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Obwalden

Lungern schafft Hausaufgaben auch für Primarstufe ab

«Eine Entlastung für Schüler, Eltern und Lehrer» sei das, was man hier plane, hiess es am Informationsabend vom Dienstag von Lehrerseite. Dennoch tauchten einige Fragen auf.
Schulratspräsident Denis Schürmann (links), Melanie Gasser, Mitglied der Schulleitung sowie Referent Jürgen Oelkers an der Infoveranstaltung in Lungern. (Bild: Marion Wannemacher (11. Juni 2019))

Marion Wannemacher

Noch viele Stühle wurden im Pfarreisaal eilends dazu gestellt. Der Einladung zum Informationsabend der Volksschule Lungern folgten ausser Eltern auch Lehrer anderer Schulen oder etwa ein Mitarbeiter des Bildungs- und Kulturdepartements. Was in der Lungerer Oberstufe unter dem Arbeitstitel «Begleitetes individuelles Arbeiten» schon praktiziert wird, soll nun auch in der Primarschule eingeführt werden: Ab Schuljahr 2019/20 wird es keine konventionellen Hausaufgaben mehr geben. In einer Lernzeit («Iisi Lernziit») werden die Schüler selbstständig individuelle Aufgaben machen, die Erst- und Zweitklässler während 20 bis 30 Minuten, alle Schüler höherer Klassen eine halbe Stunde am Tag, vor allem am Morgen.

«Für mich geht nächstes Schuljahr ein Traum in Erfüllung – einfach 40 Jahre zu spät», bekannte Schulratspräsident Denis Schürmann (CVP) augenzwinkernd zur Begrüssung. Er sprach die Chancengleichheit trotz unterschiedlicher Voraussetzungen im Elternhaus an. Durch die integrierte Lernzeit bekämen alle Kinder gleich viel von der Schule mit.

Schulrat am neuen Modell von Anfang an interessiert

Im Januar war der Antrag gestellt worden. Der Schulrat habe sich sehr interessiert gezeigt, versicherte Schürmann. Ein Besuch in der Volksschule Kriens überzeugte eine Delegation von Lehrern aus Lungern. In Kriens gibt es seit vergangenem Sommer keine Hausaufgaben mehr.

Viele Fragen hatten die Lehrer vor dem Besuch in Kriens, berichtete Saskia Jacot, Stufenleiterin der Mittelstufe 2 in Lungern. Denn die Lernzeit muss in die bestehende Unterrichtszeit integriert werden. «Wie sollen wir den Stoff durchbekommen?», hatten sich die Lehrer beispielsweise gefragt. Die Lehrerin erzählte von ihren eigenen Eindrücken in einer sechsten Klasse in Kriens. Die Schüler seien in kürzester Zeit am Arbeiten gewesen. «Sie brauchten weniger Zeit als wir beim Starten im normalen Unterricht», betonte sie. Beeindruckt habe sie auch die Qualität der Lernzeit. «Das bedeutet eine Entlastung für Schüler, Eltern und Lehrer», sagte sie. Auch bislang kritisch gestimmte Kollegen aus Lungern seien nun überzeugt.

Eltern sollten nicht Nachhilfelehrer sein müssen

In einem Referat sprach sich der deutsche Erziehungswissenschaftler und emeritierte Professor der Universität Zürich Jürgen Oelkers dafür aus, «dass Hausaufgaben nicht länger ausgelagert werden dürfen.» Nicht die Eltern müssten sich als Nachhilfelehrer verstehen oder solche einstellen, sondern die Schule müsste für eine angemessene Betreuung der Aufgaben sorgen, forderte er. «Hausaufgaben sind nur dann wirksam, wenn sie qualitativ hochstehende Anforderungen erfüllen, angeleitet und überwacht werden», sagte Oelkers.

Anita Rüger, Stufenleiterin Mittelstufe 1, informierte, dass jedes Kind einen individuellen Auftrag für die Woche erhalten werde. Die Schüler könnten einzeln oder in einer Gruppe arbeiten und sich ihre Zeit selbst einteilen. Für Lernkontrollen werde weiterhin daheim gelernt. Auch das Lesen müsse weiterhin zu Hause geübt werden. Melanie Gasser, Mitglied der Schulleitung Kindergarten – Primarschule, erklärte, Elternbriefe sollen über Lernziele und Schwerpunkte informieren. An «Schultaschentagen» könnten die Kleineren ihren Eltern zeigen, was sie lernten.

Viele Fragen hatten die Eltern. Wie die Zeit kompensiert werden könne, fragte eine Mutter. Die Lehrer in Kriens kämen nicht schlechter im Stoff voran, schilderte Saskia Jacot. Auch entfielen die zeitraubenden Erklärungen dafür, was die Kinder für Hausaufgaben mit nach Hause nehmen und wie sie diese erledigen sollten. Ob die Eltern die Lernkontrollen sehen würden, fragte eine andere Mutter.

Ein Teilnehmer hätte gern gewusst, wer für die Einführung sei. Doch Denis Schürmann liess keinen Zweifel daran, dass diese vom Schulrat beschlossen ist. Gisela Durrer berichtete, wie wertvoll sie das begleitete individuelle Arbeiten der grösseren Tochter bereits erlebt: «Seitdem haben wir ein viel entspannteres Familienleben daheim.» Und eine Pädagogin, die Lehrlinge ausbildet, gab sich überzeugt, dass die Schüler die so erlernten Selbstkompetenzen später im Berufsleben gut brauchen könnten.

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