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Luzern

Hier rollt der Eisbär am Fritschi-Umzug

Ob Plastik im Meer oder aussterbende Eisbären: Der Klimawandel war am Luzerner Fritschi-Umzug ein grosses Thema – und das Wetter hätte passender nicht sein können. Es bescherte zudem einen Zuschauerrekord.
Eine wilde Nummer am Fritschi-Umzug. (Bild: Philipp Schmidli, Luzern 28. Februar 2019 in Luzern)

Roman Hodel

Dichtestress wie noch nie an einem Schmutzigen Donnerstag herrschte am Nachmittag entlang der Route des Luzerner Fritschi-Umzugs. Mehrreihig standen die Zuschauer zum Teil schon eine Stunde vor Beginn. 38 000 waren es am Ende gemäss Schätzung der Luzerner Polizei – das sind 13 000 mehr als im Vorjahr und ein neuer Rekord. Solche Zahlen ist man sich – egal wie das Wetter ist – eher vom Güdismontag gewohnt. Kein Wunder hörte man da und dort, wie sich die Leute fragten: «Kann man das noch toppen?» Jeder Wey-Zünftler würde dies selbstverständlich mit «Ja» beantworten. Aber, man muss es sagen, der erste Höhepunkt der Luzerner Fasnacht war schon ziemlich gut.

Das lag natürlich auch am Wetter. Sonne satt und 19 Grad Lufttemperatur sorgten beinahe für Zustände wie am Karneval in Rio oder – obacht, ein fast schon unerhörter Vergleich – an der Zürcher Street Parade. Aber es geht um den Textanschluss. Folgendes: Eine wilde Gruppe marschierte mit Cervelat-Grende durch die Strassen. Die Würste aus Pappmaché waren kreuzweise eingeschnitten, womit sie gemäss Betty Bossi als «Züri-Chräbse» gelten. Zürich-Allergikern sei gesagt: Es war am Umzug der einzige Berührungspunkt mit dieser Stadt da in nord-östlicher Richtung.

Denn grosses Thema war viel mehr der Klimawandel – und daran sind wir ja alle mitschuldig, nicht nur die Zürcher (womit der Übergang wieder geschafft wäre). Man sah also beispielsweise die Gruppe Schenkastico mit wilden, eisbärartigen und somit vom Aussterben bedrohten Tieren. Oder da waren die Rotseemöven Littau, die sich als Klimamutanten ausgaben. Und schliesslich Krampus Lozärn. Sie nahmen sich dem Plastikproblem im Meer an und mahnten die Zuschauer:

«Wir Menschen müssen umdenken, um den Plastikkonsum drastisch zu senken.»

Überhaupt gab man sich thematisch international. Die Guuggenmusig Noggeler etwa huldigte den Japanern. Das ist keine schlechte Idee, konnte man doch gerade diese Woche lesen, dass die Anzahl Touristen von eben dort bei uns zurückgegangen ist. Die Fasnachtsmusig Noteheuer Lozärn wiederum ortete eine Russen-Invasion. Demnach wollen sie uns Vodka und Kaviar schmackhaft machen, «debi hemmer doch lieber Häxetee statt Huerenaffe». Die Guuggenmusig Chottlebotzer hingegen hatte es mit den Iren; respektive dem Halloween-Brauch, der seinen Ursprung dort hat. Man trug Kürbis-Grende. Und: Dem Vernehmen nach sollen die Mitglieder an dieser Fasnacht auch mal zu einem Guiness-Bier greifen.

Quasi als Kontrapunkt erinnerten die Monster-Guugger Bueri an die vielen Bräuche in unserem Land. Und so schafften es Vogelgryff, Landsgmeind, Tschäggättä oder auch das Silvesterchlause auf deren Grende. Besonders neckisch: Auf einem Grend war die Hofkirche zu sehen. Wer den Umzug am Schweizerhofquai verfolgte und in Richtung Osten schaute, sah das Gotteshaus folglich doppelt.

Schweizer Bräuche nahmen auch andere Gruppen auf. Genau genommen das Schwing- und Älplerfest. Eben eben, das Eidgenössische findet dieses Jahr bekanntlich in Zug statt. Und Zug gehört ja zur Zentralschweiz und somit irgendwie auch ein bisschen zu Luzern. Mehrfach tauchten kleine Schwinger-Gruppen während des Fritschi-Umzugs auf. Eine davon führte gar einen Wagen mit, auf dem eine Miniatur-Schwingarena aufgebaut war.

Eine richtige Schwingarena gab’s aber ebenso – konkret auf dem Wagen der Zunft zu Safran. Dort hiess es:

«Vo wo hend die Schwinger nur so viel Chraft? Wahrschinlech ned nor vom tägliche Apfelsaft.»

Apropos Zunft zu Safran: Die Fritschi-Familie und der Fritschivater Reto Schriber genossen das herrliche Wetter an der Spitze des Umzugs. Ihnen folgten dicht die grossen Jubilare – insbesondere die Maskenliebhaber-Gesellschaft (MLG), die ihr 200-Jähriges feiert. Im Schlepptau hatte sie nicht nur einen riesigen rot-gelben Königsböögg, sondern auch eine imposante Entourage. Dazu zählte die Gruppe Nostradamus, die den Maskenbrunnen durch die Strassen fuhr. Na sie wissen schon, jenen, den die Stadt Luzern verschmäht hat.

Doch damit nicht genug mit Jubilaren: Viel Applaus gab es ausserdem für die Chatzemusig Lozärn. Die Chätzeler defilierten aus Anlass des 70-jährigen Bestehens als Königinnen der Katzen; die Nachtheueler Horw zum 60-Jährigen als Piraten, die Rüssgusler zum 50-Jährigen zusammen mit den Rätsch-Häxe unter dem Motto «Grüschted för d’Zuekonft» und die Rüsssuuger Ämme mit einer riesigen Bühne zu ihrem 30-Jährigen.

Dass nicht zwingend das eigene Jubiläum Anlass zu einem Sujet sein muss, sondern auch das von anderen, bewiesen die Rotsee-Husaren Ebikon. Zu lesen war:

«100 Johr Zirkus Knie sind mir am fiire – d’Clowns tüend bereits z’Lozärn gastiere.»

Hierfür intonierte die Guuggenmusig extra den Zirkus-Marsch «Einzug der Gladiatoren» und führte eine Manege mitsamt Affen und Schimmel mit sich.

Sowieso: Kein Umzug ohne Tiere. Am eindrücklichsten zeigte dies die Gruppe Conversio, die mit dino-ähnlichen Gestalten die Zuschauer begeisterte. Wobei: Letzteres geht sogar mit Gebäuden. Es braucht allerdings schon ein ganzes Schloss, um zu beeindrucken, wie jenes von der Gruppe Orbis Arbitrarius. Letztlich gilt an der Fasnacht ja vor allem eines – und der Satz war bei der Megger Gruppe Schnipp-Schnaps zu lesen: «Chly tschädere muess es.»

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