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Obwalden

Franz Marty sieht Obwaldner Finanzpaket als nötigen «Zwischenhalt»

Er ist einer der Architekten des Nationalen Finanzausgleichs (NFA) und hat als externer Experte bei der Erarbeitung des Obwaldner Finanzpakets mitgewirkt. Im Interview sagt der frühere Schwyzer Finanzdirektor, warum es den Befreiungsschlag braucht, und was Obwalden noch vom NFA zu erwarten hat.
Franz Marty sagt, ohne Steuererhöhung bliebe man «auf halbem Weg stecken». (Bild: Romano Cuonz)

Interview: Franziska Herger

Am 23. September stimmt Obwalden über seine finanzielle Zukunft ab. Im Rahmen der Finanzstrategie 2027+ will die Regierung den Staatshaushalt jährlich um 40 Millionen Franken entlasten. Dieses ehrgeizige Ziel soll mit einer Kombination aus Steuererhöhungen, Sparmassnahmen und einer Einmal-Abschreibung von Eigenkapital erreicht werden. Der richtige Weg für Obwalden? Wir fragen Franz Marty, ehemaliger langjähriger Schwyzer Finanzdirektor und Mitarchitekt des NFA, der bei der Erarbeitung der Finanzstrategie als externer Berater mitwirkte.

Franz Marty, was war Ihr Beitrag zum Obwaldner Finanzpaket? Meine Aufgabe war vor allem, die einzelnen Massnahmen zu beurteilen und mit ähnlichen Massnahmen in anderen Kantonen zu vergleichen. Zudem war ich Teil der Steuerungsgruppe, in der die Gemeinden, Fraktionen, Personalverbände und die Geschäfts- und Rechnungsprüfungskommission vertreten waren. Ich stand den Mitgliedern für Fragen zur Verfügung. Was wurden Sie oft gefragt?Die Steuerungsgruppe interessierte sich für die Situation in andern Kantonen – was hat man gemacht, was waren die Auswirkungen – und für die Zusammenhänge der Finanzstrategie mit dem Nationalen Finanzausgleich.Durch die Steuerstrategie hat sich der Kanton stark entwickelt. 2018 ist Obwalden erstmals Geberkanton im Nationalen Finanzausgleich (NFA). Wie erklären Sie dem Mann oder der Frau auf der Strasse, warum das für den Kanton gut sein soll? Dank der Steuerstrategie ist die Bevölkerung markant entlastet worden. Es konnte mehr gespart, mehr konsumiert und vor allem auch mehr investiert werden. Dank der Strategie ist Obwalden auch wirtschaftlich attraktiver geworden und hat zusätzliche Steuerkraft angezogen. Verdienst und Arbeitsplätze konnten gesichert und weiter gefördert werden. Der wirtschaftliche Nutzen der Steuerstrategie überwiegt bei weitem den Beitrag, den Obwalden neu in den NFA einzahlen muss.

«Wichtig scheint mir, dass nach so einer Steuersanierung Ruhe einkehrt und dass sich die Steuerzahler auf stabile Verhältnisse verlassen können.»

