notifications
Luzern

«Güggeli-Peter», «Boxer Seppi», «Schieneblitz»: Ein Buch erinnert an die vielen Krienser Originale

Ein Tagelöhner, der Maienkäfer sammelte und sie silbrig bemalte; ein Musiker, der auf seiner Bassgeige ins Tal hinunter schlittelte – ein Buch erzählt spezielle Anekdoten von Krienser Originalen.
«Chäller Mundi» und «Landessender», 1959.                        Bilder Archiv Galli-Zunft, Archiv Güüggali-Zunft Luzern und diverse Privatarchive
«Boxer Seppi», Anfang 1930er Jahre.
«Güggeli-Peter» (kolorierte Postkarte).
Dami-Otti auf seinem BMW «LU 1569» um 1951.
«Schienblitz» mit der Schnabel-Schaufel.
«Schüpfer-Bäbi».
«Bassgiiger» (vordere Reihe, zweiter von links) im Jahr 1900 mit Obernauer Fasnächtlern.

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Hugo Bischof

Der Krienser Historiker Jürg Studer hat ein Buch über verstorbene Krienser Originale verfasst. Originale seien Persönlichkeiten, die «über ein stärkeres Selbstbewusstsein als gewöhnliche Menschen verfügen und über die Zivilcourage, Dinge zu tun, für die dem Normalbürger der Mut fehlt», schreibt der Autor im Vorwort. «Originale fallen durch ihre ehrliche und unbekümmerte Offenheit auf. Es kümmert sie wenig, was die Mitmenschen von ihnen denken, sie entwickeln sich als Komiker, Spassvögel oder Künstler, um damit Zuneigung, Anerkennung, Bewunderung und Applaus zu erhaschen.»

Dabei hatten es die Originale im Leben oft nicht einfach: «Nicht selten wuchsen sie in ärmlichen Verhältnissen auf, waren verwahrlost, mit einer Behinderung geboren oder Verdingkinder.» Dass sie ihren Trost oft im Alkohol fanden, blendet Studer nicht aus. 59 Originale und 26 weitere «eigenartige, dorfbekannte Krienserinnen und Krienser» stellt er vor. Er sprach mit Zeitzeugen und stützt sich auch auf mündliche Überlieferungen, die im Laufe der Zeit ausgeschmückt wurden und «keinen Anspruch auf Echtheit und Vollständigkeit erheben können». Entstanden sind wunderbare Kurzporträts, angereichert mit witzigen, aber auch traurigen Episoden und Anekdoten. Hier eine kleine Auswahl.

«Landessender»

«Landessender» Jost Haas (1917-1989) wurde wegen seiner Grösse «Doppelmeter» oder «Landessender» genannt. Er war Wirt im Restaurant Neuhof und selbst einem guten Glas Wein nie abgeneigt. Ein Gast soll ihn einmal gefragt haben: «Schneits bi Ihne obe scho?» Als die Zeitung «Blick» 1959 den grössten Schweizer suchte, wurde sie in Jost Haas fündig. Zusammen mit einem anderen Original, «Chäller Mundi», wurden sie in der ganzen Schweiz als der grösste und der kleinste Krienser bekannt. «Landessender» war auch ein begabter Schwinger und gewann mehrere Kränze, unter anderem am Rigi-Schwinget – obwohl seine Statur (hoch, aber dünn) ihn für diesen Sport nicht unbedingt prädestinierte.

«Chäller Mundi»

«Chäller Mundi» (Edmund Keller, 1887-1962), war sehr klein von Statur, dorfbekannt und beliebt. Eine Nachbarin beschrieb ihn als «gewitztes Männli», das man «nicht so leicht ‹verarschen› konnte». Mundi war Fabrikarbeiter und später Tagelöhner. Er hatte ein besonderes Hobby: Er sammelte Maienkäfer und konservierte sie bis Weihnachten. Für Neujahr spritzte er sie silbrig an, montierte sie auf Blätter und bot sie in Beizen zum Verkauf an.

«Boxer Seppi»

«Boxer Seppi» (Josef Zemp, 1908-1985) war Profiboxer und wurde Schweizermeister im Weltergewichts-Boxen. Die Krise der 1930er Jahre war für ihn Anlass, 1936 nach Spanien zu gehen und dort im Bürgerkrieg gegen die Franco-Truppen zu kämpfen. Seine Kindheit war getrübt durch ein schlimmes Erlebnis: Schon als Fünfjähriger musste er auf die Jagd gehen und dort den Hund ersetzen, schreibt Studer. «Sie haben ihn an den Beinen angebunden, dann musste er in eine Höhle oder ein Tierloch kriechen und bellen wie ein Hund. Dies blieb bis zum Lebensende ein Trauma für ihn.

