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Zug

Hingeschaut: Ein Zeichen des Dankes in dunklen Zeiten

Wie ein religiöses Band verbinden 14 Bildstöcke den Friedhof St.Michael mit der Kapelle St.Verena. Errichtet durch den Aloisius-Verein und heute betreut von der Katholischen Kirchgemeinde Stadt Zug, ist der bemerkenswerte Kreuzweg jetzt umfassend restauriert worden.
14 Stationen stehen am Rägetenweg zwischen Friedhof St. Michael und Kapelle St. Verena.  (Bild: Stefan Kaiser (9. Juli 2020))
(Bild: Andreas Faessler)
Die Holzreliefs sind rundum aufgearbeitet worden.  (Bild. Andreas Faessler)

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Andreas Faessler

Am 16. Juni 1944 – exakt zehn Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie – wandte sich Stadtpfarrer und Domherr Franz Xaver Schnyder (1894–1965) an den Aloisius-Verein der Stadt Zug (siehe Kontext). Der Geistliche stiess an, den Friedhof Zug und die St.-Verena-Kapelle mit einem Kreuzweg zu verbinden, dies als Zeichen von Bitte und Hoffnung wie auch Dankbarkeit, dass die Schweiz vom schrecklichen Krieg, von dem man nicht wusste, wie lange er noch dauert, bisher verschont geblieben ist.

Der Namensverein begrüsste diese Anregung und setzte die Idee Schnyders um. Planung und Ausführung der 14 Stationen aus Sandstein mit Holzreliefs am Rägetenweg verliefen recht flott und unkompliziert. Als der Krieg in Europa im Mai 1945 schliesslich vorbei war, erkor man den entstehenden Stationenweg explizit zum Symbol des Dankes. Genau zwei Jahre nach Domherr Schnyders Initiative, am 23. Juni 1946, wurde der neue Kreuzweg feierlich eingesegnet.

Weniger einfach allerdings gestaltete sich die Finanzierung: Mit einem Kostenaufwand von 800 Franken pro Station und einer schliesslich resultierenden Gesamtsumme von 11700 Franken war so ein Projekt aus Sicht der damaligen Zeit von einem einfachen Verein kein Leichtes zu stemmen.

Obschon grosszügige Spendengelder flossen, blieb der Verein über lange Zeit verschuldet. Die Einweihung des Stationenweges wurde trotz dieser Verschuldung über drei Tage hinweg gebührend mit Gottesdiensten und Familienzusammenkünften gefeiert. Die Last fiel schliesslich, als der Verein die mit dem Kreuzweg verbundenen Rechte und Pflichten an die Kirchengemeinde Zug übertragen konnte.

Maler und Maurer bringen die Stationen auf Vordermann

Wie es in der Natur der Sache liegt, hinterlassen Wind und Wetter an Objekten unter freiem Himmel mit der Zeit ihre Spuren. Eine erste Instandsetzung des Kreuzweges erfolgte 1979. Eine zweite, umfassende anlässlich des 50-jährigen Bestehens im Jahre 1996: Da wurden die Stationen von Bildhauer Andreas Walser und Restaurator Linus Brandenberg renoviert. Im Frühjahr 2004 fuhr ein unvorsichtiger Lastwagenlenker die 14. Station über den Haufen und beschädigte sie, sodass sie repariert werden musste.

Jetzt, über 20 Jahre später, war eine neuerliche Instandsetzung des gesamten Stationenweges angezeigt. Die für Pflege und Unterhalt verantwortlich zeichnende katholische Kirchgemeinde der Stadt Zug beauftragte im vergangenen Frühjahr den Zuger Maler Martin Christmann, dessen Vater vor Jahren bereits Arbeiten am Kreuzweg vorgenommen hatte, mit der Restaurierung der Holzreliefs und der Auffrischung der Vergitterungen. Einige Tafeln bedurften besonderer Zuwendung, waren gar vertikal gespalten. Vor allem jene auf freiem Feld, welche der Witterung voll ausgesetzt sind. Christmann hat die alte Farbe der Reliefs abgelaugt und das Material wo nötig neu aufgebaut.

