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Luzern

Konflikt um Luzerner Erfolgsorchester vor Bezirksgericht

Der ehemalige Präsident des 21st Century Orchestra stand am Mittwoch erneut vor Gericht. Im Zentrum steht die Frage eines Mailzugriffs.
Das 21st Century Orchestra bei einem Konzert im KKL Luzern. (Bild: Philipp Schmidli
(Luzern, 6. April 2018))

Roseline Troxler

Das 21st Century Orchestra hat in den letzten zwanzig Jahren mit Filmmusikkonzerten auch international ein grosses Renommee erlangt. Neben regelmässigen Konzerten im KKL ist es auch in London, New York oder Paris aufgetreten. Entscheidenden Anteil an diesem Erfolg haben der frühere Produzent Pirmin Zängerle und der aktuelle Dirigent Ludwig Wicki.

Dann kam es zum Zerwürfnis. Im Sommer 2016 machte sich Zängerle als Veranstalter zunächst unter dem Label «21st Century Concerts» selbstständig. Im Frühjahr 2017 trat er als Präsident des Vereins 21st Century Orchestra zurück, Andy Weymann übernahm das Präsidium. Ab Herbst 2018 veranstaltet Zängerle seine Konzerte unter dem Label «City Light Concerts», getragen wird dieses heute von seiner Firma Art Productions, wobei er weiterhin auch die Firma 21st Century Concerts GmbH besitzt.

Verhandlung vom März wurde fortgesetzt

Am Mittwoch sahen sich Zängerle und Weymann am Bezirksgericht Luzern wieder. Grund ist die Fortsetzung der Hauptverhandlung. Die Verhandlung war im März unterbrochen worden, da der Einzelrichter einem Beweisantrag von Zängerles Anwalt stattgab, zwei weitere Vorstandsmitglieder zu befragen.

Zunächst zur juristischen Vorgeschichte: Der Verein 21st Century Orchestra hatte Pirmin Zängerle 2017 angezeigt. Da sich Zängerle des unlauteren Wettbewerbs schuldig gemacht haben soll, bestrafte ihn die Staatsanwaltschaft im Juli 2018 mit einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 100 Franken und einer Busse von 1000 Franken. Auch die Verfahrens- und Anwaltskosten von mehreren 1000 Franken wurden ihm überwälzt. Gegen den Strafbefehl erhob Zängerle Einsprache. Am Mittwoch wurde der Fall erneut vor dem Bezirksgericht verhandelt.

Laut Staatsanwaltschaft, die sowohl am 3. März wie auch am Mittwoch nicht vor Ort war, hat sich Zängerle auch nach Abgabe des Präsidiums weiterhin in das E-Mail-Konto des 21st Century Orchestra eingeloggt. Durch einen Zugang zum Administratorenaccount soll es ihm möglich gewesen sein, Mails, die an den neuen Präsidenten Andy Weymann gingen, zu lesen. Dadurch soll Zängerle an Informationen gekommen sein, die vertraulich gewesen wären. So habe etwa die Ex-Frau von Zängerle im Juli 2017 vorgehabt, ihre Anteile an der Firma Art Productions GmbH zu verkaufen – an Andy Weymann, respektive den Verein des 21st Century Orchestra. Doch die Frau verkaufte die Anteile schliesslich an ihren Ex-Mann, der schon zuvor Anteile besass. Weiter soll Zängerle durch den Zugriff an die Information gekommen sein, dass der Verein eine Produktion ohne ihn durchführen wollte. Kurz darauf informierte Zängerle den Vorstand des Vereins, dass jene Produktion nicht aus einem bereits vereinbarten Veranstaltungspaket gestrichen werden könne.

Wusste der Vorstand vom Mailzugriff?

