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Luzern

Lozärner Usdröck: Sürmu, Vagant oder Schlitzohr?

Thomas Lötscher alias Veri über den Lozärner Dialekt und die damit verbundenen sprachlichen Stolpersteine im Alltag.
Veri, fotografiert im Hotel Schweizerhof in Luzern. (Bild: Pius Amrein, 11. April 2016)

Thomas Lötscher alias Veri

Haben Sie schon mal einer Dreijährigen am Telefon erklärt, wie man Schuhe bindet? Unmöglich. So fühle ich mich beim Schreiben der Kolumne über meinen Bezug zum Lozärner Dialekt. Hey, ich tu’s einfach, diesen Dialekt reden. Wie Schuhe binden. Automatisch.

Klar, beim Reden denke ich vorher noch kurz nach. Meistens jedenfalls. Ich möchte ja nicht, dass die Leute sagen «ob siner grosse Schnore het haut nümme vüu Hirni Platz.» Dieser «träfe» Satz in Äntlibuecher Dialekt entspringt allerdings nicht meinem Hirni, er steht im Buch «Wimmer so redt – Äntlibuecher Mundart» von Josef Röösli-Balmer auf Seite 116.

Ui, jetzt habe ich mich «verschnäpft». Auch ohne ein speziell «tifiger Chrötter» zu sein, haben Sie es gemerkt: Ich spreche gar nicht Lozärner, sondern Äntlibuecher Dialekt. Ein «rüüdig guete Kolleg» ist bei mier «ä huere gäbige Siech», der Sonnenaufgang auf dem Rothorn «uhuere schön». Vielleicht habe ich da auch das «huere» in meinen Sprachschatz adoptiert, von den Bernern, woher es eigentlich kommt. Überhaupt wurde mein Dialekt mit den Jahren eingemittet. Was die Rekrutenschule für die Seele, ist das auswärts Arbeiten für die Mundart: Mühlsteine, die alles plattschleifen. Mein breites «Dröi» flötete ich schon im ersten Lehrjahr in Buchrain als «Drüü», anstatt «zwiilege i d’ Möscht» ging ich in Zürich «öfters i Uusgang» und in Basel schimpfte ich nicht mehr über «pägguhäärige Hutzercheibe», sondern über «widerborstige Mitarbeiter».

Das tönt vielleicht etwas geschwollen. Aber in meinen früheren Leben – bevor «Veri» die Bühne betrat – tingelte ich als Unternehmensberater durch Pharma- und Bankbüros. Frau Burckhardt, aus alteingesessenem Basler Geschlecht, Sekretärin eines Topmanagers, bat mich steifrückig, an Sitzungen vermehrt Englisch zu sprechen: Mein Dialekt sei etwas zu grob. Grob mag stimmen, aber «zu» grob? Ich schenkte ihr das Buch meines Mundart-Gurus Josef Röösli. Für ein paar Millisekunden huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, als sie hörbar für das ganze Grossraumbüro aus dem Vorwort zitierte: «Äntlibuecher Mundart ist sehr farbig, robust, manchmal derb, ...» Sie blickte kurz auf, «... sogar grob». Jä nu.

Mundart lebt ja nicht nur von den Worten, sondern vor allem vom Klang, der Melodie. Nach einer Projektpräsentation – 20 Minuten in meinem besten Englisch – meinte ein Teilnehmer: «Du bisch meini ou ä Äntlibuecher.» Frau Burckhardt hätte laut herausgelacht. Mein Slang hat mich verraten. «Fäuder, vo Schüpfe ursprünglech» stellte er sich vor. Sonst, ich geb’s ja zu, hätte ich ihn in seiner Armani-Business-Verkleidung und mit gegelten Haaren für einen «gschnigleten Laggaff» gehalten. Im Beruf müssen wir uns halt anpassen. Äusserlich. Sprachlich.

Auf der Bühne wähle ich meine Worte mit Bedacht, überlege, google: Verstehen die Leute, was ein «Löu» ist, oder muss ich «Löli» sagen? Soll ich einen scheinheiligen Politiker oder Wirtschaftsboss nun «Sürmu», «Vagant» oder «Schlitzohr» nennen? Für «Politiker» kenn ich so direkt kein anderes Wort. Für’s Jammern haben wir Äntlibuecher mehr Auswahl: «jausle», «bäärze», «chlamse», «tääre» oder – von mir am meisten gebraucht – «chlööne». Das würde dann doch auch zu einigen Luzerner Politikern passen, vor allem Linke in der Budgetdebatte: «Chlööni». Überhaupt: Es wäre schön, wenn diese Zeitung die Serie bis zu den Wahlen weiterzieht. Dann könnten die KandidatInnen ihre «typischen Lozärner Usdröck» erweitern und müssten nicht immer nur vom «Sparen» reden. Und ich würde sie besser verstehen.

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