Verlassen des Lokals über eine ziemlich steile kleine Leiter steigen. Kellner Maros Bencik (33) balanciert gerade ein Tablett mit Besteck und Ketchupflaschen und sagt: «Etwas herausfordernd ist das schon, aber es geht, zumal die Konstruktion relativ stabil ist.» Nein, noch nie habe er auf diese Weise Gäste bedienen müssen. «Aber alles im Leben ist irgendwann das erste Mal.» Dazu zählt auch das Hochwasserereignis. So etwas habe er noch nie erlebt.

10 Zentimeter fehlen bis zur Schwanenplatz-Überflutung

Überhaupt das Hochwasser. Petrus hatte doch Verbarmen mit Luzern. Nach einer regenreichen Nacht bringt die Feuerwehr am Vormittag zwar beim Schwanenplatz vorsichtshalber die orangen Beaver-Wassersperren in Position. Auch muss sie weiterhin Keller auspumpen. Rund ein Dutzend Notrufe sind es. Doch der Tag verläuft punkto Regen relativ ruhig.

Der Seepegel steigt zunächst noch an, pendelt sich aber ab 13 Uhr für mehrere Stunden bei 434,78 bis 434,8 Meter über Meer ein. Erst ab 434,9 Meter wären Schweizerhofquai und Schwanenplatz überschwemmt worden. Dazu kommt es nicht. Bis jetzt. Denn in der Nacht auf Freitag wird es erneut regnen.

Trotzdem gibt sich der Stadtluzerner Feuerwehrkommandant Theo Honermann «vorsichtig optimistisch» – das erste Mal diese Woche. Am Donnerstagabend sagt er: «Die Prognosen sagen aktuell keinen flächendeckenden Starkregen mehr voraus, weshalb der Seepegel nur noch wenig steigen dürfte.» Allerdings weiss er nur zu gut, wie dynamisch der Vierwaldstättersee in diesen Tagen ist. «Zeitweise stieg der Pegel um vier Zentimeter pro Stunde.» Deshalb müsse man zuerst die Nacht auf den Freitag und den Vormittag abwarten. Honermann sagt:

«Erst dann können wir abschätzen, ob sich die Hochwasser-Situation wirklich allmählich entspannen wird.»

Was beim Rundgang auffällt: Überall bleiben Passantinnen und Passanten stehen, alles wird zigfach fotografiert oder gefilmt. Nicht wenige Leute sind extra dafür angereist. «Ich wollte mir das unbedingt selber ansehen», sagt ein Mann aus Meggen, der seinen Namen ja nicht in der Zeitung lesen will. Freilich trifft man auch Touristen an. Beispielsweise Sascha Hermann (20) aus Basel, der gerade am Schweizerhofquai sitzt. Er hatte die Ferien in Luzern schon länger geplant und sagt:

«Wir wollten im See baden und Böötli fahren, aber haben natürlich nicht mit einem Hochwasser gerechnet.»

Nun gehe es halt einen Tag früher heim. «Dafür werden wir im Herbst wiederkommen», sagt er.

Inseli-Buvette geht in die Luft

Auf der anderen Seeseite fährt um die Mittagszeit ein Tieflader mit Kran in den überfluteten Inselipark. Sein Ziel: Die wegen des Hochwassers geschlossene Buvette. Der Kran lädt den Container, in dem sich das Buffet der Buvette befindet, auf. Die Betreiber schreiben später auf Facebook: «Die Buvette wurde zwischenzeitlich aus dem Wasser gefischt & ins trockene gebracht. Wir halten euch auf dem laufendem. Wir hoffen schwer, dass wir nächste Woche wieder betriebsbereit sind.»

Auch andere Betriebe sind wegen des Hochwassers inzwischen geschlossen: Zum Beispiel das sizilianische Spezialitätengeschäft Talia Unter der Egg. Gleiches gilt für das Kleidergeschäft Esprit an der Hertensteinstrasse. Es beklagt sogar einen Wasserschaden. An der Eingangstüre hängt ein Zettel, darauf steht: «Wir sind bemüht, bald möglichst wieder zu öffnen.» Die meisten Läden und Beizen in der Innenstadt sind jedoch geöffnet, wenn auch im Hochwasser-Modus.

Zwei Läden mit Hochwasser-Erfahrung

Wer etwa das Luzerner Traditionsgeschäft Aux arts du feu am Schweizerhofquai betreten will, muss über eine Bretter-Abschrankung steigen. «Selbstverständlich bringen wir jenen Kundinnen und Kunden, denen das Hindernis zu hoch ist, ihre Waren auf Wunsch auch an die Türe und kassieren dort ein», sagt Inhaberin Wendela Buchecker. Die Abschrankungen hat der Hausbesitzer – die Familie Hauser vom Schweizerhof – am späten Mittwochnachmittag anbringen lassen, notabene bei allen Mietern. «Das ist wirklich vorbildlich», sagt Buchecker. Beim Hochwasser 2005 habe man den Laden noch in Eigenregie mit Sandsäcken geschützt – und zwar bereits zwei Tage vor dem Hochwasser. «Dafür wurden wir von manchen Leuten zunächst belächelt», so Buchecker. Dabei hatte sie alles richtig gemacht: Ein Wasserschaden konnte damals im Ladeninnern vermieden werden.

Als eines der wenigen Geschäfte in Seenähe hat Neusehland Optik an der Seehofstrasse 7 seine Eingangstüre nicht verbarrikadiert. «Aber wir haben die Sandsäcke griffbereit», sagt Inhaber Hannes Sammer. Auch er hat das Hochwasser 2005 bereits miterlebt. «Schon damals wurde unser Lokal nicht überschwemmt.» Dies, weil es leicht über Strassenniveau liegt. Einzig das Telefon klingelt momentan etwas öfter als sonst. Sammer sagt:

«Unsere Kundinnen und Kunden wollen sich vergewissern, ob wir wirklich offen haben und ob das Geschäft zugänglich ist – beides trifft zu.»

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