Nun sind die kleinen Holzkunstwerke wieder auf Vordermann, frisch lackiert und eingesetzt. Sie alle sind mit einem schwarzen Schaumstoff hinterlegt, sodass keine Hohlräume mehr vorhanden sind, in denen Wespen nisten können. Das war bei einigen Stationen zu beobachten. Auch die Eisengitter scheinen dank frischer Patinierung wieder wie neu. Ein Maurer hat sich der Instandsetzung der Sandsteingehäuse angenommen. Sämtliche Stationen stehen neu in einem kleinen Bett aus Steinen, um Pflanzenwucherung am Sockel vorzubeugen.

So laden die jetzt fein aufgefrischten Bildstöcke am Rägetenweg seit bald acht Jahrzehnten als religiöses Band zwischen Friedhof und Verenakapelle und gleichsam schützenswertes kunsthistorisches Inventar zur stillen Einkehr – oder auch einfach zur künstlerisch motivierten Betrachtung. Schön an diesen Bildstöcken ist, dass sie in ihrer recht aufwendigen, historisierenden Gestaltung einen stilistischen Bezug zur Barockarchitektur der Kapelle schaffen und nicht wirklich den Eindruck erwecken, erst Mitte 20. Jahrhundert entstanden zu sein.

Die bis zu 190 Zentimeter hohen Stationen bestehen aus massivem Ägeri-Sandstein. Sie gliedern sich in Schaft und Bildtabernakel mit flachem Satteldach. Am Schaft sind jeweils ein gleichschenkliges Kreuz sowie die Stationsnummer in römischen Ziffern eingemeisselt.

Longinus anstelle von Maria und Johannes

Künstlerisch eine andere, zeittypischere Bildsprache findet sich bei den Holzreliefs. Sie sind das Werk des Zuger Bildhauers Johann Lichtenstern (1884–1968). Elisabeth Feiler, Kuratorin für mobiles Kunst- und Kulturgut der Kirchgemeinde Zug, erkennt in der Gestaltung der Reliefs eine gewisse Ähnlichkeit zur Formensprache des weit bekannteren Künstlers Fritz Kunz (1868–1947), der ab 1919 bis zu seinem Tod in Zug lebte und 1941 die 14 Kreuzwegstationen für die Gut Hirt Kirche gemalt hat.

«Ähnlich wie Fritz Kunz entschied sich Lichtenstern, in der Gestaltung der verschiedenen Stationen den Blick auf die Begegnung Jesu mit einer oder mehreren Personen zu lenken», erklärt Elisabeth Feiler. «Diese Personen, welche Jesus auf seinem Kreuzweg treffen, dienen dem Betrachter als Identifikationsfiguren, die helfen, das eigene Verhalten zu hinterfragen: Wo habe ich jemanden verurteilt, verspottet oder leiden lassen?» Gleichzeitig gehe man mit Jesus den Weg, leide mit ihm.

Elisabeth Feiler hebt eine kleine Besonderheit am Kreuzweg nach St.Verena hervor, sie findet sich an Station 12 – «Jesus stirbt am Kreuz». Hier werde das Sterben Jesu nicht – wie in den meisten Fällen – im Beisein von Maria und des Apostels Johannes gezeigt, erklärt die Kuratorin. «Man sieht den römischen Hauptmann Longinus, der nach Jesu Hinscheiden mit der Lanze in dessen Seite stach, um somit seinen Tod zu bezeugen.» Nach der Legende war es Longinus, welcher schliesslich das in Matthäus 27,54 zitierte Bekenntnis ablegte: «Dieser war in Wahrheit Gottes Sohn.»

Mit «Hingeschaut» gehen wir wöchentlich Fundstücken mit kulturellem Hintergrund und Zuger Bezug nach.

Am Dienstag, 1. September, am Gedenktag der Kirchenpatronin Verena, findet um 18.30 Uhr in der Kapelle ein Abendgebet statt. Anschliessend wird der neu renovierte Kreuzweg gesegnet. Elisabeth Feiler, Kuratorin für mobiles Kunst- und Kulturgut der Kirchgemeinde Zug, wird ein paar informative Worte zum Stationenweg sagen.

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