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Obwalden

Klare Regeln in der Giswiler Laui: Cervelats bräteln ist weiterhin erlaubt

Verbote in den Laui-Auen sorgten in Giswil für grossen Aufruhr. Nun haben sich die Gemüter beruhigt – dank kleiner Anpassungen.
Über 600 Männer, Frauen und Kinder mit Fackeln und Laternen wehrten sich bei einem Sternmarsch gegen Auenschutz für Laui und Steinibach. (Bild: Romano Cuonz (15. Dezember 2014))
(Bild: Romano Cuonz (5. Mai 2020))
Bräteln, spielen oder Steinmandli bauen: Die Laui ist bei Familien beliebt. (Bild: Romano Cuonz (5. Mai 2020))
Die bedrohte Schlingnatter geniesst im Auenwald vollen Schutz. (Bild: Romano Cuonz (5. Mai 2020))

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Ein ungewohntes Bild bot sich der Gemeinde Giswil vor sechs Jahren: In einer kalten Dezembernacht waren 600 erzürnte Frauen, Männer und Kinder mit Fackeln und Laternen im Sternmarsch zum unteren Lauisteg gekommen.

Unmittelbar am Ufer des Wildbaches wurden Mahnfeuer entfacht und feurige Reden gehalten. Man monierte, die (an diesem Abend nicht anwesende) Obwaldner Regierung übergehe mit ihrer «Schutz- und Nutzungsplanung Auen Laui» den Erholung suchenden Menschen völlig. Waldkindergarten, Waldwege und die Grillmöglichkeiten im Bachbett müssten verschwinden. Überhaupt: Naturschutz nationaler Auen mitten im Siedlungsgebiet stehe in krassem Widerspruch zum notwendigen Hochwasserschutz. Bauunternehmer Peter Wälti erntete viel Applaus, als er dem Volk zurief: «Wenn nötig, werden wir Giswiler gemeinsam nach Bern gehen und vor dem Bundeshaus gegen diesen unmässigen Schutz protestieren.»

Ziel der Kundgebung und einer späteren Motion im Kantonsrat: Der Bund sollte die Objekte Laui und Steinibach aus dem Bundesinventar der Auen von nationaler Bedeutung entlassen. Dieses Ansinnen lehnte der Bund 2017 ab. Obwalden aber machte sich daran, sein Reglement mindestens redaktionell zu revidieren. Dies gelang offensichtlich. Gegen die neuerliche Auflage gibt es zur Laui keine einzige Einsprache mehr. Und so kann denn die Regierung das Geschäft dem Kantonsrat an seiner nächsten Sitzung zur Genehmigung vorlegen.

Missverständnisse beseitigt

Wie ist es möglich, dass ein paar geringfügige räumliche Anpassungen und einige rein redaktionelle Änderungen am Reglement die erzürnte Bevölkerung zu beruhigen vermochten? Der Giswiler Gemeindepräsident Beat von Wyl steht auf dem Holzsteg und schaut übers steile Bachbett zum grünen Auenwald. In der Hand hat er den revidierten Plan.

Als «grüner» SP-Politiker und Biologe mit eigenem Büro für Landschaft, Natur und Siedlung, weiss er in Umweltfragen bestens Bescheid. «Die erste Vorlage hat tatsächlich einige Mängel aufgewiesen», stellt von Wyl heute fest. Vor allem seien darin mehrere Sachlagen nicht eindeutig, ja in Einzelfällen gar unsinnig dargestellt gewesen. «Man hegte mit Recht Befürchtungen, dass bei einer harten Interpretation wichtige Interessen der Bevölkerung und des Wasserbaus tangiert werden könnten.» Viele Leute glaubten, dass mit einem Betretungsverbot jedes Spielen, Plantschen oder Bräteln im Lauibett verunmöglicht würde. Sie sahen sich ihrer Freiheiten beraubt. «So explizit stand es zwar nie im Reglement, aber auf Grund einiger Formulierungen konnte man es durchaus so interpretieren», sagt von Wyl.

Auch die Gemeinde Giswil hatte ernsthafte Bedenken, vor allem beim Hochwasserschutz. «Die Giswiler Laui gilt nach wie vor als einer der gefährlichsten Wildbäche der Schweiz», stellt von Wyl fest. «Wenn man da die Hochwasserschutzmassnahmen nicht prioritär erfüllen kann, geht es der Bevölkerung ans Lebendige.» Zum Schutz müsse man periodisch Kies aus dem Fluss entfernen. Doch auch der Kiesabbau sei missverständlich formuliert gewesen. «Viele befürchteten, dass der Auenschutz plötzlich Priorität vor dem Hochwasserschutz haben könnte.» Das aber gehe in einer besiedelten Gegend nicht an.

Regeln wurden präzisiert

In der neuen Vorlage seien nun angeprangerte Mängel und zu stringente Formulierungen entfernt worden, sagt Beat von Wyl. Zum Beispiel: Zuvor hiess es, dass man Feuer wenigstens fünf Meter von Bäumen entfernt machen dürfe. Als Biologe ist von Wyl überzeugt, dass solche, zwar nachvollziehbaren Regelungen in diesem Fall gar nicht wichtig und nötig waren, um die Ziele des Auenschutzes zu erreichen. «In einer Gebirgsaue wird die Natur vom Fluss selber immer wieder umgestaltet, so stark, dass der Mensch, der hier Naherholung sucht, gar keinen grossen Schaden anrichten kann.» Feuerstellen, Sandburgen oder Steinmandli würden bei jedem nächsten Unwetter von selber wieder verschwinden. Deshalb sei das Cervelatbräteln auch künftig erlaubt.

Ebenso dürfe man jagen, fischen, Pilze oder Beeren sammeln. Im Rahmen der allgemeinen Einschränkungen. Forstliche und landwirtschaftliche Nutzungen seien zugelassen, wenn sie innerhalb der Auen standortgerecht erfolgen würden. Rücksicht zu nehmen gelte es jedoch auf geschützte Pflanzen- und Tierarten. Beat von Wyl hat im Auenwald sogar die bedrohte Schlingnatter beobachtet.

Wertvoll ist auch der Baum- und Strauchbestand auf dem kalkreichen Boden: Seidelbast Berberitze und, und, und. «Der grosse Vorteil gegenüber anderen Auen, etwa an Kanälen, ist, dass man die Dämme hier weit auseinander gebaut und dem Bach ein breites Bett gegeben hat», bemerkt Beat von Wyl.

Wildes Campieren ist strikte verboten

Ein klares Verbot gibt es: Das Verlassen der Zufahrtswege und die Fahrt über Rampen hinein ins Bachbett ist künftig für alle Privatfahrzeuge strikte verboten. Ebenso jegliches wilde Campieren. «Das ist die wichtigste Änderung gegenüber heute», sagt von Wyl. Diese aber dürfte den meisten Giswilerinnen und Giswilern nur recht sein. Gerade an den schönen Tagen im vergangenen April zählte man im Bachbett oft mehrere Camper mit Aufstelldach. Eine Wertschöpfung fürs Dorf resultiert aus diesem Tourismus kaum, da wilde Camper meist samt den nötigen Vorräten aus andern Kantonen anfahren.

Ein fast seit Menschengedenken existierendes Recht der Landwirte aber bleibt. Von Wyl dazu: «Das Fahrrecht am Ende des Vitaparcours für Landwirte, die ihr Vieh auf die Alpen treiben, bleibt bestehen.»

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