Wird das so bleiben, falls die Obwaldner NFA-Beiträge künftig steigen?Man kann das bei den anderen Geberkantonen wie Zug und Zürich gut ablesen: Sie weisen alle eine sehr hohe volkswirtschaftliche Entwicklung auf, trotz Beiträgen an den Finanzausgleich. Die Steuerstrategie dürfte Obwalden auch weiterhin erfolgreich machen. Doch nun ist der Kanton in finanzielle Schwierigkeiten gerutscht. Warum das? Für das absehbare Defizit von 40 Millionen gibt es zwei Hauptursachen, die sich in etwa die Waage halten: Einerseits sind in Obwalden – gleich wie in anderen Kantonen – in den letzten Jahren neue Ausgaben dazugekommen. Insbesondere steigen die Gesundheitskosten, Sozialkosten, Bildungsausgaben und die Kosten für den öffentlichen Verkehr. Anderseits sind die bisherigen NFA-Bezüge weggefallen – nur dieser Teil des Defizits hat mit der Steuerstrategie zu tun. Vielleicht habe man die Steuern damals zu stark gesenkt, hat Finanzdirektorin Maya Büchi kürzlich gesagt. Rächt sich heute ein zu forsches Vorgehen?Das ist schwierig zu beurteilen. Man hat die Steuern aufgrund der damaligen Finanzplanung gesenkt und auch den Effekt erzeugt, den man erreichen wollte: Die Attraktivität Obwaldens als Wohn- und Wirtschaftsstandort ist gestiegen. Bei den Kantonsfinanzen ist jeweils ein Zeitraum von vier bis fünf Jahren gut überblickbar. Dann braucht es eine Neubeurteilung, einen Zwischenhalt. Als solchen sehe ich die Finanzstrategie.Die Regierung war bei der aktuellen Vorlage darauf bedacht, die Steuern so wenig wie möglich zu erhöhen, um Vermögende nicht zu vertreiben. Bei einzelnen sehr guten Steuerzahlern hat man gar den Spielraum ausgelotet. Wie hoch ist die Gefahr, sie mit der geplanten Steuererhöhung zu vergraulen?Die vorgeschlagene Steuererhöhung ist massvoll. Ein Vergleich: Schwyz hat die Vermögenssteuer kräftiger angehoben als Obwalden und die höchsten Einkommen noch zusätzlich belastet. Drei bis vier Jahre später sieht man nun, dass keine vermögenden Steuerzahler weggezogen sind und das Steuersubstrat sogar zunimmt. Wichtig scheint mir, dass nach so einer Steuersanierung Ruhe einkehrt und dass sich die Steuerzahler auf stabile Verhältnisse verlassen können. Immer wiederkehrende Defizite würden einen schlechteren Eindruck und mehr Verunsicherung hinterlassen. Liegt die Regierung denn richtig in ihrer Hoffnung, dass Obwalden nach einem Ja zur Finanzstrategie 10 Jahre lang Ruhe vor weiteren Steuererhöhungen haben wird?So wie ich das Finanzpaket sehe, sorgt es auf absehbare Zeit für einen ausgeglichenen Kantonshaushalt. All das unter der Annahme, dass dem Kanton nicht plötzlich unerwartete Lasten aufgebürdet werden oder eine wirtschaftliche Krise auftritt. Die mittelfristige Finanzplanung ist aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung berechnet, wie Obwalden sie in den letzten Jahren hatte, enthält aber auch die erwähnten steigenden Kosten, beispielsweise im Gesundheitswesen. Die SVP wollte das Finanzpaket in einen Spar- und einen Steuern-Teil aufspalten und scheiterte im Kantonsrat. Ist eine Sanierung der Kantonsfinanzen überhaupt möglich, ohne die Steuern zu erhöhen?Nein. Wird auf die Steuererhöhung verzichtet, würde die Haushaltsanierung auf halbem Weg stecken bleiben. Die Folge könnten ständig wiederkehrende Defizite sein, was wie erwähnt das Vertrauen in die Attraktivität von Obwalden belasten würde. Ist es zutreffend, dass eine Steuererhöhung auch zu einem tieferen NFA-Beitrag führen würde? Im Kantonsrat wurde die Meinung laut, Obwalden schöpfe zu wenig Ressourcen ab und müsse daher einen höheren Beitrag leisten als eigentlich nötig.Das ist eine knifflige Frage. Richtig ist, dass Obwalden im nationalen Vergleich eine relativ tiefe Steuerausschöpfung von 17 Prozent hat, was auch Teil seiner Standortattraktivität ist. Aber: Diese tiefe Ausschöpfung hat keinen direkten Einfluss auf den NFA-Beitrag. Denn die Höhe des Beitrags hängt allein von der Steuerkraft ab, nicht von der Steuerbelastung. Und die wird gemessen am Ertrag der direkten Bundessteuer und nicht der kantonalen Steuern. Die Erhöhung der Kantonssteuern nimmt daher keinen Einfluss auf den NFA-Beitrag, das wäre ein Missverständnis. Der Kantonsrat hat sich im zweiten Anlauf für die Einmal-Abschreibung von Eigenkapital, verbunden mit einem ausserordentlichen Defizit fürs Jahr 2018 von 90 Millionen Franken, entschieden. Eine gute Idee?Das ist eine vertretbare Massnahme, um den Haushalt in den kommenden Jahren zu entlasten. Obwalden ist vom Nehmer- zum Geberkanton geworden und befindet sich dadurch in einer ausserordentlichen Situation. Ein Verzicht auf die Einmal-Abschreibung hätte wiederum dazu geführt, dass in den nächsten Jahren immer wieder Defizite verzeichnet worden wären. Das würde das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Standorts Obwalden nicht fördern. Der NFA-Beitrag hängt stark von anderen Kantonen ab und ist daher schwierig zu budgetieren. Auch soll der Nationale Finanzausgleich überarbeitet werden. Muss Obwalden in Zukunft mit Überraschungen rechnen?Falls der NFA ab dem Jahr 2020 anhand des Kompromissvorschlags der Kantone korrigiert wird, was sich abzeichnet, dann werden die Geberkantone tendenziell entlastet. Die Beiträge würden weniger stark wachsen, was für Obwalden von Vorteil wäre. Hand aufs Herz – würden Sie dem Volk empfehlen, die Vorlage anzunehmen?

Ich kann die Finanzstrategie nur aus fachlicher Sicht beurteilen. Sie ist sehr sorgfältig ausgearbeitet worden. Man hat in allen Winkeln nach möglichen Sparmassnahmen gesucht und will eine nachhaltige Wirkung erreichen. Ich glaube, es ist eine überzeugende Vorlage.

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