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Obwalden

Im richtigen Moment abgedrückt: Leser fotografiert einen seltenen Vogel

Leser Arthur sichtete in Engelberg eine neue Vogelart, die man von Weitem sieht. Dafür braucht es nur eine Portion Fantasie.
Mit etwas Fantasie sieht man den Vogel im Schnee. (Bild: Arthur Hess (Engelberg, 18. März 2021))
Es könnte sich aber auch um einen Flugsaurier handeln. (Bild: Arthur Hess (Engelberg, 19. März 2021))
Früher der Engelberg, heute der Hahnen. (Bild: Arthur Hess (Engelberg, 19. März 2021))

Kristina Gysi

Kristina Gysi

Kristina Gysi

Arthur Hess staunte nicht schlecht, als er am Vormittag des 18. März einen äusserst grossen und seltsamen Vogel über der Neuschwändi kreisen sah. Eine Unterart des Bartgeiers – es musste so einer sein – spannte seine riesigen Schwingen über das Engelberger Siedlungsgebiet, und Hess konnte nicht anders. Er musste das Naturspektakel festhalten. Also unterbrach er die Fahrt zum Geburtstagsfest seines Bruders, parkierte das Auto am Rand der Kilchbühlstrasse und drückte den Auslöser seiner Handykamera, um das Flugtier einzufangen – zumindest digital.

Aber natürlich konnte diese Laune der Natur den einheimischen Jäger nicht täuschen. Er war nicht der Entdecker einer neuen Vogelart in der Obwaldner Bergwelt, natürlich nicht. Ein Schneerutsch am Gütsch hatte das prächtige Tier hervorgebracht, an dem sich Hess so sehr erfreute. Der Gütsch, ein Sonnenhang am Fusse des Hahnens. Früher war das noch der Engelberg gewesen, aber heute wird er kaum noch so genannt. Vor wenigen Jahren rutschten und sausten am Gütsch noch Menschen auf Ski umher, selbst bei Nacht, wenn die Strecke beleuchtet war. Aber heute führt dort keine Piste mehr ins Tal.

Hess wurde jäh bei seiner Fotopause unterbrochen, als ein anderes Auto die Kirchbühlstrasse passierte. Und so hockte sich der Mann schnell wieder ans Steuer, um seinem Bruder die Glückwünsche zum 70. Geburtstag zu überbringen. Er wusste: Der Bartgeier würde ihm so schnell keine Ruhe lassen. Also konnte Hess es nach der Feier kaum erwarten, sich auf den Heimweg zu machen, um unterwegs erneut den lebendig anmutenden Schneerutsch bewundern zu können. Tatsächlich, er war noch da. Und selbst als Hess abends zu Hause in der Stube und am nächsten Morgen am Küchentisch sass, trugen ihn seine Gedanken immer wieder zurück zum Bartgeier, der wohl noch immer über der Neuschwändi kreiste. Hess musste ihn noch mal sehen. Und diesmal wollte er das Foto mit einer «richtigen» Kamera knipsen. Mit einer, die nur für das Fotografieren gemacht ist.

Doch als er den Gütsch erneut erblickte, sah er keinen Bartgeier mehr. Nun streckte ein Flugsaurier seinen Schnabel in die Höhe, erhaben und stolz. Hess fragte sich, ob er wohl der Einzige war, der das Rudiment am Hang erkannte. Eine gesunde Fantasie, die hat er bestimmt. Doch nur er allein, der das Tier am Hahnen sieht? Wohl kaum. Er konnte nur vermuten, denn der Austausch unter den Heimischen hält sich derzeit in Grenzen. So erfreute sich der Engelberger allein am kleinen Spiel der Natur, das Schnee zu Bartgeiern und diese in einen Saurier verwandeln konnte. Schliesslich sind es die kleinen Dinge im Leben, an denen man sich erfreuen soll. In diesen wie auch in anderen Zeiten. Und wer das Schöne sehen will, dem wird es sich auch zeigen.

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