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Kolumne

«Ich meinti»: Rösti ohne Salz

Primus Ettlin siniert in seiner Kolumne über Personenkult und Selbstdarsteller.

Primus Ettlin ist Kolumnist der Nidwaldner und Obwaldner Zeitung.
Bild: Bild: Florian Arnold

Vergangenes Wochenende ging das langersehnte Sportereignis des Jahres über die Bühne – Skisprung Weltcup in Engelberg. Draussen flogen die Athleten, drinnen im Festzelt die Kaffeebecher durch die Luft. Man munkelt, es soll sogar Leute geben, die nicht des Sportes wegen zur Gross-Titlis-Schanze pilgern, sondern um ihren Durst zu löschen. Wie auch immer: Friedliche Stimmung, prächtiges Wetter und Minustemperaturen, die vermutlich auch dem künftigen Umweltminister Albert Rösti im Publikum passten. Es war einmal mehr eine Freude.

Die Welt schaute an diesem Wochenende allerdings nicht nur nach Engelberg. In Katar wurde fast gleichzeitig der neue Fussballweltmeister gekürt. Ein Freudentag für alle Messi-Jünger. Auch wenn ich selbst nie richtig warm mit dem Allerbesten der Besten wurde, mag ich ihm diesen Erfolg dennoch gönnen. Was mich jedoch befremdet, ist dieser unglaubliche Personenkult rund um Lionel Messi und Diego Armando Maradona. Bei jedem Spiel sind Plakate der beiden mit Heiligenschein zu sehen und dies ganz unironisch. Sie sind anscheinend für gewisse Leute Heilige. Messi wird diese Heiligkeit kaum mehr verlieren, egal welche Schandtaten er in seinem Leben noch vollbringen würde – in Argentinien bleibt er jetzt endgültig der Messi-as. Wie ein Fussballer einen derart unvergleichbaren Heldenstatus erreichen kann, ist zumindest fragwürdig.

Warum dreht sich in einem Mannschaftssport wie dem Fussball so vieles um einzelne Personen? Genau da, wo das Kollektiv im Vordergrund stehen sollte, tummeln sich Selbstdarsteller am liebsten. Und das beschränkt sich nicht nur auf die Spieler. Was die Selbstinszenierung angeht, hat an diesem Abend in Doha kein Fussballer, sondern ein Koch den Falken abgeschossen: Nusret Gökçe, besser bekannt als «Salt Bae». Gökçe ist ein türkischer Gastronom, der mit Blattgold umhüllte Steaks serviert und dabei mit einer mittlerweile berühmten Geste Salz über die dekadente Speise rieseln lässt. Daraus entstand der Spitzname «Salt Bae». Bei den Feierlichkeiten der argentinischen Mannschaft posierte er mit allem und jedem, der bei drei nicht auf der Dattelpalme war. Ein peinliches Schauspiel, das sogar den Fussballern offensichtlich unangenehm war. Doch normalerweise lassen sich Fussballer gerne mit dem Koch ablichten. Wer ein wahrer Fussballstar sein will, muss sich ein von «Salt Bae» gewürztes 2000-Franken-Goldsteak leisten.

Ein weiteres Beispiel eines absurden Kults rund um eine Person. Was hatte dieser zwielichtige Salzstreuer auf dem Platz zu suchen? Man wird es wohl nie erfahren. Albert Rösti hingegen ist immerhin Bundesrat und es würde mich nicht verwundern, wenn ihm ohne gültiges Ticket der Zutritt zum Skispringen in Engelberg verwehrt geblieben wäre. Vielleicht sind wir Schweizerinnen und Schweizer zuweilen ein verklemmtes «Bünzlivolk» und ab und zu fehlt uns die Würze. Aber eben auch ein Volk, das die Bescheidenheit liebt und ohne absurde Personenkults auskommt. Das ist eine grosse Qualität. Ich werde wahrscheinlich sterben, ohne je ein Goldsteak verzehrt zu haben – macht nichts. Ich meinti eine gute Rösti schmeckt sowieso besser und das Salz von «Salt Bae» kann mir erst recht gestohlen bleiben.

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