Romano Cuonz
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«Dorothee Wyss ist eine von vielen Frauen in der Geschichte, bei der man unbedingt genauer hinschauen muss», sagt Carmen Kiser, Leiterin des Sachsler Museums Bruder Klaus. Über die neue, von ihr kuratierte Ausstellung setzt sie den Titel «Dorothee Wyss – Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Frau.» Lange genug habe man die Geschichte von Bruder Klaus als «lebendem Heiligen» geschrieben, ohne dabei die Frau an seiner Seite hervorzuheben. Dieses Versäumnis soll im Frauenjahr nachgeholt werden.
Kiser verspricht: «Mit der neuen Ausstellung nähern wir uns Dorothee Wyss, lernen sie als mutige, inspirierende Frau und Beschützerin des Heiligen kennen.» Anders gesagt: Die Ausstellung beleuchte das Leben im spätmittelalterlichen Obwalden, und dies vor allem aus der weiblichen Sicht der erfolgreichen Bäuerin Dorothee. «Als treue Gattin und Mutter, die zehn Kinder zu angesehenen Mitgliedern der Gesellschaft erzog, stand sie im Mittelpunkt der Familie.» Dabei habe Dorothee vorerst ein Leben gelebt, das eine Bäuerin damals leben musste. Geändert habe sich dies erst, als sie ihrem Ehemann das Einverständnis gab, sein Leben als Eremit in unmittelbarer Nähe des Hofes weiterzuführen. «Wie sie darauf Bruder Klaus unterstützte, seine Besucher betreute und gleichzeitig für das Wohlergehen der Grossfamilie sorgte, war schon aussergewöhnlich. Heute würde man ihr wohl den Titel ‹Managerin› geben.»
Wenig dokumentierte Frau wird sichtbar
Das Museum Bruder Klaus nimmt damit eine grosse Herausforderung an. Es zeichnet das Porträt einer spätmittelalterlichen Frau in Obwalden. Es macht eine Person, über die man – obwohl sie heute von vielen verehrt wird – wenig Konkretes weiss, sichtbar. Selbst auf Gemälden oder Stichen wurde Dorothee erst nach ihrem Tod festgehalten. Dargestellt ist meistens die klassische Abschiedsszene: Das Bild, wie sie von ihrem Mann mit den Kindern zurückgelassen wird.
Oft weint Dorothee dabei bitterlich. Carmen Kiser findet dies nicht sehr zutreffend für die starke Frau. Lieber weist sie auf das Ölbild eines unbekannten Künstlers aus dem frühen 18. Jahrhundert hin. Darauf sieht man Dorothee vor der Möslikapelle an der Seite von Bruder Klaus. Gleich gross wie er ist sie. Selbstbewusst und aufrecht steht sie neben ihm. «Dies entspricht eher ihrer Persönlichkeit», so Kiser. Dabei stützt sie sich auf historische Quellen, die der Bruder-Klaus-Forscher Roland Gröbli neu gesichtet und interpretiert hat.
Schlichte Form der Annäherung
Bei genauerer Betrachtung liessen sie überraschend viele direkte oder indirekte Aussagen über Dorothees Leben zu, sagt Kiser. Sie lässt ihr Publikum die gut 550 Jahre alten Texte, rezitiert von professionellen Sprechern, anhören – eine schlichte Form der Annäherung. Sie berührt einen und vermittelt ein recht gut gesichertes Bild. Dies tun auch Jahrhundert alte Objekte: unter anderen das wertvolle Jahrzeitbuch aus Engelberg mit der wahrscheinlich frühsten Erwähnung Dorothees. Wer es lieber konkreter hat, bekommt mit, wie heutige Interpreten Dorothee begegnen. Auf Monitoren sind Filmausschnitte der Kantate von Joel von Moos oder des Bruder-Klaus-Films von Luke Gasser zu sehen.
Carmen Kiser prägt ihre Ausstellungen mit persönlicher Handschrift. Gross und Klein – ganze Familien – lädt sie zum Mitdenken und Mitgestalten ein. Selbst zu heiklen Themen spielt die Kuratorin Besuchenden den Ball zu und lässt sie ihre Meinung kundtun. Indem man Kiesel in Gläser gibt, urteilt man, ob Dorothee selig oder gar heiliggesprochen werden soll. Oder, ob man darauf lieber verzichten sollte. Eine andere Frage, welche die Geister scheidet: «Finden Sie in Ordnung, dass Niklaus sich allein in den Ranft zurückzog? An Dorothees Stelle, hätten Sie ihn gehen lassen?» Kiser sagt: «Solche Umfragen sind nicht repräsentativ – aber spannend!» Über die ganze Ausstellung verstreut sie auch Aktionen für Kinder. In einem Raum dürfen sie Stofffetzen auswählen und gestalten. «Daraus soll eine warme Decke für Dorothee entstehen», erklärt Kiser.
Zeitgenössische Künstler begegnen Dorothee
Einmal mehr finden, im und vor dem Museum, auch Begegnungen mit zeitgenössischen Kunstschaffenden statt. Sehr intensiv engagiert sich die Obwaldner Video- und Performance-Künstlerin Nicole Buchmann. Sie umrundet mit Interventionen die ganze Ausstellung, legt gar eine sichtbare Spur vom Museum bis hin zu Rolf Brems Dorothee-Denkmal hinter der Sachsler Kirche. Ein Wiedersehen gibt es mit Dorothees eindrücklichem Kleid, das Monika Gasser aus Papier gefertigt und mit Liebesgedichten versehen hat. Erstmals zu sehen ist ein Bild aus Plexiglas von Charlie Lutz. Eine Malerei von Pater Eugen Bollin reduziert die besondere Frau treffend auf ihr Wesen. Interessant sind auch Moritz Hosslis Gedanken, die dieser in einer Videoarbeit zum Ausdruck bringt.
Hinweis: Die Ausstellung «Dorothee Wyss – Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Frau» ist bis zum 1. November im Museum Bruder Klaus in Sachseln zu sehen. www.museumbruderklaus.ch.