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Nidwalden

Letzter Wolf an einem Ostermontag geschossen

Die Jagd auf Wölfe kann auf Jahrhunderte zurückverfolgt werden. Ob- und Nidwaldner spannten dabei oft zusammen.
Der Kopf des letzten Wolfs, der in Obwalden im Jahr 1834 erlegt wurde, befindet sich im Historischen Museum Obwalden. (Bild: Archiv Robert Hess)

Robert Hess

In Graubünden standen sich kürzlich ein Mensch und ein Wolf in einer Distanz von zwei Metern gegenüber – so berichten es die Medien. Das Verhalten des Tieres sei «als problematisch und potenzielle Gefährdung des Menschen» qualifiziert worden. So beschloss der Kanton, diesen Wolf zu erlegen. Kein Wunder also, dass solche Vorkommnisse die landesweite Diskussion zum Thema Wolf immer wieder neu entfachen. Seit einigen Jahren ist der Wolf auch hierzulande präsent. Und dann und wann stellt man sich die Frage, wie der Umgang mit dem Wolf wohl in früheren Jahrhunderten gewesen sei.

«Sehr gefürchtetes Raubtier»

Ein Blick in das 1936 erschienene und längst vergriffene Buch «Wild und Jagd in Obwalden» von Otto Emmenegger verrät viel Interessantes dazu. Seine Berichte reichen bis ins 15. Jahrhundert zurück. «Damals hat ein einziges Exemplar im Pilatusgebiet innert vier Wochen über hundert Schafe gerissen», schreibt der Autor. Der Wolf sei ein sehr «gefürchtetes Raubtier» gewesen. Deshalb wurde er mit allen Mitteln gejagt: Wolfsgruben wurden ausgehoben, eiserne Fallen gestellt oder Jagdbüchsen für Selbstschüsse aufgestellt. Wer einen Wolf erlegte, war der Belohnung sicher. So habe 1638 «der junge Bucher von Kherns, der nach einer Jagd im Kernwald einem Wolf den ersten Stich versetzte, von Nidwalden ein Paar Hosen erhalten».

Nicht immer gingen die Jäger aber auf die ausgesetzten Belohnungen ein. Als Mitte des 16. Jahrhunderts Wölfe in Obwalden ihr Unwesen trieben, legte die Regierung den Schützen nahe, «sie möchten die Untiere schiessen als Dank für die Gaben, die sie alljährlich erhielten». Zudem wurde ein Schussgeld von 30 Gulden und zwei Batzen Taglohn ausgesetzt. Doch die Obwaldner Jäger gingen auf das Angebot der Regierung nicht ein.

Im Jahre 1560 beschloss die Obwaldner Regierung deshalb, einen Walliser Jäger zu Hilfe zu holen. «Die Walliser waren seit alten Zeiten als Wolfsjäger berühmt», schreibt Emmenegger. Tatsächlich konnte der Walliser Tonni Wäber in Obwalden einen Wolf erlegen, worauf ihm Nidwalden aus Dankbarkeit das Landrecht (Bürgerrecht) schenkte. Auch Denny Z’rütty habe für einen 1561 abgeschossenen Wolf das Landrecht erhalten.

Zum Dank nach Einsiedeln

Später gingen wieder Einheimische auf die Wolfsjagd. «1615 konnten die Sachsler nach altem Brauch einen Wolfsbalg ans Rathaus hängen», berichtet Emmenegger. Sechs Jahre später sei ein weiterer Wolf erlegt worden, «worauf die Regierung jedem an der Jagd Beteiligten eine ‹Uhrti› bezahlte und Heini Fanger, Baschi Britschgy und Andres Fanger nach Einsiedeln schickte, damit sie dort aus Dankbarkeit ein ‹Ampt› halten liessen». In den folgenden Jahren war die Wolfsjagd laut Emmenegger wenig erfolgreich. Erst 1690 konnte wieder ein Wolfsbalg ans Rathaus gehängt werden. Die Jäger Melk von Flüe und Bonaventura Bucher erhielten je 6 Gulden Schussgeld.

Jahrhunderte sei der Wolf «fast ununterbrochen» gejagt worden. «Unterstützt», so der Autor, durch 40-stündige Gebete sowie Bitt- und Kreuzgänge nach Einsiedeln und Sachseln. Regelmässig seien nun den Ob- und Nidwaldner Jägern auch Berner und Entlebucher zu Hilfe gekommen. Besonders erfolgreich sei die Zusammenarbeit zwischen Ob- und Nidwaldner Jägern gewesen. So trieben im Jahre 1723 «16 Ennetmooser, mit ober und under Gewehr ausgerüstet, den Obwaldnern einen Wolf ins Garn», der von Josef Bucher, dem späteren Pfarrer von Emmetten, und von Hans Melchior Durrer geschossen wurde.

Nachdem die Wölfe den Kanton Obwalden während mehr als 30 Jahren gemieden hatten, meldete sich das ungeliebte Tier 1765 zurück. Erfolgreiche Abschüsse wurden bis um die Jahrhundertwende aber nur zwei verzeichnet: 1803 gelang es Bläsi Andermatt sowie Ignaz Frunz, in der «Teifimatt» einen Wolf zu erlegen.

Von 140 Mann eingekesselt

1833 richtete laut Emmenegger ein Wolf in Nidwalden grossen Schaden an, doch stellte sich niemand für die Jagd zur Verfügung. 1834 wechselte dieser Wolf nach Obwalden. Nachdem er in Sarnen zwei Hunde gerissen hatte, sei er von 140 Mann eingekesselt worden, «doch ist ihm die Flucht mit einem förchterlichen Satz über die Mannschaft hinaus» gelungen. Nach langer Jagd konnte der Wolf am Ostermontag 1834, bei Einbruch der Dunkelheit oberhalb der «Schnellen», doch noch gestellt und durch Sebastian Sigrist geschossen werden». Der Wolf wurde nach Sarnen getragen und «das Volk strömte herbei wie an einer Landsgemeinde», berichtet der Chronist.

Später sei der damals letzte in Obwalden geschossene Wolf in verschiedenen Gemeinden ausgestellt und nach Stans ins Rathaus gebracht worden, wo der Schütze 33 Gulden und 30 Schilling als Lohn erhielt. «Der Kopf dieses Wolfes ist nach wie vor im Historischen Museum Obwalden eingelagert, aber nicht ausgestellt», sagte die Sammlungsverantwortliche Klara Spichtig auf Anfrage.

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