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Luzern

Impfkritiker und Kinderarzt Aurelio Nosetti gibt seine Praxis in Emmenbrücke nach 35 Jahren ab – und plaudert aus dem Nähkästchen

Er wechselte von der Schulmedizin zur Homöopathie, war schon als Impfkritiker im Fernsehen, und sah sich immer als Anwalt der Kinder: Ende April geht Aurelio Nosetti (70) in Pension.
Der Kinderarzt Aurelio Nosetti (70) in seinem Sprechzimmer. 
(Bild: Boris Bürgisser,
Emmenbrücke, 16. April 2020)

Beatrice Vogel

Das Sprechzimmer sieht aus, wie der Fantasie eines Kindes entsprungen: Spielsachen, Kinderbücher, und in der Mitte eine grosse hölzerne Lokomotive, die als Untersuchungsliege dient. «Die habe ich selbst entworfen», sagt Aurelio Nosetti nicht ohne Stolz. Der Kinderarzt führt seit 35 Jahren eine Praxis im Bösfeldquartier in Emmenbrücke. Ende Monat geht er, 70-jährig, in Pension. Die Praxis werden zwei langjährige Kolleginnen weiterführen, eine Kinderärztin und eine Allgemeinmedizinerin, sowie seine Frau, Daniella Nosetti-Bürgi, die als Psychotherapeutin tätig ist.

Noch sind sie auf der Suche nach einem Nachfolger für Aurelio Nosetti, was nicht einfach ist. Denn: Alle drei Ärzte sind auf Homöopathie spezialisiert, «aber es gibt immer weniger, die homöopathisch behandeln», sagt Nosetti, «erst recht nicht unter den Kinderärzten». Dies, obwohl die Nachfrage bei den Patienten sehr gross sei. Immer wieder musste er Anfragen ablehnen. «Weil auch meine Kolleginnen schon eine volle Agenda haben, kann ich leider nicht alle Patienten an sie übergeben.» Lediglich drei Patienten mit komplizierten Erkrankungen werde er auch nach der Pensionierung weiter betreuen.

Mit Schulmedizin unzufrieden

Eröffnet hat Aurelio Nosetti seine Praxis allerdings als Schulmediziner. Erst nach elf Jahren sei er auf die Homöopathie umgestiegen. «Ich habe festgestellt, dass für mich vieles nicht aufging», erzählt er. So seien Kinder, die mit Antibiotika behandelt wurden, alle paar Monate mit derselben Krankheit in seiner Praxis gelandet. Zwei Erlebnisse haben ihn dann zum Umdenken gebracht: Ein Kollege, der ihm von Homöopathie erzählte. Und eine Nachbarin an seinem damaligen Wohnort in Rothenburg: «Ihr Kind hatte eine Mittelohrentzündung. Bevor ich ihm ein Antibiotikum verschrieb, wollte die Mutter ihre Homöopathin kontaktieren, die dem Kind Globuli gab.» Zwei Tage später sei das Kind genesen gewesen.

«Daraufhin habe ich mich sofort für einen Homöopathie-Kurs angemeldet.»

Der Umstieg sei für ihn eine Offenbarung gewesen, sagt Nosetti, weil er gesehen habe, dass Homöopathie wirke: «Derartige Therapieerfolge hätte ich mir nie erträumen können.» Allerdings sei es nicht immer einfach gewesen. Die Vereinigung Kinderärzte Zentralschweiz habe ihm den Austritt nahegelegt – Nosetti folgte der Aufforderung nicht. Auch Freunde habe er verloren, manche hätten von Kindesmisshandlung gesprochen. Auch sein Engagement bei den Antiatom-Ärzten wurde belächelt. Umso befriedigender sei es für ihn, dass die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie vor zwei Jahren eine Arbeitsgruppe für integrative Pädiatrie ins Leben gerufen hat. In dieser sind ärztliche Therapeuten aus der Phytotherapie (Pflanzenheilkunde), Anthroposophie, traditionell chinesischen Medizin und Homöopathie vertreten.

Ganzheitlicher Ansatz überzeugt ihn

An der Homöopathie wird oft kritisiert, dass die medizinischen Wirkstoffe so stark verdünnt werden, dass sie im Heilmittel gar nicht mehr existent sind. Eine Heilung wird dann dem Placebo-Effekt zugeschrieben. «Chemisch ist tatsächlich kein Wirkstoff mehr nachweisbar», sagt Nosetti dazu, «aber die physikalischen Schwingungen, die Informationen des Heilmittels sind vorhanden.» Ihn überzeugt zudem der ganzheitliche Ansatz, den Patienten zu betrachten: Seine Persönlichkeit, sein Verhalten, die Ausprägung der Krankheit, alles wird bei der ausführlichen Anamnese miteinbezogen und hat Einfluss auf die Wahl des homöopathischen Arzneimittels.

Für die Effektivität der Heilmethode kann der Kinderarzt viele Beispiele aufzählen: Ein dreijähriges Mädchen, das trotz zwölfmaliger Antibiotikatherapie immer wieder an Streptokokken-Angina erkrankte und nach der homöopathischen Behandlung nie wieder Halsweh hatte. Oder ein Asthmapatient mit einer Hundehaar-Allergie, der danach einen Hund halten konnte. Besonders berührt hat Aurelio Nosetti die Behandlung eines Mädchens, das an einer speziellen Epilepsieform erkrankt war und durch die Homöopathie geheilt wurde. Eines seiner eigenen drei Kinder litt an derselben Krankheit, starb aber im Alter von acht Monaten. «Ich hatte damals die Ausbildung zum Homöopathen erst angefangen, und die Konsultation eines anderen Homöopathen kam zu spät. Dass ich später diesem Mädchen helfen konnte, hat mich in meinem Weg bestärkt», sagt Nosetti.

Bekannter Impfkritiker

Bekannt ist Aurelio Nosetti als Impfkritiker. In dieser Rolle hält er Vorträge, er ist auch schon im Fernsehen aufgetreten. «Die Impfung schwächt das Immunsystem», ist er überzeugt.

Er hat selbst Erhebungen durchgeführt, die zeigen, dass geimpfte Kinder viel öfter wegen Infektionen zum Arzt gehen. Die Grippeimpfung hält Nosetti ebenfalls für wenig sinnvoll:

«Bis ein Impfstoff hergestellt ist, haben sich die Viren schon längst verändert. Auch beim Coronavirus wird das der Fall sein.»

Obwohl er später zur Homöopathie gewechselt habe, sei er dennoch froh, dass er eine schulmedizinische Ausbildung genossen habe, so Nosetti. Dadurch habe er Erfahrungen sammeln und in seiner Praxis das ganze Spektrum der Pädiatrie anbieten können, inklusive Nähen oder Gipsen. Dabei habe er sich immer als Anwalt der Kinder gesehen: «Manchmal habe ich die Eltern weggeschickt, damit ich ein offeneres Gespräch mit den Jugendlichen führen konnte.» Jetzt, am Ende seiner Praxistätigkeit, bedankt sich Aurelio Nosetti bei den Eltern und Kindern, «die mir viele Jahre ihr Vertrauen geschenkt haben und die ich mit Freude begleiten durfte».

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