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Luzern: Jeden Tag entscheidet sich eine Frau für eine Abtreibung

Im letzten Jahr ist es im Kanton Luzern zu 365 Schwangerschaftsabbrüchen gekommen. In der ganzen Zentralschweiz waren es 587. Was zunächst nach viel tönt, ist national betrachtet klar unterdurchschnittlich.
Im Kanton Luzern kam es letztes Jahr zu 365 Schwangerschaftsabbrüchen. (Symbolbild: Getty)

Noch nie war die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in den letzten zehn Jahren tiefer: 10'015 Mal kam es 2017 in der Schweiz zu einer Abtreibung. Gemessen an 1000 Frauen im gebärfähigen Alter entspricht dies einer Rate von 6,3. Zum Vergleich: 2007 betrug die Rate noch 6,9.

Klar unter dem nationalen Schnitt bewegen sich die Zahlen der Zentralschweiz, wie ein Blick in die gestern veröffentlichten Daten des Bundesamts für Statistik zeigt. In den sechs Kantonen kam es zu 587 Schwangerschaftsabbrüchen, davon 365 Mal in Luzern. Dort waren 29 Betroffene Jugendliche.

Sechs der 587 Abbrüche erfolgten nach der zwölften Woche. Der Grund für solch späte Abtreibungen seien oft Probleme von «Leib und Seele», also Suizidalität und Psychosen, wie Markus Hodel, Chefarzt Geburtshilfe der Frauenklinik Luzern, sagt. Die Ziffern beziehen sich stets auf die in den jeweiligen Kantonen erfolgten Abbrüche.

Fast 90 Prozent aller Abtreibungen in der Zentralschweiz gingen medikamentös vonstatten. National gesehen sind es drei Viertel. In Luzern dürfen die gynäkologischen Kliniken an den drei Standorten des Luzerner Kantonsspitals straflos Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Von den 365 Abbrüchen erfolgten denn auch 326 im Spital, 85 Prozent davon medikamentös, der Rest chirurgisch. Zu Abtreibungen ermächtigt sind ferner sechs Gynäkologen, wie die Dienststelle Gesundheit und Sport mitteilt. Jeder Abbruch ist meldepflichtig.

Gute Aufklärung, leicht erhältliche Verhütungsmittel

Ein wichtiger Grund für die tiefe Abbruchrate in der Zentralschweiz dürfte in der Prävention liegen: «Frauen und Männer wissen immer besser über ihren Körper Bescheid. Sie haben Zugang zu Informationen über die Schwangerschaftsverhütung», sagt Hildegard Pfäffli Murer, Leiterin von «elbe», der Fachstelle für Lebensfragen, die im Auftrag der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden Schwangerschaftsberatungen durchführt. «Ferner haben wir in der Schweiz einen relativ leichten Zugang zu Verhütungsmitteln, auch die Pille danach für Notfälle ist niederschwellig erhältlich.» Chefarzt Hodel erwähnt nebst der guten Aufklärung auch das kulturell-religiöse Umfeld: «Auf der Landschaft ist die Bevölkerung immer noch stark katholisch geprägt.»

Entscheidet sich eine Frau dennoch gegen ein Kind, hat dies immer mehrere Gründe und hängt auch von der Persönlichkeit ab. «Neben dem Versagen von Verhütungsmitteln können etwa wirtschaftliche Existenzängste den Ausschlag für eine Abtreibung geben, gekoppelt mit konflikthaften oder fehlenden Partnerschaften», sagt Pfäffli. «Auch instabile Lebenssituationen nach einer Trennung, persönliche Schicksale im nahen Umfeld oder berufliche Umbrüche können Frauen zu Schwangerschaftsabbrüchen bewegen.» Wie sie feststellt, steigt mit der Zunahme der Pränataldiagnostik auch die Zahl der Spätabbrüche.

Je ländlicher die Gegend, desto weniger Abbrüche

Generell zeigt die Statistik: Je ländlicher die Gegend, desto weniger Abbrüche gibt es. «In den städtischen Ballungszentren ist die Rate der Schwangerschaftsabbrüche grösser», sagt Pfäffli. Zum einen aufgrund des Bedürfnisses nach Diskretion. «Zum anderen leben in Städten und Agglomerationen mehr Menschen in wirtschaftlich, sozial und psychisch belastenden Verhältnissen. Dies sind unter anderem Risikofaktoren für eine ungewollte Schwangerschaft.» Die Dienststelle Gesundheit und Sport unterscheidet diesbezüglich zwischen Wohnort «Stadt Luzern und Agglomeration» oder «Luzern Land». Das Verhältnis beträgt 2:1, rund ein Drittel der Luzernerinnen, die im Kanton abtreiben, leben auf dem Land.

«Die Kantone der Zentralschweiz sind kleinräumig. Man kennt sich. Diskretion ist in dieser Situation sehr wichtig.»

Hildegard Pfäffli, «elbe», Fachstelle für Lebensfragen

Interessant ist: Von den 365 im Kanton erfassten Abbrüchen erfolgten 341 von Luzernerinnen. Die übrigen Frauen stammten vorwiegend aus angrenzenden Kantonen. Insgesamt haben sich letztes Jahr 386 Frauen mit Wohnsitz im Kanton für eine Abtreibung entschieden, 45 Mal erfolgte der Abbruch ausserkantonal. Verglichen mit dem Wert vor zehn Jahren sind das drei Prozentpunkte mehr. Pfäffli von der Fachstelle «elbe» sagt: «Wer sich bei uns beraten lässt, wendet sich oft an Fachpersonen vor Ort, zu denen sie Vertrauen haben.» Aber: Ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen seien vielerorts ein Tabuthema. «Gerade die Kantone der Zentralschweiz sind kleinräumig. Man kennt sich. Diskretion ist in dieser Situation sehr wichtig.»

Hinweis
«elbe» ist die Fachstelle für Lebensfragen, die im Auftrag der Kantone Luzern, Ob- und Nidwalden Schwangerschaftsberatungen durchführt. Weitere Infos finden Sie unter: www.elbeluzern.ch

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