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Luzern

Konsultation bei Kaffee und Kuchen: Das Café Med in Luzern ist gestartet

Anstatt in der Praxis werden Patienten im Stadtluzerner Café und Restaurant Melissa’s Kitchen beraten. Das Angebot ist kostenlos und beide Seiten profitieren davon, wie ein Blick vor Ort zeigt.
Zeno Schneider, Onkologe im Ruhestand, berät im Stadtluzerner Café Melissa's Kitchen zwei Krebspatientinnen. (Bild: Corinne Glanzmann, 1. Oktober 2018)

Yasmin Kunz

Die Tische sind gut besetzt, der Duft des Mittagessens liegt noch im Raum. Ganz hinten im Restaurant und Café Melissa’s Kitchen am Hirschengraben 19 in der Stadt Luzern treffen nach und nach Ärzte ein. Es handelt sich um pensionierte Mediziner diverser Fachgebiete wie etwa Diabetologie, Onkologie, innere Medizin. Ihre Zeit in der Praxis oder im Spital ist vorbei. Ihr Wissen geben sie nun im Café weiter – kostenlos. Das Café Med, so heisst das Angebot, richtet sich an alle, die medizinische Beratung wünschen. Seit mehr als einem Jahr gibt es ein identisches Angebot in Zürich und findet dort grossen Anklang (Artikel vom 24. Juli). Seit dem letzten Montag gibt es das Café Med auch in Luzern.

Patientinnen schätzen neutrale Meinung

Zeno Schneider, ein pensionierter Arzt aus Einsiedeln, hat sich entschieden, bei diesem Projekt mitzuwirken. Seine Anspannung am Montagnachmittag, kurz bevor die ersten Patienten eintreffen, ist spürbar. Er sei etwas skeptisch, ob er in diesem Setting gültig beraten könne, gibt er offen zu. Es ist in der Tat ungewöhnlich, wenn am Tisch im Bistro Gespräche über Krankheiten geführt oder gar ganze Patientenakten studiert werden. Zudem befürchtete Schneider nach eineinhalb Jahren Pension nicht mehr auf dem neusten Stand zu sein. «Die Entwicklungen im onkologischen Bereich, also in der Bekämpfung von Krebs, schreitet sehr schnell voran. In einem Jahr kann diesbezüglich viel geschehen.»

Der erfahrende Onkologe kann das mit seiner über 30-jährigen Erfahrung sehr gut beurteilen. Doch seine Befürchtungen waren umsonst. Die Patientinnen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, waren mit der Beratung «sehr zufrieden», wie sie nach dem fast zweistündigen Gespräch sagen. Insbesondere schön fanden die Frauen, dass der Mediziner sich so viel Zeit nehmen konnte.

Luzerner Ärzte-Ehepaar organisiert Café Med

Ausserdem sei ihnen wichtig gewesen, eine neutrale Meinung – also nicht jene vom Hausarzt und vom behandelnden Onkologen – zu hören. «Meine Entscheidung bezüglich Therapie habe ich eigentlich schon vor der Beratung getroffen. Trotzdem war mir wichtig, diese mit einer unabhängigen Fachperson zu teilen und deren Ansicht zu kennen», sagt die eine Patientin. Geändert hat sich für sie nach dem Gespräch vor allem eins: Ihre noch bestehenden Unsicherheiten sind ausgeräumt.

Die Idee des Café Med, einem Angebot der Akademie Menschenmedizin (siehe Kasten), ist indes nicht, zu therapieren, sondern den Menschen zuzuhören, wie Ursula und Frank Achermann sagen. Das Ehepaar organisiert das Café Med in Luzern. Es gehe darum, den Menschen als Ganzes zu sehen, sein Verständnis für die Krankheit zu erfassen und zu eruieren, wo der Schuh drückt. «Wir unterstützen und begleiten die Entscheidungsfindung von Patienten, versuchen Einsichten zu erwirken und stellen keine Diagnosen», so Achermann, der mit seiner Frau 35 Jahre lang eine Praxis in der Stadt Luzern führte.

Café bietet einen entspannten Rahmen

Zurück zu Zeno Schneider: Nach dem Gespräch mit den Patientinnen wirkt er gelöst. Das Setting sei kein Hindernis, sagt er und schmunzelt. «Mit der Zeit vergisst man, dass wir in einem ganz gewöhnlichen Café sitzen.» Vielleicht sei das sogar ein sehr guter Rahmen, fügt er an. «Ein Gespräch in einem Café sorgt für eine entspannte Atmosphäre, die wiederum eine offene Gesprächskultur fördert.»

«Mit der Zeit vergisst man, dass wir in einem ganz gewöhnlichen Café sitzen.»

Zeno Schneider, pensionierter Onkologe

Die Bedenken, in Bezug auf die neusten Therapien nicht mehr am Puls der Zeit zu sein, sind verflogen. Er habe realisiert, dass es gar nicht darum gehe, über jede Therapieform im Bilde zu sein. Er müsse nicht mehr selber behandeln, sondern vorwiegend zuhören und helfen, eine Entscheidung zu treffen. Mit seinem Fachwissen könne er beispielsweise empfohlene Therapien begründen, Vor- und Nachteile aufzeigen «und dies hilft bei der Entscheidungsfindung». Er, der am Anfang etwas skeptisch war, kommt nach seinem ersten Einsatz richtig ins Schwärmen. «Das ist die reine Medizin», sagt er. «Kein Papierkram, keine Abrechnungen, keine Überweisungen – einfach Zeit und Rat für den Patienten haben.» Sein Einsatz hat ihn motiviert, weiterhin im Café Med als Berater tätig sein.

Am Montag waren rund eine Handvoll Patienten zur Beratung im Melissa’s Kitchen. Künftig, so Frank Achermann, dürften es mehr sein. «Das Angebot muss sich zuerst etwas etablieren.» Achermanns sind zufrieden mit dem Start und freuen sich bereits auf den nächsten Anlass. Dieser findet immer am ersten Montag im Monat im Melissa’s Kitchen.

Hinweis: Weitere Informationen zum Café Med in Luzern finden Sie unter www.menschenmedizin.com.

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