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Uri

«Knochenjobs»

Der Urner Lukas von Deschwanden spricht über sein Privileg, mit dem Handballsport den Lebensunterhalt zu verdienen.
Lukas von Deschwanden, Handballprofi in Stuttgart.

Endlich Feierabend. Den Moment, den sich viele nach acht Stunden harter Arbeit so herbeisehnen. Das sieht bei mir anders aus: Es ist 15 Uhr und ich bin vom Abschlusstraining nach Hause gekommen. Um 12.30 Uhr hatten wir Videostudium. Nach der anschliessenden Taktik-Einheit war meine Arbeitszeit beendet. Macht mich nun dieser zwei-Stunden-Arbeitsalltag zu einer Urner Persönlichkeit, welche hier in dieser Kolumne seine Gedanken äussern darf?

Kürzlich am Familien-Tisch in Altdorf habe ich meinen jüngeren Bruder zu seinem Arbeitsalltag befragt. Je mehr ich erfahren habe, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich noch nie wirklich gearbeitet habe. Okay, ich habe ein Studium an der Uni Bern abgeschlossen. Aber von frühmorgens bis spätabends körperlich zu arbeiten – das ist mir fremd. Ich war zum Beispiel sehr beeindruckt, dass mein Bruder ein grosses Team führt und tagtäglich auf der Baustelle Entscheidungen trifft, damit wir uns in unseren eigenen vier Wänden sicher fühlen. Sein Arbeitstag beginnt um 6 Uhr und endet oft lange nach Sonnenuntergang. Da frage ich mich, wie verdient mein 15-Uhr-Feierabend ist.

Trotzdem scheinen die paar Stunden Handball für die Öffentlichkeit spannender zu sein, als beispielsweise die Frage, wie auf einer leeren Fläche ein modernes, bewohnbares Haus entsteht. Auf mein Leben in Stuttgart werde ich oft angesprochen und erhalte Aufmerksamkeit. Verstehen Sie nicht falsch, ich will mich nicht beklagen. Ich schätze das Privileg, mit Handball meinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Trotzdem finde ich, sollten wir den Leuten, die mit ihrer Arbeit Alltägliches, aber Grosses leisten, mehr Anerkennung schenken.

Es ist schon reichlich spät für Neujahrsvorsätze. Aber ich finde, dieses Jahr sollten wir besonders den Leuten Wertschätzung entgegenbringen, welche nicht nur an einem Spiel, sondern auch im echten Leben für uns ihre Knochen hinhalten. Kleiner Bruder, du bis für mich ein ganz Grosser!

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