Philipp Unterschütz
Philipp Unterschütz
«Landeskirchen als politische Propagandatreiber», so betitelte Kantonsrat Ivo Herzog (Alpnach) Ende Mai eine Interpellation. Die Kirchen würden sich vermehrt öffentlich in die politische Meinungsbildung einmischen, finden der SVP-Fraktionschef und 16 Mitunterzeichner. Als Beispiele werden die beiden Agrarinitiativen und das CO2-Gesetz erwähnt, ein Beispielbild zeigt ein meterhohes Banner am Kirchturm der evangelischen Kirche in Sarnen, das für die Konzernverantwortungsinitiative warb. Die Kirchen treten laut der Interpellation «parteiisch auf und missionieren für linke Anliegen».
Insbesondere, dass in Obwalden 4 Prozent der Steuereinnahmen aller juristischen Personen oder jährlich etwa 1 Million Franken an die Landeskirchen gehen, stört die Interpellanten vor diesem Hintergrund. «Als Dank für die Zwangsalimentierung teilen die Kirchen Schweizer Unternehmen in verantwortungsvolle oder menschenrechtsverletzende ein», heisst es unter anderem. Und: «Die Kirche unterscheidet faktisch zwischen guten und schlechten Christen.»
Religionsfreiheit und Öffentlichkeitsauftrag
Die Regierung musste nun verschiedene Fragen dazu beantworten, wie sie die politischen Äusserungen der Kirche sieht, ob ein neutraler Religionsunterricht sichergestellt sei oder wie die Steuern von juristischen Personen zu rechtfertigen seien. Die Antwort ist eine spannende Erörterung der rechtlichen Stellung der Kirchen und ihrer Organe, hat da und dort gar philosophische Züge, lässt aber auch etliche Fragen offen. So bezieht sie sich unter anderem auf die Religionsfreiheit respektive das Wirken der Kirchen in der Öffentlichkeit. Im Rahmen ihres Öffentlichkeitsauftrages dürften die Kirchen grundsätzlich in Wahl- und Abstimmungskämpfen Stellung beziehen. Allerdings dürfe man die Frage stellen, ob ihnen ein grösserer Spielraum politischer Einflussnahme zustehe als anderen staatlichen Behörden.
In der Literatur werde auch vereinzelt betont, dass für die Kirchgemeinden dieselben Neutralitätsgrundsätze gelten, wie sie für das Gemeinwesen entwickelt worden seien. Es sei aber fraglich, ob dies dem besonderen Charakter der Kirchgemeinden gerecht würde. «Die Autonomie und die Religionsfreiheit der Kirchgemeinden soll der Lehre, der die Kirchen verpflichtet sind, dienen und zu ihrer Umsetzung verhelfen.» Es müsse deshalb zulässig sein, dass in diesem Zusammenhang kirchliche Organe «zu Abstimmungen Stellung beziehen können».
Regierung verweist auf den Rechtsweg
Eingegangen wird auch auf die Frage, inwieweit die politischen Aktivitäten von Kirchen, Kirchgemeinden oder kirchennahen Organisationen geeignet gewesen wären, die freie Willensbildung der Stimmbürgerinnen und -bürger im Vorfeld von Abstimmungen zu verfälschen. Beantwortet wird die Frage nicht abschliessend. «Letztlich steht aber die Möglichkeit offen, in einem konkreten Anwendungsfall den Rechtsweg zu beschreiten und diese Frage prüfen zu lassen», hält die Regierung fest.
Bezüglich Religionsunterricht verweist der Regierungsrat darauf, dass er über den Inhalt des konfessionellen Religionsunterrichts keine Aufsichtsfunktion habe, es sei nach dem Willen des Gesetzgebers Sache der Kirchen, den Inhalt zu bestimmen. Die Erziehungsberechtigten können aber den Verzicht ihrer Kinder auf den Besuch des konfessionellen Religionsunterrichts dem zuständigen Pfarramt und der Schulleitung melden.
Die Kirchensteuer für juristische Personen ist für die Regierung gerechtfertigt, weil dies vom Souverän so beschlossen wurde. Die Regierung räumt aber gleichzeitig ein, dass die Kirchensteuern für juristische Personen immer wieder heftig umstritten seien.
Juristische Personen bestimmen selber, wer die 4 Prozent Steuern bekommt
Interpellant Ivo Herzog wundert sich angesichts des Themas nicht, dass die Antwort sehr allgemein und zurückhaltend abgefasst sei. «Aber man liest zwischen den Zeilen schon auch, dass die zunehmende Verpolitisierung der Glaubensgemeinschaften und Kirchen nicht nur für eitel Freude sorgt.» Die Auffassung, dass die Kirchen zu politischen Fragen Stellung beziehen müssen, um ihrer Lehre dienen zu können, teilt er überhaupt nicht. «Es geht mir und vielen anderen Kirchenfreunden mittlerweile definitiv viel zu weit und wirkt je länger, je befremdender, unliberal und zutiefst intolerant.»
Die Glaubensgemeinschaften und Kirchen sollten seiner Meinung nach verbindend und sicher nicht rechthaberisch spaltend wirken.
«Ob die aktuelle politische Einmischung in jede Detailfrage gesellschaftlich Verbindendes bewirkt, bezweifle ich sehr.»
Ob die SVP bezüglich Kirchensteuer von juristischen Personen politisch aktiv werden will, müsse mit der Basis diskutiert werden. Im Gegensatz zu natürlichen Personen, welche jederzeit über Teilnahme oder Austritt entscheiden könnten, seien die juristischen Personen zu Teilnahme und ihrem finanziellen Obolus verpflichtet. Das ist für Ivo Herzog fragwürdig und ungerecht, es gehe ihm aber nicht etwa um eine mögliche Steuerkürzung. «Vielleicht ist ein Ansatz, dass Unternehmen sich freiwillig an der Kirchenfinanzierung beteiligen oder eben nicht. Diejenigen, welche Nein zu kirchlichen Verpflichtungen sagen, entrichten die total 4 Prozent Anteil an der Gesamtsteuer halt an Gemeinde und Kanton für andere gesellschaftliche gemeinsame Projekte. Dann würde doch wortwörtlich ‹die Kirche im Dorf bleiben›.»