Mit dem Velo von Ost nach West. Von Müstair bis Genf. Diese Strecke will der Luzerner Oberstufenlehrer Daniel Blättler mit Schülerinnen und Schülern des Freifachs Sport abfahren. Rund 540 Kilometer sind es, die Jugendlichen trainieren seit den Sommerferien, organisieren Sponsoren und Unterkünfte. Und nun das: Die Velotour fällt dem Coronavirus zum Opfer. Die Dienststelle Volksschulbildung des Kantons Luzern hat beschlossen, dass bis zu den Sommerferien keine Lager durchgeführt werden können. Exkursionen, eintägige Schulreisen, Projektwochen oder Schulschlussfeiern sollen aber grundsätzlich wieder möglich sein.
Daniel Blättler, der derzeit eine dritte Sek-Klasse unterrichtet, ist geschockt, als er von diesem Entscheid erfährt. «Mit dem Argument der Planungssicherheit wurden sämtliche Lager ohne vorgängige Diskussion verboten. Das ist sehr schade und vielen eingefahren», sagt er gegenüber unserer Zeitung. Bisher habe er die Schutzmassnahmen stets mitgetragen, doch diese Absage gehe zu weit, findet er.
Nicht nur, weil sämtliche Vorbereitungen seiner Klasse vergebens waren. Sondern auch, weil Kinder und Jugendliche stark unter den Coronamassnahmen leiden würden. Während über zwei Monaten war an der Sek kein Schulsport mehr möglich, vielerorts stand auch das Vereinsleben still. Schülerinnen berichten Blättler, sie hätten ihre Kollegen des Musikvereins seit einem Jahr nicht mehr gesehen. «Es gehen sehr viele Erlebnisse und viele soziale Kontakte verloren», sagt er. Die Bedürfnisse der Jungen würden von den Entscheidungsträgern zu wenig beachtet.
Lehrer hofft dank Impfungen und Tests auf Lockerungen
Was den Sek-Lehrer besonders ärgert: Mit der neuen Teststrategie des Bundesrats und dem Abschluss der Impfungen für Risikogruppen per Ende April «sollten deutliche Lockerungen der Massnahmen möglich sein». Und kein anderer Zentralschweizer Kanton sage die Lager pauschal ab.
Tatsächlich ist Luzern – was Klassenlager betrifft – der strengste Kanton in der Zentralschweiz, wie eine Umfrage unserer Zeitung zeigt. Weshalb? «Wir sind nicht strenger, sondern schneller», sagt Aldo Magno, Leiter der Luzerner Dienststelle Volksschulbildung. Die Schulleitungen hätten Planungssicherheit und einen Entscheid vor Ostern gewünscht. In der aktuellen Lage mit Maskentragpflicht ab der 1. Sek sei kein anderer Entscheid möglich gewesen, als «die Lager schweren Herzens zu verbieten».
Alternativangebot für Lager ist denkbar
Es sei darum gegangen, hohe Stornierungskosten und grosse Aufwände für die Organisation zu vermeiden. Für Magno ist klar, dass «Lager ein wesentlicher Bestandteil der Schulkultur sind». Sollte sich die epidemiologische Lage verbessern, könne man kurzfristig noch kleinere Anlässe organisieren.
Verständnis für diesen Entscheid zeigt Alex Messerli, Präsident des Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverbands. Alle möchten zurück zur Normalität und Projekte durchführen, sagt er. Besonders hart sei der Entscheid für jene, welche die Schule diesen Sommer abschliessen. Auf der anderen Seite seien viele Lehrpersonen froh, Gewissheit zu haben.
«Für die längerfristige Planung ist das der beste Entscheid. Und je schneller wir diese Pandemie in den Griff bekommen, desto schneller können wir zur Normalität zurückkehren.»
Vor der Frage, ob die Klassenlager bis im Sommer abgesagt werden müssen, stehen alle Kantone. In Zug ist der Entscheid gefallen: Die Kanti Menzingen und die Fachmittelschule können ihre Lager durchführen, welche vor beziehungsweise nach den am 17. April beginnenden Frühlingsferien stattfinden. «Mit Testen und Schutzkonzepten», wie Bildungsdirektor Stephan Schleiss erklärt. Er sagt:
«Ich begrüsse es, wenn wenigstens in der Oberstufe Lager stattfinden.»
Die präventiven Coronatests, die inzwischen ab der 4. Klasse wöchentlich durchgeführt werden, könnten problemlos auch im Lagerhaus gemacht werden. Aber: «Die grossen Klassiker sind schon durch. Die sind allesamt ins Wasser gefallen.» Wichtig ist der Bildungsdirektion, dass die Berufswahlveranstaltungen des Gewerbeverbands am 13. April und 4. Mai wie geplant stattfinden können.
In Obwalden sind Lager bis am 18. April nicht möglich, danach müsse im Einzelfall entschieden werden, heisst es beim Bildungs- und Kulturdepartement. Auch die restlichen der sechs Zentralschweizer Kantone wollen keine Verbote verordnen. Sie überlassen den Entscheid den Schulen.
Nidwalden und Uri sind verhalten optimistisch
Im Kanton Nidwalden werden bereits Schulreisen, Lager und Exkursionen geplant. Diese sollten im Juni stattfinden. «Wir glauben, dass sich die Lage bis dahin bessert», sagt Patrick Meier, Vorsteher des Amts für Volksschulen und Sport. Eine Garantie, dass diese durchgeführt werden können, gibt es allerdings nicht. Meier selber ist eher zurückhaltend. Abgesagt wurden Sprachaufenthalte in Nizza und Friaul (Italien).
Gemäss David Zurfluh, Vorsteher des Urner Amts für Volksschulen, ist die aktuelle Situation für Schullager nicht günstig. «Wir raten aber, an der Planung festzuhalten», sagt er. Es sei einfacher, ein Lager abzusagen als kurzfristig eines zu organisieren. Weil die Schulverlegungen im Mai oder Juni geplant seien, bestehe Grund zur Hoffnung, dass sich die Situation bis dahin bessert. Die optimistische Haltung begründet Zurfluh so:
«Die Kinder mussten schon auf vieles verzichten.»