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Zug

Hünenbergerin hilft beim Abschiednehmen

Simone Kuhn (48) bietet Trauerbegleitung an – ein Einblick in eine Welt, die vielen fremd ist und zuweilen Angst machen kann.
Begleitet Sterbende auf ihrem letzten Weg und unterstützt die Angehörigen mit viel Feingefühl und Empathie: Simone Kuhn. (Bild: Maria Schmid (Hünenberg: 4. Oktober 2018))

Ruedi Burkart

Über den Tod zu sprechen, ist in unserer modernen Gesellschaft immer noch grösstenteils ein Tabu. Wir sind lebenslustig, leistungsstark und fröhlich. Immer bereit, immer online, immer lässig. Aber trauern, wenn ein lieber Mensch nicht mehr da ist? Das bereitet vielen Zeitgenossen Mühe. «Es ist ein Fakt, dass Trauern in unserer Zeit schlicht kaum mehr Platz hat», sagt Simone Kuhn. Die vierfache Familienmutter aus Hünenberg bietet seit zwei Jahren mit ihrer «Himmelsbrugg» Begleitungen bei Abschied, Tod und Trauer an. «Die Kultur des Trauerns ist fast völlig aus unserem Leben verschwunden, ganz im Gegensatz zu früher.» Offen seine Trauer zu zeigen, traue man sich nicht mehr.

Zudem wenden sich immer mehr Menschen von den Landeskirchen ab und suchen keinen Trost mehr in Gotteshäusern. «Es sind neue Angebote gefragt, da unsere Seele trotzdem trauern will und muss. Trauern macht nicht krank, nicht trauern macht aber krank», sagt Simone Kuhn. Heute weiss man um die Bedeutung von seelischer und spiritueller Begleitung von Menschen am Lebensende oder von Angehörigen nach dem Tod eines nahestehenden Menschen», sagt Simone Kuhn.

Der Herbst – eine «intensive Zeit»

Die ehemalige Lehrerin an der Primarschule Baar bietet ebendiese Angebote. Sie begleitet Angehörige von sterbenskranken Personen, hilft und unterstützt beim Abschied von einer geliebten Person und unterstützt in der Phase des Neuanfangs. Kuhn: «Wer mit seiner Trauer allein gelassen wird, kann in Einsamkeit und Isolation geraten. Damit es nicht zu solchen Situationen kommt, biete ich meine Hilfe an.» Ob ein junges Ehepaar, das nach dem Tod des kleinen Kindes Trost und Unterstützung braucht, oder eine ältere Frau, deren Ehemann sterbenskrank ist und palliative Pflege bekommt – für alle hat Simone Kuhn ein offenes Herz.

Noch verwöhnt uns der Herbst mit schönem Wetter und milden Temperaturen. Doch die nasskalten Tage, an welchen man die Sonne nicht zu Gesicht bekommt, werden unzweifelhaft folgen. Steigt dann auch das Arbeitsvolumen von Simone Kuhn an, beispielsweise, weil mehr Leute Suizid begehen? «Der Herbst ist schon eine intensive Zeit. Aber nicht, weil besonders viele Menschen Suizid verüben.» Die Jahreszeit mit den meisten Selbstmorden sei der Frühling, sagt Kuhn. «Dann kommt wieder Leben in die Natur, man freut sich über die ersten warmen Tage. Das ist für Leute, denen es psychisch nicht gut geht, oftmals eine ganz schwierige Situation. Sie spüren das erwachende Leben und fühlen sich ganz anders.» Sie sollten jetzt eigentlich fröhlich sein, können es aber nicht.

Dass die Begleitung und Unterstützung von trauernden Menschen ihre Bestimmung ist, wusste die Hünenbergerin schon als Teenager. «Als ich 13 war, starb einer meiner Schulkollegen, als er unter einen Traktor geriet.» Die folgenden Tage und Wochen der Trauer mit der Familie des jungen Mannes prägten Simone Kuhn nachhaltig. «Schon damals wusste ich, dass ich meinen Lieblingsberuf gefunden hatte.» Indes, es sollte noch viele Jahre dauern, bis sie diesen dann tatsächlich auch ausübte.

Auftanken im Kreis der Familie

Simone Kuhn stammt ursprünglich aus der Ostschweiz, was ihr Dialekt sofort verrät. Seit rund 20 Jahren lebt sie in der Zentralschweiz, ist verheiratet und Mutter von vier Kindern. Die ausgebildete Primarlehrerin und Religionspädagogin weist eine 20-jährige Berufserfahrung im Begleiten von Menschen im pädagogischen Arbeitsumfeld auf. Unter anderem leitet sie seit Anfang dieses Jahres beim Schweizerischen Roten Kreuz in Luzern Kurse im Fachgebiet Palliative Care mit Schwerpunkt in seelischer und spiritueller Begleitung am Lebensende. Zudem wirkt sie seit 2015 als Begleiterin bei Hospiz Zug (siehe zu diesem Thema Veranstaltungshinweis im Kasten). «Diese ehrenamtliche Arbeit bedeutet mir sehr viel. Wir begleiten Menschen während der Nacht zu Hause, im Heim oder im Spital und entlasten so Angehörige oder Pflegefachkräfte.»

Wer quasi täglich mit dem Tod zu tun hat, braucht eine dicke Haut – so die landläufige Meinung. Wenn man Simone Kuhn kennen lernt, merkt man, dass dem wohl nicht so ist. Feinfühlig, offen und herzlich begleitet sie die ihr anvertrauten Menschen. Wie sehr nimmt Simone Kuhn ihre Arbeit mit? «Ich habe einen Weg gefunden, immer wieder zu mir zurückzufinden. Wenn ein Arbeitstag zu Ende ist, dann brauche ich eine halbe Stunde für mich, vielleicht auch eine ganze Stunde.» Ein Espresso, ein gutes Gespräch mit einer Freundin, ein Waldspaziergang mit ihrem Hund, dann kehrt sie zurück zu ihrer Familie – und tankt im Kreis ihrer Liebsten wieder auf. Für den nächsten Tag, für die nächsten Herausforderungen.

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