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Luzern

Frauen in der Politik: Es ist (wieder) Zeit anzupacken

Frauen, die ein politisches Amt ausüben, sind eine klare Minderheit. Immer noch. Die Faktoren für die Absenz der Frauen in der Politik sind bekannt, ihnen entgegenzuwirken, leichter gesagt als getan. Möglich aber, dass diese Woche ein Grundstein dafür gelegt wurde.
Die 2.-Weltkrieg-Kunstfigur «Rosie, die Nieterin» ist ein bekanntes feministisches Symbol. In Luzern wirbt man mit ihr für mehr Frauen in der Politik. (Bild: Getty)

Ismail Osman

Beinahe dreieinhalb Jahre sind vergangen, seit mit Yvonne Schärli die einzige Frau aus der Luzerner Regierung ausschied. Die Tatsache, dass bei den Regierungsratswahlen vom kommenden März voraussichtlich nur die Grünen mit einer Frau antreten werden, hat eine breitere Diskussion über die Rolle der Frau in der politischen Landschaft – beziehungsweise deren gefühlt zunehmende Absenz darin – neu befeuert.

Um mehr Frauen für eine Kandidatur – auf kommunaler oder kantonaler Ebene – zu motivieren, haben sich 2016 Luzerner Politikerinnen jeglicher Couleur zum Netzwerk «Frauen Luzern – Politik» zusammengeschlossen. In seinem Engagement machte das Netzwerk diese Woche nun einen konkreten Schritt vorwärts und lud rund 60 interessierte Frauen zu Workshops ein. Politisch aktive Referentinnen behandelten dort diverse Aspekte und Herausforderungen, die man als Kandidatin um ein Amt zu erwarten hat.

Zwei Dinge, die an diesem Abend ­augenscheinlich wurden: Der schnelle Weg, eine bessere Repräsentation von Frauen zu erwirken, ist noch nicht gefunden. Das Potenzial für echte Veränderungen ist aber durchaus vorhanden.

Schwung aus den 90er-Jahren ist weg

Sinnigerweise war es alt Regierungsrätin Yvonne Schärli beschieden, das Einstiegsreferat zu halten. Schärli ist heute Präsidentin der Eidgenössischen Kommission für Frauen­fragen (EKF). In ihrem Referat verwies sie auf Befunde der EKF, die im Nachgang zu den kantonalen und nationalen Wahlen 2015 erhoben wurden. Diese zeigten, dass der Schwung in Sachen Gleichstellung und Parität in der Politik aus den 90er-Jahren – damals insbesondere durch die Nicht-Wahl von Christiane Brunner zur Bundesrätin im März 1993 ausgelöst – 2015 weg war. Die Zahl der Kandidatinnen auf nationaler und kantonaler Ebene stagnierte. «In der Politik besteht das Gefühl, dass ein Frauenanteil von rund 30 Prozent genüge», so Schärli. «Dagegen kämpfen wir an.»

Vor diesem Hintergrund lancierte vergangenen März die Kampagne «halbe-halbe». Die Geschlechterparität ist denn auch das erklärte Ziel der EFK. In diesem Sinne will man in den kommenden Wochen und Monaten die Spitzen der nationalen und kantonalen Parteien direkt angehen. «Die Parität muss das erklärte Ziel der Parteileitungen sein», stellt Schärli klar. «Es reicht aber nicht nur, einfach Frauen für Ämter anzufragen und bei Absagen die Schulter zu zucken und sagen ‹Es wollte halt keine.›» Notwendig seien unter anderem eine langfristig ausgelegte Aufbauarbeit oder gute Listenplätze für interessierte Frauen und Massnahmen, um Kandidatinnen innerhalb der Partei und in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen.

Kommt Veränderung von oben oder unten?

Dieser Ansatz, dass Veränderung bei den Parteispitzen kommen muss, ist zwar nachvollziehbar und notwendig, da er die Rahmenbedingungen zu verbessern sucht. Er stand aber in einem gewissen Kontrast zum Workshop-Abend, der Veränderung quasi von unten her suchte. Nicht bei den Parteispitze, sondern bei potenziellen künftigen Kandidatinnen. Solchen, die heute noch nicht einmal einer Partei beigetreten sind.

Von den eigentlichen Workshops waren die Medien zwar ausgeschlossen. Die präsentierten Fazite; im Anschluss lieferten hingegen einige Einblicke in die Fragen und Interessen der Teilnehmerinnen. «Ein grosses Thema war die Frage, inwiefern politische Vorkenntnisse notwendig sind», sagte Christine Kaufmann-Wolf (CVP-Kantonsrätin, Kriens). Ihre Botschaft an die Anwesenden: «Lasst euch davon nicht abhalten. Man, beziehungsweise Frau, wächst in das Amt hinein.» Kaufmann forderte die Anwesenden aber auch dazu auf, für konkrete Interessen einzustehen: «Habt den Mut, eine eigene politische Themenwahl zu treffen.» Letzteres vor allem in Hinblick auf die Tatsache, dass den Frauen nicht selten die sozialen oder bildungspolitischen Dossiers zufallen beziehungsweise zugeschoben werden. Auch für das Entgegentreten gegenüber klischierter Rollenbilder der Frau müsse man gerüstet sein, wie nicht zuletzt Yvonne Schärli aus persönlicher Erfahrung weiss: «In meiner Zeit in der Regierung wollte ich mich nicht als die sogenannte ‹Brückenbauerin› definieren – das war sowieso eher Toni Schwingruber als ich.»

Ein weiteres Thema, das auf reges Interesse stiess, betraf die Vereinbarkeit eines politischen Mandates mit Familie und Beruf. Claudia Bernasconi (CVP-Kantonsrätin und Gemeindepräsidentin Greppen) ermutigte dazu, diese Vereinbarkeit schlicht einzufordern: «Man muss aber auch den Mut haben, zu Hause einmal etwas liegen zu lassen.»

Eine Frage aus dem Publikum: «Wie steht es mit der Frauensolidarität? Wählen Frauen denn auch wirklich Frauen?», wurde Yvonne Schärli gefragt. «Die grossen Frauenthemen und gemeinsamen Ziele von früher – Stimmrecht oder Mutterschaftsversicherung – sind abgehandelt. Entsprechend besteht nicht mehr diese gebündelte Solidarität», entgegnete Schärli. «Analysen zeigen aber ganz deutlich: Kandidierende Frauen haben in der Regel sehr gute Wahlchancen.»

Rückblickend wies der Anlass den Hauch einer klassischen Grassroots-Kampagne – also einer politischen oder gesellschaftlichen Initiative, die aus der Basis der Bevölkerung entsteht – aus. Allerdings noch im Frühstadium. Dass man bereits bei den Kantonsratswahlen 2019 einen echten Unterschied bewirken kann, scheint heute noch eher unwahrscheinlich. Jedoch war es ein vielversprechender Anfang. «Wir wollen einen Stein ins Rollen bringen», sagt denn auch FDP-Kantonsrätin Rosy Schmid (Hildisrieden). «Diese Frauen sind unser Zielpublikum. Nun liegt es auch an uns, dranzubleiben und diese weiter auf ihrem Weg zu begleiten.»

Hinweis: Mehr Infos: www.frauen-luzern-politik.ch

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