Die Aussagen des Parteienvertreters und des Verteidigers gingen diametral auseinander. Dies unter anderem in der Frage, ob Zängerle den Auftrag erhalten hatte, den Administratorenaccount sowie das E-Mail-Konto info@21co.ch zu bewirtschaften. «Der Beschuldigte hatte nach seinem Ausscheiden Ende März 2017 keine weitere Funktion im Verein und im Vorstand. Sämtliche Funktionen gingen zu diesem Zeitpunkt an Andy Weymann über», so der Vertreter des Privatklägers. Ganz anders der Verteidiger: «Der Vorstand und Andy Weymann wussten, welche Aufgaben Pirmin Zängerle weiterhin übernahm. Sie zahlten auch eine Rechnung für eine Dienstleistung, die deutlich über den März 2017 hinausging.»

Laut Vertreter des Privatklägers beschaffte sich der Beschuldigte die Logindaten für den Administratorenaccount bei einem Vorstandsmitglied, «der erste Schritt eines ausgeklügelten Plans». Durch den Zugriff habe er bewusst an vertrauliche Dokumente gelangen können. Der Vertreter des Privatklägers wirft Zängerle ausserdem vor, via Administratorenaccount Mails des neuen Präsidenten an info@21co.ch weitergeleitet zu haben. Selektiv habe der Beschuldigte einige dieser Mails an seine Art Productions GmbH gesendet. Ausgewählte Dokumente seien auf seinen Geräten gefunden worden. Durch diese Dokumente habe er unter anderem von der Absicht des Vereins, die Anteile von Zängerles Ex-Frau an der Art Productions GmbH zu kaufen, erfahren. Schliesslich kaufte Zängerle. «Der Beschuldigte verschaffte sich durch das Lesen der Korrespondenz an Andy Weymann einen Vorteil.» Der Vertreter des Klägers betonte die Wichtigkeit der Art Productions GmbH für das 21st Century Orchestra. «Diese Firma verfügt über den ganzen Kundenstamm der Filmkonzerte. Diese Daten sind fürs Marketing entscheidend.» Der Vertreter des Privatklägers wirft Zängerle unlauteren Wettbewerb, unbefugte Datenbeschaffung, unbefugtes Eindringen in Datenverarbeitungssysteme vor und verlangt von diesem eine Genugtuung von 6000 Franken.

Ganz anders äusserte sich der Verteidiger in seinem Plädoyer, in dem er den Einzelrichter direkt ansprach: «Die Hoffnung meines Klienten liegt darin, dass Sie sich von den Unterstellungen seitens Privatkläger nicht täuschen lassen. Die Strafanzeige ist ein Racheakt des Vereinspräsidenten.» Laut Verteidiger fehle unter anderem ein Beweis, dass sein Klient durch E-Mails an Informationen wie die Verkaufsabsicht seiner Ex-Frau gekommen sei. Davon habe er direkt von ihr erfahren, ebenso wie davon, dass es einen weiteren Kaufinteressenten gab. Dies bestätige die Zeugenaussage der Ex-Frau. «Mein Klient sei ausserdem weder durch eine Täuschung noch einen Kniff oder eine List an das Passwort des Accounts gekommen.» Das Strafverfahren baue «auf Hypothesen und schwammige Vorwürfe». Sein Klient sei in allen Punkten freizusprechen, die Zivilforderung sei abzuweisen und die Kosten sollen zu Lasten des Privatklägers gehen. Zängerle betonte in seinem Schlusswort, dass er Andy Weymann anlässlich eines Übergabemeetings persönlich über seinen Zugriff auf den Administratorenaccount informiert habe.

Die Parteien haben eine Woche Zeit, weitere angemeldete Beweise einzureichen, bevor das Urteil eröffnet wird.

Beschwerde gegen Verfahrenseinstellung

Auch 21st Century Orchestra-­Dirigent Ludwig Wicki hat eine Klage gegen Pirmin Zängerle eingereicht. Das Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft allerdings eingestellt worden, worauf Wicki Einsprache erhoben hat.

Gegen Zängerles Firma 21st Century Concerts GmbH läuft ein Konkursverfahren. Das Bezirksgericht Luzern hat ihm nun auf Antrag einen Aufschub gewährt. Er hat nun Zeit, mit dem betreffenden Gläubiger eine einvernehmliche Lösung zu suchen.

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