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Luzern

Im Dagmerseller Gemeinderat gehen 47 Jahre Know-how verloren – Philipp Bucher und Urs Fellmann im Gespräch

Über Wachstum, Fusion, Krisen und Freundschaften: Gemeindepräsident Philipp Bucher und Bauvorsteher Urs Fellmann blicken auf ihre langjährige Tätigkeit im Gemeinderat zurück.
Bauvorsteher Urs Fellmann (links) und Gemeindepräsident Philipp Bucher vor der Gemeindeverwaltung Dagmersellen. (Bild: Nadia Schärli (Dagmersellen, 20. August 2020))
Urs Fellmann (CVP) und Philipp Bucher (FDP) sehen das Amt als Gemeinderat nach wie vor als Privileg an. (Bild: Nadia Schärli (Dagmersellen, 20. August 2020))

Roseline Troxler

Roseline Troxler

Mit Gemeindepräsident Philipp Bucher (FDP, 54), Bauvorsteher Urs Fellmann (CVP, 49) und Susanne Hodel-Schumacher (parteilos) treten gleich drei langjährige Gemeinderäte zurück. Sie engagierten sich insgesamt während 47 Jahren im Gemeinderat Dagmersellen. Philipp Bucher ist seit 16 Jahren im Gemeinderat – davon gut 12 Jahre als Gemeindepräsident. Urs Fellmann engagiert sich seit 20 Jahren im Gemeinderat. Vor der Vereinigung von Dagmersellen mit Uffikon und Buchs im Jahr 2016 war er in der Exekutive von Uffikon. Susanne Hodel-Schumacher steht seit 2010 dem Ressort Soziales vor.

Im Interview blicken der Gemeindepräsident und der Bauvorsteher gemeinsam auf ihre Tätigkeit in der Exekutive zurück.

