Gerichtsverhandlungen in der Aula des Kaufmännischen Berufszentrums Zug gab es bis anhin noch nie. Und solche, für die ab dem 24. März noch acht Prozesstage reserviert sind, schon gar nicht. Um den derzeit verlangten Abstand wahren zu können, machte dieser temporäre Umzug über die General-Guisan-Strasse deshalb Sinn. Die vier Beschuldigten (zwei Männer und zwei Frauen) brachten je einen Anwalt mit. Zusammen mit den Privatklägern, dem Staatsanwalt, dem dreiköpfigen Strafgericht mit einer Frauenmehrheit und weiteren Begleitern wäre es im ordentlichen Gerichtssaal auch ohne die Coronavirus-Massnahmen sehr eng geworden.
Speziell war neben dem Prozess-Drumherum auch die vom Staatsanwalt in der Anklageschrift genannte Schadenssumme von rund 55 Millionen Franken. Diesen Geldbetrag «erwirtschaftete» sich das Quartett gemäss der Staatsanwaltschaft in der Periode zwischen Mai 2012 und September 2015. Das Geschäftsmodell: Sie verkauften Ramschpapiere einer Zuger Pharmafirma, indem sie Anlegern vormachten, eine Investition in dieses Wertpapier sei ein gutes Geschäft. Den Gewinn machten allerdings die Händler, welche überhöhte Provisionen einstrichen. In der Anklageschrift zitiert die Staatsanwaltschaft die Hauptangeklagte: Die Ari AG (Name geändert) sei zu keinem Zeitpunkt zwischen der Gründung und dem Konkurs börsenfähig gewesen. Die heute 49-Jährige hatte in einem E-Mail geschrieben, dass die Ari AG «Lichtjahre» von einem Börsengang entfernt sei. Eine heute 61-jährige Frau scheint ihr bei ihren Manövern geholfen zu haben.
Einige Telefonverkäufer haben wirklich sehr viel Geld gemacht
Zum Geschäftsmodell gehörte dabei, dass die Aktien von Drittfirmen an den Mann gebracht wurden. Der Staatsanwalt bezeichnete diese als «Abschlussgehilfen». Sie gaukelten potenziellen Käufern ein solides Wertpapier vor, jedoch war dieses schlicht und einfach Schrott. Aus der Anklageschrift ersichtlich ist zudem, dass dieses Aktienverkaufen in hoher Kadenz durchaus rentabel sein konnte. Einer dieser unqualifizierten Verkäufer soll, so geht aus der Anklageschrift hervor, pro Monat zeitweise 50000 Franken verdient haben. Erfolglose Verkäufer hätten die Entscheidungsträger hingegen mit 1000 Franken abgestraft.
Am ersten Verhandlungstag ging es aber eigentlich primär um die Feststellung der Personalien und Fragen zur Person. Dabei blieben drei der vier Beschuldigten auf die Frage des Referenten, der das Verfahren leitet, mehr oder weniger stumm. Die 61-Jährige redete zwar, sagte aber nicht wirklich etwas Verwertbares. Derweil nahm das Verfahren unter der Regie der Verteidiger Fahrt auf. Einer monierte, dass die Verfahrensakten nicht digital verfügbar seien. Der Staatsanwalt entgegnete ihm, dass die Polizei mit dem Einscannen begonnen habe, es dann aber mangels Zeitfenster im Tagesgang bleiben liess. Ein weiterer Verteidiger hatte derweil festgestellt, «dass Akten unter den Tisch gefallen sind». Sein Kollege hatte derweil das Gefühl, dass der Staatsanwalt sich sehr früh Scheuklappen übergestreift habe. Zudem hätten die untersuchenden Stellen es verpasst, eine Expertise in Auftrag zu geben.
Die Beweisanträge der Verteidiger schmettert das Gericht ab
Nach einem längeren Gedankenaustausch des Gremiums schmetterte der Referent allerdings die Begehren, weitere Beweise zu erheben, ab. Das Beweisthema kam an der Verhandlung am Nachmittag neuerlich zur Sprache. Der Vertreter einer Partei versuchte dann den Zug des Staatsanwalts aus der Schiene zu werfen, indem er reklamierte, dass gewisse Akten aus dem Konkursverfahren doch auch Bestandteil in dieser Strafsache sein sollten. Im Weiteren verlangte er noch die Einvernahme einer zusätzlichen Person. Doch auch dieses Manöver hatte nicht die erhoffte Wirkung, weil die Gerichtsverhandlung vom Referenten früher als geplant bis am Mittwochmorgen vertagt wurde. So kann am Mittwoch das Plädoyer des Staatsanwalts in einem Guss genossen werden. Dieser Unterbruch kam demokratisch zustande, und der Staatsanwalt war flexibel.
Die Argumentationslinien des Staatsanwalts sind aufgrund der Anklageschrift bekannt. So schreibt er in diesem Papier unter anderem, wie die Beschuldigten ihre Kundschaft an der Nase herumgeführt hätten. Die Telefonverkäufer der beiden Firmen, welche den Vertrieb der Ramschaktien besorgten, hätten ihre Kundschaft getäuscht, indem «sie die Wertpapiere der Ari AG generell als hervorragend aufgestellte, effizient forschende, bei Impfstoffen sogar in Europa führende und grosse Fortschritte erzielende Gesellschaft anpriesen, deren Aktien ausserordentlich wertvoll und begehrt» seien. Es dürfte interessant sein, wie die Verteidiger Argumente präsentieren werden, welche diese Qualifikationen widerlegen können. Der Staatsanwalt will sein Plädoyer in vier Stunden hinter sich bringen. Seine geforderten Strafen für die vier Beschuldigten betragen zwischen drei und sieben Jahren. Die Verteidiger dürften ihre Bleistifte schon gespitzt haben.