notifications
Luzern

Instrumentalunterricht: Sparübung des Luzerner Regierungsrats sorgt für Misstöne

Die geplante Reform der Regierung sei ein «Etikettenschwindel», sagt Lehrervertreter Pius Strassmann. Grundsätzlich sei gegen eine Diskussion nichts einzuwenden – aber unter anderen Vorzeichen.
Blockflötist Pius Strassmann in seinem Atelier in der Stadt Luzern. Bild: Dominik Wunderli (23. November 2018)

Urs-Ueli Schorno

Im Atelier von Pius Strassmann sind die Blockflöten fein säuberlich aufgereiht, spielbereit. Der 55-jährige Musiker ist zu 50 Prozent an der Musikschule der Stadt Luzern angestellt. Das entspricht 14,5 Lektionen à 60 Minuten. «Das ist typisch. Fast kein Instrumentallehrer arbeitet 100 Prozent als solcher», sagt er, während er einige seiner Instrumente in ein Rolletui zum Transport verstaut. Die kleineren Pensen hätten mit den Arbeitszeiten zu tun: Da die auszubildenden Instrumentalisten meist Schüler sind, findet der freiwillige Musikunterricht in der Regel zwischen 15.30 und 21 Uhr statt. Gerade jüngere Schüler würden aber selten nach 19.30 Uhr von ihren Eltern zum Unterricht geschickt, was das Auffüllen der Pensen unter Umständen erschwere.

Einige Instrumental- und Gesangslehrer übernehmen deshalb auch andere Aufgaben. Strassmann arbeitet zusätzlich als Musikkinesiologe, wo er Lehrpersonen und Schüler etwa bei Lampenfieber berät. Als Blockflötist spielt er solistisch und in verschiedenen Ensembles. Natürlich gebe es Lehrpersonen, die gleichzeitig an einer Kantonsschule unterrichten. Sie sollen künftig zu den gleichen Bedingungen angestellt sein, wie die Instrumentallehrer an Gemeindeschulen – zumindest, was den freiwilligen Unterricht betrifft (Ausgabe vom 14. November 2018). So will es der Luzerner Regierungsrat im Zuge der Aufgaben- und Finanzreform 18 (AFR 18) einrichten.

Sparübung als Pädagogik verkauft

Als Lehrervertreter an der Musikschule führt Pius Strassmann gerade viele Gespräche über die in der AFR 18 geplanten Änderungen. «Die Diskussion um die Zusammenführung des Instrumentalunterrichts von Kantons- und Gemeindeschulen ist eine ewig lange», sagt er. Viele Kantonsschüler würden etwa weiterhin den Instrumentalunterricht in der Gemeinde besuchen, an der sie schon zuvor zur Schule gingen. Auch Musiklehrer sind oft gleichzeitig an Gemeinde- und Kantonsschulen angestellt. Schon deshalb sei gegen eine Vereinfachung nichts einzuwenden. Doch: «Die aktuelle Stossrichtung versperrt den Weg.»

«Die Diskussion um die Zusammenführung des Instrumentalunterrichts von Kantons- und Gemeindeschulen ist eine ewig lange»

Denn für Strassmann ist klar, dass der Kanton Luzern «einmal mehr nur sparen will». So stünden statt pädagogischer Überlegungen finanzielle im Vordergrund – auch wenn im besagten Aufgabenplan der Eindruck entstünde, es handle sich um pädagogisch sinnvolle Massnahmen. «Es ärgert mich, wenn man das behauptet.» Er nennt ein Beispiel: «Wenn dem so wäre, würde man ja den Lohn der Musiklehrer an der Volksschule anheben, statt denjenigen der Gymnasiallehrer zu senken.» Bekanntlich sollen die Löhne der Gymnasiallehrer auf das Niveau der Gemeindelehrer angepasst werden, was der Senkung um eine Lohnstufe entspricht. «Wie es nun gehandhabt werden soll, ist es eine Abwertung der Gymnasial- und der Gemeindemusikschullehrer.»

Eine Optimierung sei auch der geplante, verstärkte Gruppenunterricht nicht. «Wir haben jahrzehntelang für Einzelunterricht gekämpft. Die Forschung zeigt: Er ist zielfördernd.» Bereits heute werde der Einzelunterricht ergänzt durch das freiwillige Spiel in Ensembles – an der Musikschule Luzern sind es gegen 50 –, die den Musikschülern offen stünden. Und Strassmann nennt ein für ihn gewichtiges Argument für individuelle Betreuung: «Heute gibt es sonst kaum mehr die Si-tuation, dass ein Kind 40 Minuten lang alleine mit einem Erwachsenen arbeitet.» Emotionen, Stimmungen und Sorgen der Schüler könnten so viel besser beobachtet werden und auf die Sachebene – sprich: das Spiel mit dem Instrument – übersetzt werden. Mit der Teilnahme in Ensembles sei der Gruppenunterricht bereits fester Bestandteil der Ausbildung. Wenn diese Strukturen nun zerschlagen würden, sei dies ein «irreversibler Vorgang».

Drohender Verlust der «Hauskultur»

Umkehren lässt sich auch die Entwicklung nicht, dass Musikschulen fusionieren werden. In der Stadt ist die Zusammenarbeit schon weit fortgeschritten, auch auf dem Land nehmen die Zusammenschlüsse Form an. Immerhin: In den im AFR angedachten Massnahmen wird die Absicht erklärt, dass die Schüler weiterhin möglichst den Unterricht in der eigenen Gemeinde besuchen können. Aber man müsse aufpassen, so Strassmann, dass die «Hauskultur» der jeweiligen Schulen – «also die Arbeit mit den Lehrern im Rahmen des Unterrichts und von Projekten» – nicht verloren geht.

«Ich glaube nicht, dass der Etikettenschwindel in dieser Form durchkommen wird.»

Hinzu kommen ungeklärte Fragen bei der Pensionskasse – die an den Kantonsschulen angestellten Instrumentallehrer sind bisher besser versichert als jene in den Gemeinden. Einen Vorteil im Rahmen der AFR 18 vorgesehenen Änderungen sieht Strassmann schliesslich doch: Für Gymnasiallehrer könnte es einfacher werden, ihre Pensen aufzufüllen, wenn der freiwillige Unterricht übergreifend geregelt ist. Doch unter dem Strich fällt bei ihm das Vorhaben durch: «Ich glaube nicht, dass der Etikettenschwindel in dieser Form durchkommen wird.»

Kommentare (0)