Luzia Mattmann, Journalistin
Ich gehöre zu den Menschen, die meist 10 Minuten zu früh am Bahnhof sind. Das ist nicht unbedingt schlau, denn zehn Minuten sind genug Zeit, um noch schnell an den Kiosk zu gehen. Und dann bleibt man hängen und dann verpasst den Zug und dann war es das mit der guten Laune.
Aber es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel jener Tag, an dem ich die Provinzliteratur entdeckte. Sie wissen schon, diese Heftli, welche in leuchtenden Bildern und blumiger Sprache dem Landleben huldigen. Wenn man die Magazine durchblättert, wird einem warm ums Herz. Es wird gestrickt, gebacken, gegärtnert und dekoriert was das Zeug hält. Die porträtierten Personen bewohnen gewaltige Häuser mit Umschwung und halten putzige Zwergziegen oder Laufenten.
Es ist alles sehr schön. Fast etwas zu schön. Natürlich gibt es die unberührten Landschaften. Allerdings braucht man sechs Monate im Jahr einen 4x4 um hin zu kommen und die nächste Bushaltestelle ist einen halben Tagesmarsch weit entfernt. Viele alte Bauernhäuser sind zwar ungeheuer geräumig und charmant, aber wohnen sie mal im Winter drin. Nicht von ungefähr findet man im gleichen Heft die Strickanleitung für einen Winterpulli. Was einem niemand sagt: Man sollte mindestens im April mit Stricken beginnen, wenn das gute Teil im November fertig sein soll.
Ich habe das Werden solcher Kleidungsstücke mitverfolgt und glauben sie mir: Es ist zum Läuse melken. Selbst wenn man keine Maschen verwechselt. Doch die verwechselt man immer früher oder später, und dann heisst’s aufrippeln und am Ende landet’s doch halbfertig im Schrank und man muss Holz hacken. Glauben Sie also nicht alles, was in den Heftlis steht. Und fahren Sie lieber mal selbst ins Grüne.