Philipp Unterschütz
Philipp Unterschütz
Im Jahr 2020 ist im Kanton Nidwalden trotz Corona keine Übersterblichkeit aufgetreten. Auf Nachfrage unserer Zeitung hat der Kanton die entsprechenden Zahlen zusammengetragen. Danach waren 2020 in Nidwalden 336 Todesfälle zu verzeichnen. Das ist einer mehr als 2019 oder zwei mehr als 2017. Zwar sind die 336 ein Höchstwert innerhalb der letzten sechs Jahre, aber der Unterschied ist derart minim, dass der Kanton schreibt, es seien «keine signifikanten Unterschiede feststellbar».
Das gleiche Bild zeigt sich auch, wenn das Alter der Verstorbenen, insbesondere der als Risikogruppen geltenden, berücksichtigt wird. In der Gruppe der 65- bis 79-Jährigen sind 2020 in Nidwalden 94 Personen verstorben. Das sind eine weniger als 2016 oder gleich viel wie 2017. Im Alter von mehr als 80 Jahren sind 208 Todesfälle bekannt. Diese Zahl schwankte in den vergangenen Jahren zwischen 209 (2015) und 164 (2016). Auch dazu heisst es beim Kanton: «Keine signifikanten Unterschiede.» Als Begründung gibt der Kanton an:
«Es ist davon auszugehen, dass die Verhaltensmassnahmen und die Schutzkonzepte in Bezug auf die Covid-19-Pandemie eine positive Wirkung gezeigt haben.»
Jugendlichen fehlt der soziale Kontakt
Stabil geblieben sind auch die Zahlen im Bereich Jugend- und Familienberatung sowie jene des Schulpsychologischen Dienstes. 2020 wurden von der Jugend- und Familienberatung 166 Fälle behandelt. Das sind weniger als in den beiden Vorjahren (2018: 184, 2019: 176). Diese Zahlen könnten aber ändern, «weil die Durchhaltefähigkeit zusehends strapaziert wird und das Konfliktpotenzial eher zunehmen dürfte. Familien mit instabilen Situationen sind aufgrund der Pandemie stärker betroffen und Probleme können sich stärker manifestieren», heisst es von Seiten der Jugend- und Familienberatung.
Wie der Schulpsychologische Dienst des Kantons Nidwalden bilanziert, wirkte der grösste Teil der Kinder trotz der speziellen Situation unaufgeregt und wenig belastet. Jugendliche litten in erster Linie unter der sozialen Isolation und berichteten, dass ihnen trotz moderner Kommunikationsmittel der physische Kontakt fehlte. Stress entstand bei Jugendlichen durch Eltern, die bestimmten oder bestimmen wollten, mit wem, wo und wie lange sich die Jugendlichen untereinander treffen dürfen.
Bei den Jugendlichen kommen denn auch immer wieder Probleme zur Sprache, weil sie keinen Vereinsaktivitäten nachgehen oder sich eben nicht mit anderen treffen können. Der eingeschränkte Kontakt mit Gleichaltrigen führte zu Stimmungsschwankungen. Andere berichteten von fehlenden Rückzugsräumen bei Streit mit den Eltern oder vermissten den Bezug zu den Grosseltern. Zudem mussten Jugendliche auch mit Unsicherheiten zu ihrer beruflichen Zukunft umgehen, weil sie in der Pandemie grössere Schwierigkeiten haben, Schnupperlehren zu bekommen.
Doch es gab auch positive Feststellungen. Gewisse Schüler und Schülerinnen haben den Fernunterricht genossen, weil sie mehr Zeit mit der Familie verbringen konnten. «Vor allem die Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die sich durch den schulischen Alltag und die Leistungsanforderungen der Schule gestresst fühlen, erfuhren im Lockdown eine Entlastung und profitierten davon, dass sie sich besser konzentrieren, die Arbeiten selber einteilen konnten und teils weniger sozialem Druck ausgesetzt waren», schreibt der Schulpsychologische Dienst, der auch hervorhebt, dass sich das Verhältnis zwischen den Lehrpersonen und den Eltern trotz Distanz und Fernkommunikation in vielen Fällen verstärkt und verbessert habe.
