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Luzern

Kanton Luzern verschärft Massnahmen gegen die Umweltbelastung durch Phosphor und Ammoniak aus der Landwirtschaft

Güllelager abdecken, Schleppschläuche benutzen, Tierbestände nicht erhöhen: Das sind nur drei von zahlreichen Massnahmen, durch die hiesige Böden und Seen sauberer werden sollen. Eine Herkulesaufgabe – denn die bisherigen Massnahmen haben ihr Ziel bei weitem verfehlt.
Hier wird Gülle mit Hilfe eines Schleppschlauchverteilers ausgebracht. (Bild: Pius Amrein, 20. September 2016)

Niels Jost

Luzern gehört zu den bedeutendsten Agrarkantonen der Schweiz. Ein Drittel aller Schweine und gut jedes zehnte Rind werden hier gehalten. Entsprechend intensiv wird – und wurde über Jahrzehnte hinweg – die hiesige Umwelt belastet: Die Böden sind übersäuert, im Baldegger-, Hallwiler- und Sempachersee lagern sich Unmengen an Phosphor ab.

Seit Jahren schon versucht der Kanton gemeinsam mit den Landwirten, das Problem zu bewältigen. Doch die erhofften Verbesserungen sind nicht eingetroffen. Deshalb zieht der Kanton nun die Schraube an. Am Donnerstag hat er gleich zwei wegweisende Regelungen vorgestellt, die er angepasst hat: den Teilplan Ammoniak sowie die Phosphorverordnung III. «Damit streben wir eine Transformation der Landwirtschaft zu einer naturnahen und schonenden Produktion an», sagte Regierungsrat Fabian Peter (FDP). Dies werde von der Gesellschaft so gewünscht. «Gleichzeitig», betonte der Vorsteher des Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartements, «soll die Landwirtschaft weiterhin genug produzieren können.»

Spagat zwischen Umweltschutz und rentabler Landwirtschaft

Eine Herkulesaufgabe. Denn der Kanton versucht damit, den Spagat zwischen Umweltschutz und einer sich rentierenden Landwirtschaft zu meistern. Doch Peter ist zuversichtlich. Er habe Anfang 2020 alle Parteien mit ihren gegensätzlichen Anliegen an einen runden Tisch gebracht: Umweltverbände, Landwirte, Fachleute. Ein Mediator habe vermittelt. «Nur gemeinsam können wir eine Lösung erarbeiten», betonte der Inwiler mehrmals. «Am Schluss muss aber halt manchmal die Politik eine Entscheidung treffen.»

Diese Entscheidung sieht für den Teilplan Ammoniak so aus: Per 1. Juli tritt er in Kraft, und damit neun Massnahmen, welche in dieser Box aufgeführt sind:

Zu den augenfälligsten Massnahmen gehört die Abdeckung offener Güllelager. «Damit können wir eine grosse Wirkung erzielen», sagte Daniel Christen, Leiter Dienststelle Umwelt und Energie (UWE). Neuere Güllelager seien bereits gedeckt, rund 1200 gelte es bis 2030 noch zu schliessen. «Die grösseren Anlagen haben Priorität und müssen bis 2025 abgedeckt werden», so Christen. Weiter soll Gülle vermehrt durch einen Schleppschlauch, Schleppschuh oder Gülledrill ausgebracht werden. Ziel: «Die Gülle soll weniger lang der Luft ausgesetzt sein und direkt in den Boden eindringen», erklärte der UWE-Leiter.

Ebenso zentral war die Schaffung der neuen Stelle des Fachexperten Ammoniak. Diese hat im November 2019 Markus Bucheli angetreten. Er soll den Landwirten als direkte Ansprechperson dienen und sie bei der Planung und Verwaltung der geforderten Massnahmen unterstützen. Bucheli führt selber einen Hof in Schwarzenberg. «Manchmal sind die Anforderungen einfach zu komplex und zu wenig verständlich. Hier möchte ich Abhilfe schaffen», sagte er. «Ich spreche wortwörtlich Buuredütsch.»

«Haben ursprüngliches Ziel bei weitem nicht erreicht»

Mit diesen zusätzlichen Massnahmen sollen die Ammoniakemissionen gesenkt werden. Anfänglich war das Ziel, diese bis 2020 im Vergleich zu 2009 um 20 Prozent zu reduzieren. Die Realität: eine Senkung um lediglich 4,5 Prozent. Daniel Christen beschönigte nichts: «Unsere ursprünglichen Ziele haben wir bei weitem nicht erreicht.» Dies lag einerseits am vermehrten Einsatz von Laufställen, was dem Tierwohl diene, und an der unveränderten Anzahl Nutztiere. «Andererseits haben wir die Wirkung unserer Massnahmen zu optimistisch eingeschätzt», sagte Christen.

Neu wird angestrebt, die Ammoniakemissionen bis 2030 um 20 Prozent zu senken – im Vergleich zum Referenzjahr 2014. Damit bleibt die Zielsetzung weit unter dem Wert, welcher aus ökologischer Sicht nötig wäre. Dafür müssten die Emissionen um 70 Prozent reduziert werden. Doch selbst das nun gesteckte Ziel werde zur Herausforderung, so Christen. «Nur gemeinsam können wir das schaffen.»

Bauern werden für Umsetzung der Massnahmen entschädigt

Auf diese gemeinsame Bemühungen hofft auch Thomas Meyer. Der Abteilungsleiter Landwirtschaft bei der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) stellte die zweite grosse Kiste an diesem Donnerstag vor: das Phosphorprojekt III, welches 2021 in Kraft tritt. Auch damit kommen zahlreiche schärfere Massnahmen auf die Bauern rund um die drei Luzerner Mittellandseen zu – wofür sie entschädigt werden.

Konkret dürfen sie beispielsweise weniger Gülle auf ihre Felder ausbringen oder ihre Nutztierbestände nicht aufstocken. Auf freiwilliger Basis beruhen zudem bauliche Massnahmen oder die Umstellung auf alternative Erwerbszweige wie Agrotourismus und Spezialkulturen. Für Letzteres wird ein einmaliger Beitrag von maximal 50'000 Franken gezahlt.

30 Jahre, bis Seen wieder sauber sind

Das Phorsphorprojekt III wurde mit zahlreichen Parteien wie Umweltverbänden, Landwirten oder auch dem Bund erarbeitet. «Es ist ein Kompromiss», sagte Meyer. Ziel ist es, die Phosphorfrachten aus der Landwirtschaft um 20 Prozent zu reduzieren. Doch selbst dadurch wären die drei Seen erst in etwa 30 Jahren wieder «sauber». Auch Meyer beschönigte nichts: «Es dauert mindestens noch eine Generation, bis das Problem gelöst ist.»

Das geht den Luzerner Sektionen der Umweltverbände Birdlife, Pro Natura und WWF zu langsam. In einer Mitteilung betitelten sie die Pläne der Regierung wie folgt: «Zu wenig, zu spät». Die Massnahmen seien zu wenig ambitiös – obwohl die Probleme seit Jahrzehnten bekannt seien. So könnten nicht mal die vom Bund gesetzten Umweltziele erreicht werden.

Weitere Informationen: Massnahmen und Merkblätter Ammoniak, Informationen Phosphorprojekt.

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