notifications
Nidwalden

Gemeinsam einen wilden «Wald» pflanzen: In Stans erarbeiten Künstler mit Beeinträchtigten ein Kunstprojekt

In der Tagesstätte des Stanser Weidli wächst zurzeit ein wilder Wald. Ein Kulturprojekt, das bei allen Beteiligten ungeahnte Kräfte weckt.
Das Künstler-Duo Christine Bänninger und Peti Wiskemann realisiert –hier mit Nils Gasseling – das Kunstprojekt. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 11. März 2021))
Das Zürcher Künstler-Duo Peti Wiskemann und Christine Bänninger. (Bild: Romano Cuonz (Stans, 11. März 2021))
Markus Knupp, Geschäftsführer der Stiftung Weidli. (Bild: Urs Flüeler / Keystone (Stans, 11. März 2021))

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Romano Cuonz

Den Begriff «Inklusion» schreibt sich die Stanser Stiftung Weidli gross auf die Fahne. Klaus Keller, Leiter der Tagesstätte, erklärt das Fremdwort: «Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich zur Gesellschaft gehört, egal ob er oder sie eine Beeinträchtigung hat oder nicht.» Genau dieses Vorhaben möchte das Weidli nun mit einem von Klaus Keller initiierten Kulturprojekt noch besser unterstützen. Eben wird es im rollstuhlgängigen Verbindungsweg der Tagesstätte gestartet.

In der sogenannt blauen Etage steht ein langer Werktisch. Darauf breitet sich ein wahres Paradies für Menschen mit kreativen Ideen aus: Acryl-Farben in allen Tönen, Pinsel, Stempel, unbemalter Karton, farbige Streifen, Bostitch, Draht und viele andere nützliche Hilfsmittel. All das lädt zum künstlerischen Fabulieren ein. Bereitgestellt hat die Utensilien das Zürcher Künstlerduo Christine Bänninger und Peti Wiskemann. Dies sind zwei von insgesamt acht Kunstschaffenden, die 2019 aus einem zweistufigen Projektwettbewerb als Sieger hervorgingen. Christine Bänninger erläutert: «Unserem Kunstprojekt haben wir den Titel ‹Wilderwald› gegeben, und wir laden alle im Weidli Tätigen – die beeinträchtigten Klientinnen und Klienten genauso wie die Pflegefachleute – dazu ein, gemeinsam mit uns ein Kunstwerk wachsen zu lassen.»

In der Tat: Schon nach den ersten beiden Aktionswochen beginnt ein «Wilderwald», an allen Ecken und Enden zu spriessen. Einzelne ineinander verschlungene Äste greifen von Decken hinunter. An andern Orten wächst buntfarbig bekleckstes oder auch sorgsam bemaltes Buschwerk aus dem Boden. Der Künstler Peti Wiskemann verrät: «Das Material für die Installation, vor allem Altkarton, wird von Menschen mit Beeinträchtigung und Fachpersonen zuhause und im Weidli gesammelt.» Die Malereien und Zeichnungen auf Karton entstehen sehr spontan. Später werden dann aus einzelnen kleinen Bildern zwei bis drei Meter lange Streifenobjekte für die grosse Installation geschnitten und gepostitcht. So wächst ein wilder Wald über alle drei Stockwerke. Ja, er könnte sich durchaus auch noch auf andere Bereiche ausdehnen. «Unsere Installation ist von Menschen, Zeit und Raum geprägt», sagt die Künstlerin Christine Bänninger.

«Wir verflechten, verbinden und vernetzen damit durchs ganze Jahr individuelle, momentane Wahrnehmungen.»

So viel Eifer und Freude begegnet man selten

Und wie jetzt in der Tagesstätte der neue Wald zu wachsen beginnt, wachsen auch alle, die dort leben, in ihn hinein. Am eindrücklichsten wird einem dies vor Augen geführt, wenn man Künstlerinnen und Künstler mit Beeinträchtigungen bei der Arbeit zuschaut. Da sind Carina Pfyffer, eine junge Frau und Nils Gasseling, ein überaus vifer junger Mann. Beide hantieren mit Pinseln und Farben. Für die «echten» Künstler, die neben ihnen sitzen, haben sie ebenso wenig ein Auge wie für die Fotografen und Journalisten, die sich nun um sie herum positionieren. Die beiden arbeiten intensiv und mit grossem Eifer.

Farben scheinen ihnen Eindruck zu machen. Einmal dick und wuchtig, einmal zaghaft und beinahe zerbrechlich fein werden sie aufgetragen. Und manchmal, wenn die beiden Künstler wieder etwas kreiert haben, blicken sie auf. Dann sieht man in ihren Augen, wie sehr sie sich über so ein kleines, für sie ganz und gar nicht selbstverständliches Werk freuen. Gerade das nicht Perfekte macht die Seele sichtbar. Durch das Mitgestalten des «Wilderwald» werden alle Beteiligten zu Künstlerinnen und Künstlern. Teil eben eines stetig wachsenden und gedeihenden Kunstwerks auf Zeit. Ohne Wenn und Aber!

Ganz Nidwalden darf am Kunstwerk teilnehmen

Für Markus Knupp, den Geschäftsführer der Stiftung Weidli Stans, steht fest:

«Für uns immer von zentraler Bedeutung ist der Gedanke, unsere insgesamt 140 Erwachsenen Klientinnen und Klienten in die Gesellschaft einzubeziehen.»

Rund 130 Angestellte setzen dafür täglich ihr Wissen, ihre Empathie und ihre Fachkompetenz ein. Und genau dies tun sie jetzt auch, wenn es darum geht, ein Jahr lang künstlerisch tätig zu sein.

Aber damit nicht genug. Knupp verspricht: «Wenn immer es Corona erlaubt, sollen ab dem Sommer auch externe Gruppen, Nidwaldnerinnen und Nidwaldner, zu Anlässen und Workshops eingeladen werden.» Die Kunstinstallationen sollten zum Verweilen, Entdecken und Erleben einladen. «Wir hoffen, dass die Räume der Stiftung Weidli zu einem interessanten Treffpunkt für alle werden.» Etwa auch mit einer Musikimprovisation des Multiinstrumentalisten Gabriel Stampfli und mit einer Tanzperformance von Meret Schlegel. Am 4. Dezember ist eine grosse Finissage geplant.

Kommentare (0)