«Chömifäger Gödu»

«Chömifäger Gödu» (Gottfried Baur, 1912-1996) war Kaminfeger und als Witzeerzähler an Krienser Stammtischen beliebt. Er arbeite in der «ruessischen» Botschaft, erzählte er oft in Anspielung auf seinen Beruf.

«Güggeli-Peter»

«Güggeli-Peter» (Peter Huber, 1843-1917) war ein meist mürrischer und misstrauischer Fantast, der kein richtiges Domizil hatte, bis er auf dem Bauernhof Langmatt ein Logis erhielt. Von dort pilgerte mit seinem Korb in die Stadt. Er beschäftigte sich mit dem Absatz von Hühnern von Haus zu Haus. Es hiess, er habe sich gelegentlich «auch scheinbar herrenlos herumirrender Hennen bereitwillig angenommen und ihnen preisgünstig zu einem anderen Kostort verholfen». Die Polizei habe ihm deshalb häufig genauer auf die Finger geschaut und sich dann seiner «väterlich angenommen». Auf die Frage, warum er stehle, habe er jeweils geantwortet: «Ich kann doch nichts dafür, wenn die ‹Chaibe› mir in den Korb fliegen.» Er war auch ein Muulörgeli-Virtuose und tanzte freundlich gesinnten Menschen in seinen schweren Schuhen einen polternden Tanz vor. Aufgrund von «Meinungsverschiedenheiten mit der Polizei über Schicklichkeitsnormen» erhielt er schliesslich einen Stadtverweis. «Güggeli-Peter» war so populär, dass er auf mindestens vier Postkarten abgebildet wurde. Bis heute ist er eine beliebte Figur für fasnächtliches Intrigieren.

«Dami-Otti»

«Dami-Otti» (Otto August Scherer, 1917-1989) war Hilfsarbeiter und später Automechaniker. Erschien er zu spät zur Arbeit, hatte er immer die gleiche Ausrede: «Em Bus esch de Bügel abegheit.» Er war ein begnadeter Unterhalter und Klavierspieler. An einem Unterhaltungsabend nahm er einmal das Klavier auseinander und verteilte die Tasten an die Zuhörer. Später stellte er sie zum Gaudi aller wieder zusammen und spielte weiter.

«Schieneblitz»

«Schieneblitz» (Fritz Knorpp, 1897-1977) war Schienenreiniger bei der Trambahn Luzern und befreite jahrzehntelang täglich bei jedem Wetter mit seiner Schnabel-Schaufel die Tramschienen von Kies und Sand. Als er im Kupferhammer einmal Schienen reinigte, kam Polizist Koller mit dem Velo dahergefahren und wollte einen Delinquenten abholen. Dieser rannte aus dem Haus und fuhr mit Kollers Fahrrad davon. Der Polizist kam fluchend zu «Schieneblitz»: «Du hättest den Verbrecher aufhalten sollen.» Seine Antwort: «Ich bi bim Tram agstellt, ned be de Polizei.»

«Schüpfer-Bäbi»

Eines der wenigen weiblichen Originale im Buch ist «Schüpfer-Bäbi» (Barbara Greter-Schüpfer, 1916-2006). Als Zeitungsverträgerin verteilte sie Zeitungen mit einer «Kinds-Scheese», später mit einem Moped.

«Paradiesvogel Rita»

Im gleichen Haus wie «Schüpfer-Bäbi» lebte «Paradiesvogel Rita» (Rita Nobel, 1946-2011). Die kleine Frau spazierte bunt wie ein Paradiesvogel, manchmal im Mini, durchs Dorf, kam aber immer gepflegt daher.

«Bassgiiger»

Eine herrliche Geschichte erzählte man sich von «Bassgiiger» (Franz Götti, 1838-1910). Beim Heimlaufen von Luzern nach Kriens soll er den Stachel seiner Bassgeige in die Tramschiene gesteckt und das Instrument so vor sich hingeschoben haben. Beim Eichhof blieb seine Bassgeige in einem Wasserablaufsloch stecken. Er selber geriet mit einem Knie ins Schallloch der Bassgeige. Erst seine zufällig vorbeigehenden Kumpel konnten ihn daraus wieder befreien. Ein anderes Mal im Winter, als er schon etwas getrunken hatte, legte er sich auf dem Heimweg von der Tscharnettmatte auf seine Bassgeige und nickte ein. Erst als er vor einer Holzbeige stoppte, wachte er auf und merkte, dass er auf seiner Bassgeige ins Tal geschlittelt war.

Jürg Studer: «Krienser Originale»; Brunner Verlag Kriens. Fr. 20.-. Ab 1. Dezember erhältlich in der Papeterie Kriens und an anderen Verkaufsstellen in Kriens. Freitag, 30. November, 18.30 Uhr, Vernissage im Gallusheim Kriens.

Kommentare (0)