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Zug

Herzensbrecher und musikalischer Senkrechtstarter

Als «Heartbreakboy» nimmt Sean Lienhard aus Rotkreuz am grössten Musikwettbewerb des Landes teil. Der Rotkreuzer ist unter den zwölf Halbfinalisten für den «MyCokeMusic Soundcheck» und hofft auf viele Stimmen im Online-Voting.
In seinem Zimmer komponiert der Rotkreuzer Nachwuchsmusiker Sean Lienhard seine Songs. (Bild: Werner Schelbert (13. September 2018))

Laura Sibold

Es ist ein gewöhnlicher Donnerstagabend in einer Rotkreuzer Familiensiedlung. Während wohl die meisten Menschen im Kreise ihrer Familie zu Abend essen, zieht sich Sean Lienhard in sein Zimmer zurück. Dem Bett gegenüber steht ein Pult, darauf ein Computer, ein Mikrofon sowie ein kleines Keyboard, genannt Midi-Controller. An der Wand ein Bild von Michael Jackson, neben dem Bett ein Karton voller Coke-Dosen. Lienhard öffnet ein Musikbearbeitungsprogramm, richtet sein Mikrofon und spielt probeweise einige Beats auf dem Keyboard. Dann öffnet er sein Soundcloud-Profil und hört sich seinen letzten Song an, der am Vorabend im geräumigen Zimmer in Rotkreuz entstanden ist.

«So geht das jeden Abend. Ich komme von der Arbeit nach Hause, starte den PC auf und mache Musik», sagt Lienhard, der als Informatiker in Rotkreuz arbeitet. Der Hund, die zwei kleinen Schwestern und die Eltern hätten abends jeweils keinen Zutritt. Seit rund einem Jahr ist der 19-Jährige als «Heartbreakboy» aktiv, schreibt Songs und hat bereits einige Videos gedreht. Nun nimmt er am grössten Musikwettbewerb der Schweiz teil, dem «MyCokeMusic Soundcheck», wurde von der Jury aus über 200 Bewerbungen sogar unter die zwölf Halbfinalisten gewählt. Ein Freund erzählte ihm vom Wettbewerb, Lienhard meldete sich spasseshalber an, dann ging alles ganz schnell. «Ich sass eines Abends vor dem Mikro, als das Telefon klingelte und man mir mitteilte, dass ich im Halbfinale dabei sei. Unbeschreiblich cool!» Lienhard lächelt und spielt gedankenverloren an seinem Silberkettchen um den Hals. Man merkt dem gebürtigen Steinhauser die Freude und das Erstaunen über seinen raschen Erfolg an.

Über 200 begonnene Songs

Sean Lienhard ist ein klassischer Newcomer. Seit Jahren spielt er Gitarre, nimmt Gesangsunterricht und macht mit Freunden regelmässig Musik. Vor rund einem Jahr schrieb er seinen ersten Song, mittlerweile sind es über 200 teils fertige, teils angefangene Stücke. Lienhard macht primär hochdeutschen Hip-Hop, bezeichnet seine Musik als melancholischer Rap oder Emo-Rap. Es sind gefühlvoll gesungene Texte, hinterlegt mit modernen Beats, die er auf der Künstlerplattform Soundcloud sowie auf Spotify präsentiert. Kürzlich erschien seine EP «Sins & Smoke» mit fünf Titeln, auf die er mächtig stolz ist. Spricht man den 19-Jährigen auf seinen Künstlernamen «Heartbreakboy» an, wird er nachdenklich. Wie bei so manchem Künstler war Liebeskummer der Auslöser. «Vom Sinn her sollte ich eigentlich Heartbrokenboy heissen. Das klingt aber nicht so gut», erklärt Lienhard.

In einer Reihe mit «77 Bombay Street»

Inspirieren lässt sich der «Heartbreakboy» vom amerikanischen Rapper Lil Peep, vom deutschen Nachwuchstalent RIN, von Amy Winehouse und Michael Jackson. «Mehr als die Hälfte meiner Vorbilder ist schon tot», witzelt er. Nach seinen Konkurrenten gefragt, wird Sean Lienhard jedoch schnell wieder ernst. Die anderen Kandidaten seien sehr stark und hätten eine hohe Reichweite. Hat Lienhard rund 650 Follower auf Instagram, können viele der elf anderen Kandidaten doppelt so viele Abonnenten vorweisen. Und das ist entscheidend: Denn wer es beim «MyCokeMusic Soundcheck» unter die letzten Drei und somit ins Finale am 5. Oktober im Plaza Club in Zürich schafft, wird bis am 21. September per Online-Voting unter www.mycokemusic.ch entschieden. «Wer mehr Follower hat, hat mehr Leute im Rücken, die ihre Stimme abgeben», folgert Lienhard.

Dem Gewinner winkt ein Jahr lang professionelle Beratung durch die Konzertagentur Gadget im Wert von 50000 Franken. Unter den Gewinnern des Wettbewerbs, der seit 13 Jahren von Coca Cola Schweiz durchgeführt wird, finden sich klingende Namen wie «77 Bombay Street», «Neckless» oder «Pedestrians». Sich in diese illustre Gruppe einzureihen und auf der Bühne zu stehen, ist für den Rotkreuzer «Heartbreakboy» ein Traum – auch wenn er aufgrund der starken Konkurrenz nicht wirklich mit einer Finalteilnahme rechnet. Er habe so oder so schon viel erreicht, so Lienhard, lächelt und dreht am Schirm seines schwarzen Baseballcaps. «Ich wurde zu einem Workshop in Zürich eingeladen, durfte ein Musikvideo drehen, hatte ein Fotoshooting und lernte viele Leute aus der Musikbranche kennen. Ich habe eigentlich schon gewonnen.» Der 19-Jährige dreht sich zum Computer und beginnt, einen neuen Beat zu komponieren. Aber nur bis 22 Uhr, danach muss im Rotkreuzer Familienquartier Ruhe herrschen.

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