Weshalb haben Sie entschieden, keine weitere Legislatur anzuhängen?Philipp Bucher: Ich bin keineswegs ausgebrannt. Ich misse keine Minute als Gemeinderat. Doch es ist Zeit für neue Köpfe.Urs Fellmann: Nun sollen andere Kräfte gestalten. Ich führe einen Landwirtschaftsbetrieb. Nach dem Wechsel vom Bildungs- ins Bauressort vor vier Jahren ist es für mich schwieriger, beiden Aufgaben gerecht zu werden. Denn es finden mehr Termine tagsüber statt. Doch bis zuletzt ist es für mich ein grosses Privileg, Gemeinderat zu sein.Bisher waren drei CVP-Politiker, ein FDP-Mann und eine Parteilose im Gemeinderat. Künftig hat die CVP mit vier Personen eine klare Mehrheit. Ist das Gremium nicht zu wenig durchmischt?Fellmann: Wegen der deutlichen Mehrheit der CVP wird die Bevölkerung sehr genau auf den Gemeinderat blicken. Dass ein Verhältnis von 4:1 nicht ideal ist, weiss auch die CVP. Wir haben immer betont, dass die SVP in den Rat gehört. Doch sie müssen fähige Leute aufbauen. Ohne Vertretung ist die SVP in der Rolle zu kritisieren und zu fordern.Bucher: Ich war der erste liberale Präsident in Dagmersellen. Wir hätten dieses Mandat gerne gehalten. Doch viel wichtiger ist es, fähige Leute im Gremium zu haben. Davon bin ich bei meinem Nachfolger Markus Riedweg (CVP) und Karin Wettstein (FDP) überzeugt. Fakt ist, die Parteifarbe ist für die Bürger viel wichtiger als für den Rat.Nach dem Blick in die Zukunft ein Blick zurück: Welches Geschäft bleibt Ihnen besonders in Erinnerung?Fellmann: Besonders stolz bin ich auf den Radweg, der Dagmersellen mit Uffikon und Buchs verbindet. Er wurde 2014 nach fast 20-jährigem Kampf eröffnet. Da es auf Kantonsebene nicht vorwärtsging, hat die Gemeinde das Projekt für 1,8 Millionen Franken schliesslich selber bezahlt.Bucher: Politisch war das ein ganz wichtiges Signal. Es zeigte, dass die drei Dörfer nach der Vereinigung wirklich zusammengehören. Die Entscheidung, das Projekt selber zu bezahlen, ist uns aber nicht leicht gefallen. Es ist nicht gut, wenn Gemeinden Aufgaben des Kantons übernehmen. Das kann sich nicht jede Gemeinde leisten. Urs Fellmann, Sie kamen nach der Fusion vom Gemeinderat Uffikon nach Dagmersellen. Wie erlebten Sie den Wechsel?Fellmann: Statt ein Dreier- war es nun ein Fünfer-Gremium. Die Gemeinde wuchs von 700 auf rund 5700 Einwohner. Kommt hinzu, dass Uffikon einen Gesamtaufwand von gerade mal drei Millionen Franken hatte, in Dagmersellen war ich nur schon im Bildungsdepartement für 10 Millionen Franken verantwortlich.Sind Dagmersellen, Uffikon und Buchs 14 Jahre nach der Fusion zusammengewachsen?Bucher: Wir haben viel investiert, dass wir auch «die Kleinen» einbeziehen konnten. Mit regelmässigen Orientierungsanlässen in Uffikon und Buchs ist uns das gelungen. Ich finde es zentral, dass die Schule in Buchs erhalten bleibt. Das ist wichtig für die Attraktivität eines Ortsteils.Fellmann: Der künftige Gemeinderat tut gut daran, den Zusammenhalt weiter zu fördern. Ich wünschte mir persönlich, dass sich die Uffiker und Buchser noch etwas mehr als Dagmerseller fühlen.Was hat sich in den letzten Jahren bei der Arbeit in der Exekutive verändert?Bucher: Die Bürger, also unsere Kunden, haben heute einen einfacheren Zugang zu Informationen. Sie sind daher kritischer. Es braucht mehr Zeit, Entscheide zu erklären. Doch ich erachte das immer als Chance.Fellmann: Die technologische Entwicklung hat die Arbeit vereinfacht. Bei meinem Amtsantritt gab es noch keine elektronischen Dokumente. Das gestaltete die Übergabe aufwendiger.Das Interesse an der Kommunalpolitik ist bei vielen Einwohnern gering. Wie ist das in Dagmersellen?Bucher: Es ist sehr unterschiedlich. Gewisse Themen wie die Deponie Hächlerenfeld bewegen die Bevölkerung. Das mobilisiert. Als die SVP die Gemeindeversammlung abschaffen wollte, waren wir klar dagegen. Wenn es nur Urnenabstimmungen gibt, hat man als Gemeinderat nicht die Möglichkeit, seine Entscheide zu erklären. Die Auswirkungen haben sich in Beromünster oder Sursee gezeigt, wo wichtige Geschäfte bachab geschickt wurden. Als Stimmbürger hat man nicht nur das Recht, zu wählen, sondern auch eine Pflicht, sich zu informieren.Was hat Sie als Gemeinderäte besonders gefordert?Bucher: Es braucht oft ein langer Schnauf, bis Projekte umgesetzt werden. Gerade Unternehmern musste ich wiederholt erklären, dass ich als Gemeindepräsident einen «Verwaltungsrat» von rund 3600 Stimmbürgern habe und nicht schnell mal eben entscheiden kann. Ausserdem stelle ich eine zunehmende Anspruchshaltung ans Staatswesen fest. Es wird zu wenig gefragt, ob zum Beispiel der Betrieb des Dorfladens wirklich Staatsaufgabe ist. Manchmal ist es wohl schwieriger, eine finanziell gut aufgestellte Gemeinde zu führen.Fellmann: Gefordert hat uns auch das starke Wachstum der Gemeinde von 4400 Einwohner auf 5700 innert 14 Jahren seit der Gemeindevereinigung. Die Infrastruktur musste stetig ausgebaut werden. Und der Verkehr nahm zu, was die Einwohner beschäftigt.2018 trat Luzia Kurmann nach nur zwei Jahren im Rat zurück. Sie kritisierte den Gemeinderat für seine Arbeit. Wie nahe gingen Ihnen die Vorwürfe persönlich?Bucher: Das hat mich belastet. Positiv war aber, dass sich die anderen vier Ratsmitglieder einig waren. Wir haben die Gesetze stets eingehalten. Doch es ist Aufgabe jeder Gemeinde, den Spielraum zu ihren Gunsten zu nutzen.Fellmann: In war nahe daran zurückzutreten, wollte die Kollegen aber nicht im Stich lassen.Als Gemeinderat steht man stets im Schaufenster.Fellmann: Dessen war ich mir von Anfang an bewusst. Ich bin in der Feuerwehr und in diversen Vereinen. Es gehört zum Job, dass man da auf die Arbeit im Gemeinderat angesprochen wird.Bucher: Das hat mich nie gestört. Schliesslich müssen wir die Bevölkerung spüren. Und es ist effizienter, wenn man auch mal im Feierabendbier einen Entscheid erklären kann.Was werden Sie vermissen?Fellmann: Die Möglichkeit, an der Zukunft mitzugestalten und die Arbeit in diversen Kommissionen. Dort sind viele gute Freundschaften entstanden.Bucher: Bei mir sind es die Themenvielfalt und die Zusammenarbeit sowohl im Rat als auch mit der Verwaltung.
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