Spagat zwischen Schutz und Auswirkungen auf die Psyche
Auch auf das Leben der Seniorinnen und Senioren hatte Corona einen grossen Einfluss. Laut Curaviva, dem Verband der Nidwaldner Alters- und Pflegeheime, hätten die Bewohnenden für die Massnahmen Verständnis gezeigt und sich an die Vorgaben gehalten. Es brauchte aber viele unterstützende Gespräche:
«Eine Maske tragen zu müssen, kann Emotionen hervorrufen. Es mussten individuelle Lösungen gesucht werden im Spagat zwischen Schutz und Auswirkungen auf die Psyche.»
Der geringe Bewegungsradius sei als Einschränkung wahrgenommen worden, «teilweise wurde dies als Einsperren empfunden». Die sozialen Kontakte würden vermisst.
Um dem entgegenzuwirken, wurde ständig nach kreativen Lösungen gesucht. So wurden zusätzliche und individuelle Angebote, Aktivitäten in Kleingruppen, organisierte Telefonanrufe, Briefe von Schulen, Videostreams, Besuchsfenster oder Besuchszelte angeboten. Auch die Umgebung von Wohnhäusern wurde attraktiver gestaltet, etwa mit zusätzlichen Ruheplätzen oder einem Töggelikasten.
Die Institutionen hatten in vielen Belangen einen erhöhten Aufwand, auch bezüglich Einsatzstunden. Die Kommunikation mit Schutzmasken ist wegen der fehlenden Mimik erschwert und auch der Psyche der Mitarbeitenden musste eine höhere Beachtung geschenkt werden. Auf wirtschaftlicher Seite erlitten einzelne Betriebe im Cafeteriabereich hohe Einbussen.
In Obwalden gab es bei den über 70-Jährigen mehr Todesfälle
Der Kanton Obwalden verfügt über weniger Zahlenmaterial. Laut den unserer Zeitung gelieferten Zahlen sind 2020 in Obwalden 349 Todesfälle verzeichnet worden. Das sind etwa 70 bis 100 mehr als jeweils in den letzten zehn Jahren. Das Gesundheitsamt relativiert aber: 2020 seien 30 Personen an Covid-19 gestorben. «Gemäss Bundesamt für Statistik sind die Todesfälle tatsächlich angestiegen, aber es wäre falsch, einen Zusammenhang zu Corona aus diesen Zahlen zu schliessen, welche die 30 Coronafälle übersteigen.»
Vergleicht man die Altersklassen, lässt sich feststellen, dass es in allen Gruppen bis zu den 69-Jährigen auch in Obwalden keine signifikante Übersterblichkeit gab. Bei den über 70-Jährigen sind in Obwalden mehr Todesfälle zu verzeichnen. Am auffälligsten ist der Unterschied in der Gruppe der über 90-Jährigen.
Sowohl zu Zahlen aus den Heimen wie auch zu spürbaren Auswirkungen in der Jugendpsychiatrie kann der Kanton Obwalden keine Angaben machen. Es seien noch keine Daten vorhanden. «Eine wissenschaftlich gestützte Untersuchung mit zuverlässigen Daten und genügend grossen Vergleichsgruppen hierzu existiert leider noch nicht. Allerdings verstehen wir das Informationsbedürfnis hierzu», schreibt das Gesundheitsamt.
Auch in Uri gab es keine Übersterblichkeit
In der vergangenen Woche hatte auch der Kanton Uri bekanntgegeben, dass im vergangenen Jahr nicht deutlich mehr Todesfälle als in den vergangenen zehn Jahren zu verzeichnen waren. Auch beim Alter der Verstorbenen waren keine Auffälligkeiten oder Tendenzen ersichtlich. Das schrieb die Regierung in der Antwort auf eine Interpellation. Im vergangenen Jahr sind gemäss dem Bundesamt für Statistik 330 Menschen mit Wohnsitz im Kanton Uri verstorben. Sowohl in der Jugendpsychiatrie wie auch bei den Seniorenheimen machte die Urner Regierung in etwa die gleichen Feststellungen, wie sie nun der Kanton Nidwalden präsentiert hat.