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Luzern

Grossprojekt vollendet: Der Gletschergarten lädt zum Rundgang durch den Fels

Nach dreijähriger Bauzeit öffnet der Gletschergarten Luzern am Freitag um 13 Uhr die Felsenwelt für das Publikum. Die neue Attraktion bietet einen eindrücklichen Rundgang durch das Felsinnere.
Die Felsenwelt im Querschnitt. (Visualisierung:
Miller & Maranta)

Beatrice Vogel

Dunkelheit. Der mineralische Geruch von Stein. Nackte Felswände, kühl und rau. Das Plätschern von hereinrieselndem Regenwasser. Plötzlich erschallen Tierlaute, der Wind trägt Sand und Blätter mit sich. Ein Mammut schreitet gemächlich vorbei. Und da sind die Wellenrippen des Meeresbodens – nicht mehr im Sand, sondern im Sandstein der Felswände, über Jahrmillionen eingepresst und versteinert.

Wer die neue Felsenwelt im Gletschergarten Luzern betritt, taucht ein in eine andere Welt – ja, in eine andere Zeit. Die Felsen erzählen Erdgeschichte: Vom Urmeer in Luzern vor 20 Millionen Jahren, von den gewaltigen Kräften der sich bewegenden Erdplatten, die zur Alpenfaltung führten – und dazu, dass wir in der Felswelt von unten auf den nun schräg im Gestein stehenden Meeresboden blicken. Je tiefer man in den Fels eindringt, umso näher kommt man der Gegenwart und erreicht einen durch Regenwasser gespeisten See. Ein Strudel in dessen Mitte und eine Digitaluhr, auf die Tausendstelsekunde genau, symbolisieren den Lauf der Zeit.

Hängende Gärten von Luzern

Vom Felsensee geht es rund 30 Meter aufwärts, dem Licht entgegen. Der vertikale Schacht, durch den die Treppe führt, zeigt die Besonderheiten des Sandsteins im Tageslicht. Da der Fels hier der Witterung ausgesetzt ist, wird er bald von Vegetation überwachsen sein und dann seinem Namen gerecht werden: Gartenhof. «Ich bin überzeugt, dass wir hier schon bald die hängenden Gärten von Luzern haben werden», sagte Gletschergarten-Direktor Andreas Burri während des Medienrundgangs am Donnerstag. Schon jetzt schimmert der Fels grün und rostrot. Eindrücklich ist die Betonkonstruktion des Aufgangs, die den Winkel der Felsenbänder aufnimmt. Laut dem Architekten Quintus Miller handelte es sich beim Abfüllen der Betonschalungen um aufwendige Handarbeit. Darüber hinaus wurde wo möglich auf sichtbare Felssicherungen verzichtet, damit sich der Fels möglichst natürlich präsentiert.

Der Aufgang steht innerhalb der durch die Felsenwelt implizierten Zeitreise für die Zukunft. Auch der Abfall, den der Mensch auf der Erde hinterlässt, wird thematisiert. Besucher können hier zudem akustische Botschaften für die Zukunft hinterlassen. Beim Ausgang auf der neu erschlossenen Felsterrasse «Sommerau» öffnet sich schliesslich die Sicht auf die Alpen und die Stadt Luzern – ebenfalls Zeugen der alten und neuen Erdgeschichte. Lohnenswert ist dort der Blick durch das Fernglas «Pilatusblick»: Es zeigt die hiesige Landschaft über Jahrtausende im Zeitraffer.

Physisches Erlebnis für alle Sinne

Ausstellungsobjekte gibt es in der Felsenwelt keine. Ohnehin geht es hier nicht nur ums Anschauen, sondern vor allem auch ums Erleben und Erfühlen. Die Natur spricht für sich. Dafür haben Sprengmeister und Steinmetze in handwerklicher Präzisionsarbeit Wellenrippen und Gesteinsschichten freigelegt. Diese laden zum Anfassen geradezu ein. Geräusche und Lichtprojektionen urtümlicher Tiere und Vegetation, die auf die Bewegungen der Besucher reagierten, ergänzen das sinnliche Erlebnis. Das Eintauchen in diese andere Welt wird zudem nicht durch alltägliche Ablenkungen gestört: Im Innern des Felses gibt es keinen Handyempfang.

Es lohnt sich, den Felsenweg langsam abzuschreiten – nur so entfalten der imposante Fels, das allgegenwärtige Wasser, die Geräuschkulisse und die sich laufend verändernden Lichtspiele ihre volle Wirkung. Je nach Jahreszeit und Witterung wird sich die Felsenwelt anders präsentieren. Derzeit tropft und sprudelt das Regenwasser überall aus dem Gestein.

Verschmelzung von Natur und Architektur

Entworfen wurde die Felsenwelt vom Basler Architekturbüro Miller & Maranta. Inspiriert wurden die Architekten von der Idee einer Zeitmaschine, von Jule Vernes «Reise zum Mittelpunkt der Erde» sowie von der Verschmelzung von Natur und Architektur ähnlich der Felsenstadt Petra in Jordanien, wie Quintus Miller beim Medienrundgang sagte:

«Es geht uns um das Staunen über die Phänomene der Natur.»

Das aus dem Fels herausgeschlagene Gestein wurde übrigens wiederverwendet, wie Miller ausführte. Es findet sich unter anderem in der Betonkonstruktion der Felsenwelt sowie im neuen Sandstein-Pavillon. Ein Teil des Gesteins wurde zudem verkauft.

Museumsdirektor Andreas Burri und Stiftungsratspräsidentin Corinne Fischer zeigten sich stolz über die gelungene Attraktion, die sie nach zwölf Jahren Planung inklusive drei Jahren Bauzeit präsentieren können. «Der Gletschergarten hat sich neu erfunden», sagte Fischer – auch dank grosszügiger Spender. Das 20 Millionen Franken teure und umfassende Erneuerungsprojekt des bald 150 Jahre alten Museums wurde unter anderem durch die Stadt und den Kanton Luzern, die Albert Koechlin Stiftung sowie zahlreiche Spenden von Stiftungen und Privaten mitfinanziert.

Glücklich mit der Felsenwelt ist auch Franz Schenker, Stiftungsrat und Geologe. Von ihm stammte die Idee für die neue Attraktion. «Besonders schön ist für mich, dass wir hier – mitten in der Stadt – etwas zeigen können, das man sonst nur im Bergbau zu Gesicht bekommt: Die verrückten Phänomene des Gesteins.» Während der Bauarbeiten wurde in ihm auch der Entdeckergeist neu geweckt, wie Schenker sagte:

«Wir sind hier an Orte vorgestossen, an denen noch nie ein Mensch vor uns war.»

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