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Luzern

Luzerner Gemeindewahlen trotz Corona-Virus: Experte rät dem Kanton, «über die Bücher zu gehen»

Die Luzerner Regierung hält an der Durchführung der Gemeindewahlen vom 29. März statt. Beat Murer, der langjährige Leiter des Ressorts Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern, hat seine Bedenken.
Beat Murer (Bild: PD)

Julian Spörri

Die Gemeindewahlen vom 29. März sollen trotz der aktuellen Situation mit dem Corona-Virus stattfinden. Dies gab die Luzerner Regierung am Donnerstagabend bekannt. Beat Murer (71) hinterfragt diesen Entscheid in seiner Kolumne auf dem Portal lu-wahlen.ch. Er leitete während 17 Jahren bis zu seiner Pensionierung im Frühjahr 2011 das Ressort Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern. Die Luzerner Zeitung hat bei Beat Murer nachgefragt.

Welche Bedenken haben Sie angesichts der anstehenden Gemeindewahlen?In erster Linie denke ich an die Gesundheit der zahlreichen Auszählpersonen. Man muss sich vorstellen, dass an einem Wahlwochenende viele Leute und Arbeitsgänge involviert sind. Die direkte Kommunikation ist sehr wichtig, weil man mit Menschen zusammenarbeitet, mit denen man nicht jeden Tag zu tun hat. Wegen des Corona-Virus sind die Voraussetzungen aber auch aus demokratischer Sicht ungünstig, weil die Politik selbst für interessierte Personen in den Hintergrund rückt.Sie sprechen die Wahlbeteiligung an. Die Luzerner Regierung argumentiert, dass der Prozess der Meinungsbildung schon weit fortgeschritten sei. Was sagen Sie dazu?Ob der Prozess möglicherweise schon weit fortgeschritten ist, sagt noch nichts darüber aus, ob dann schlussendlich auch gewählt wird. Aus Erfahrung weiss ich, dass etwa die Hälfte der brieflich Stimmenden ihre Wahlliste erst in der letzten Woche vor dem Wahltag abgeben. Wegen des Corona-Virus sind aber viele Leute absorbiert und haben andere Sorgen. Vom Wahlkampf spüre ich nur wenig. Entsprechend ist eine tiefe Wahlbeteiligung zu erwarten.Der nationale und kantonale Urnengang vom 17. Mai wurde verschoben. Im Normalfall wären zweite Wahlgänge ja mit diesem Termin zusammengelegt worden. Was hat das für Auswirkungen? Dass allfällige zweite Wahlgänge bis auf Weiteres verschoben sind, ist in der Tat ein Problem. Stellen wir uns vor, wenn in einer Exekutive nicht alle Sitze besetzt werden können: Als Konsequenz hätte man für eine unbestimmte Zeit eine Regierung aus Mitgliedern, von denen manche schon gewählt sind und andere noch nicht.Was raten Sie der Luzerner Regierung in der aktuellen Situation?Ich rate dem Kanton, nochmals über die Bücher zu gehen. Falls noch nicht geschehen, muss zusammen mit dem Bundesamt für Gesundheit und den Gemeinden beurteilt werden, ob aufgrund der gegenwärtigen scharfen Alters-, Abstands- und Hygienevorschriften die ordentlichen Ausführungsverfahren bei Wahlen noch praktikabel sind. Es gilt zu berücksichtigen, dass das BAG die Massnahmen möglicherweise noch verstärkt.Und heisst das konkret?Ich will keiner Behörde reinreden, aber aus meiner Sicht sollte man lieber früher als später reagieren. Je länger man mit einer Absage zuwartet, desto grösser könnten die Probleme werden. «Gouverner, c’est prévoir»!
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