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Obwalden

Karl Imfeld ist tot – er hat Obwalden Kultur und Würde geschenkt

Der frühere Kernser Pfarrer Karl Imfeld ist tot. Mit ihm verstummt eine der wichtigsten Stimmen für die Obwaldner Kultur und Mundart.
Der bekannte Obwaldner Pfarrer und Buchautor Karl Imfeld ist am
19. August verstorben. (Bild: Romano Cuonz
)
Imfeld signiert sein Werk an einer seiner letzten Lesungen in Kerns. (Bild: Romano Cuonz
(Kerns, Oktober 2015))

Romano Cuonz

Romano Cuonz

«Die Sprache ist, obwohl sie in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr mit Sorgfalt verwöhnt wird, eines unserer wichtigsten Kulturgüter», schrieb der frühere Kernser Pfarrer, Volkskundler und Schriftsteller Karl Imfeld im Vorwort zu seinem «Obwaldner Mundart-Wörterbuch». Das 2000 erst mal erschienene, minutiös recherchierte und wissenschaftlich sorgfältig geschriebene Buch umfasst wie kein anderes sein grosses Lebenswerk. Nun – in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch – ist Karl Imfelds für den kleinen Kanton Obwalden so wichtige Stimme verstummt.

Sein Vermächtnis aber – sei es das Erfassen unserer Mundart oder der Volksbräuche und Volkskultur – wird weiterleben. Dieses ihm wohl wichtigste Anliegen formulierte der ebenso kritische wie wache Geist immer wieder. So postulierte er: «Ein Mundart-Wörterbuch ist weder ein Museum noch ein Grabstein lokaler Sprachformen, sondern ein Dokument und Nachschlagewerk, das so gut wie möglich den aktuellen Stand wiedergibt.» Bezeichnend ist denn auch, dass sich Karl Imfeld in den letzten Jahren seines Lebens – trotz stetig fortschreitender Krankheit –nochmals für seine geliebte Obwaldner Mundart eingesetzt hat. Mit einem unersetzlichen Wissensschatz arbeitete er bis zuletzt engagiert an der Neuauflage des seit Jahren vergriffenen Werks.

Die Vernissage Ende Oktober, auf die er sich sehr gefreut hatte, darf er nun nicht mehr erleben. Sein Vermächtnis an Obwaldens Bevölkerung aber wird bleiben. Das Wörterbuch-Material befindet sich übrigens heute im Archiv des Schweizerischen Idiotikons. Der von der Todesnachricht tief betroffene Regisseur, Literaturkenner und Freund Gerhard Dillier sagt: «Karl Imfeld hat mit seinem Leben, Wirken und Schaffen dem Alltag in Obwalden nicht nur ein Gesicht gegeben, sondern auch eine Kultur und Würde, er wird nicht nur in Obwalden fehlen.»

Einer, der sagte, was wahr ist

Als Mundartlyriker hat Karl Imfeld in knappen und immer treffenden Worten zum Ausdruck gebracht, was andere vielleicht dachten, aber nicht zu sagen wagten. Dies geben folgende sechs Zeilen aus seiner Feder besonders prägnant wieder:

«Waarnig:
Waartid iär numä /
äs isch /
nu lang nid alls /
truckt /
wo nid waar isch.»




In der Tat: Von geschönten Reimen oder von Anbiederung findet sich in Imfelds Werk keine Spur. Der 1931 als Sohn eines Sarner Fabrikarbeiters geborene Karl Imfeld wuchs in einer Grossfamilie auf. Nach dem Studium der Theologie am Priesterseminar St. Luzi in Chur wirkte er vier Jahre als Vikar in Graubünden. 1962 kam er als Kaplan nach Kerns, wo er 1969 bis 1996 als Pfarrer wirkte und auch dem Dekanat Obwalden vorstand. Imfeld war für das Bistum Chur kein pflegeleichter Priester. Als landesweit Proteste gegen den rechtskonservativen Churer Bischof Wolfgang Haas aufkamen, hielt Imfeld mit seiner Meinung nicht zurück.

Immer wieder sagte er unverblümt, was einer zeitgemässen katholischen Kirche seiner Ansicht nach Not täte. Auch wenn er oft unbequem war: Viele Kernser werden ihren fortschrittlichen Pfarrer in bleibender Erinnerung behalten. Als einer, der stets auch ein offenes Ohr für Anliegen seiner Mitmenschen hatte. Auch als Publizist nahm Imfeld nie ein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, der Wahrheit Ausdruck zu verleihen. Wie ihm Hans Hofer 2006 den Obwaldner Kulturpreis übergibt, charakterisiert er den Geehrten als «kritisch, graduisä und schlau». Diese Eigenschaften zeichneten ihn auch nach seiner Pensionierung aus: in einem «Unruhestand», während dessen er im Kernser «Huwel» als Seelsorger wirkte und unentwegt weiter forschte und schrieb.

Besonderer Kontakt zu Kindern und Jugendlichen

Karl Imfeld verfasste Sprüche, Gedichte, Geschichten in Mundart, er kreierte Hörspiele und Theaterstücke. Von 1989 bis 1998 war er am Radio in der Rubrik «Zum neuen Tag» zu hören. Für das Hörspiel «Pilgerzug» wurde er mit dem Basler Hörspielpreis ausgezeichnet. Neben dem Obwaldner Mundartwörterbuch müsste man vor allem ein frühes Werk des Autors besonders erwähnen: das 1979 im «Nussbaum Verlag» erschienene «Markus Evangeeli Obwaldnerdytsch». Mit dieser Dialektübersetzung aus dem griechischen Urtext verleiht der damals junge Pfarrer biblischen Worten eine nachgerade urtümliche Kraft und Nähe. Vor allem Kinder und Jugendliche – zu ihnen hatte der brillante Erzähler und Religionslehrer stets einen guten Kontakt – begegnen in diesem Buch der biblischen Botschaft unmittelbar und nahe. Ja, Jesus spricht «Obwaldnerdytsch», wenn er – wohl ganz im Sinn und Geiste des Verstorbenen, dem äusserer Reichtum kaum je viel bedeutete – sagt: «Äs Kamel kunnd säifter durnä Nadläschlitz weder ä Rychä i Himmel.»

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