Livia Fischer
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Nach einem ersten Wortwechsel mit Franz Heer merkt man: Er ist ein ruhiger Typ, einfühlsam. Und heute auch fast ein bisschen traurig – nach 20 Jahren als Gemeindepräsident in seiner Heimatgemeinde Doppleschwand tritt er per 31. August zurück. Rückblick:
«Das waren die besten Jahre meines Lebens. Jetzt aufzuhören, tut schon sehr weh», sagt er wehmütig und fügt mit einem Schmunzeln hinzu: «Aber vor einer Woche hat es noch mehr wehgetan. Langsam kommt's.»
Wenn der 56-Jährige an die vergangenen zwei Jahrzehnte denkt, weiss er gar nicht so recht, wo er mit Erzählen beginnen soll. Es gäbe so viele gute Geschichten, meint er und nimmt uns mit auf einen kleinen Rundgang durch die Gemeinde. Erster Halt ist die Gemeindeverwaltung. Ein ganz besonderer Ort für Heer, denn da, wo heute das Sitzungszimmer ist, drückte Heer als kleiner Bub die Schulbank und starrte auf die Wandtafel – die Verwaltung ist vor vier Jahren ins alte Dorfschulhaus umgezogen.
Doppleschwand wehrte sich gegen Grossfusion
Heer steigt ins Auto und fährt zur zweiten Station: einer Wiese mit Ausblick auf die Gemeinden Entlebuch und Hasle. Aus den Lautsprechern des Autos ertönt Ländlermusik. Irgendwie passend zu der friedlichen Stimmung im Dorf. Am Ziel angekommen, schwärmt Heer, dass dieses Panorama «eben schon unglaublich schön» sei. Der Aufbau der UNESCO Biosphäre Entlebuch und die Gemeindefusion hat den CVPler vor allem zu seiner Anfangszeit im Gemeinderat stark beschäftigt. «Damals war der ganze Kanton im Umbruch», sagt er und spielt dabei auf die Gemeindereform 2000+ an. Deren Ziel war es unter anderem, die Anzahl der Luzerner Gemeinden zu halbieren und eine Mindestgrösse von 3000 Einwohnern zu erzielen.
«Im Rahmen dieser Reform haben wir 2005 dann ernsthaft über eine Grossfusion der Talschaft Entlebuch diskutiert», erzählt Heer. Nach etlichen Fachgruppen- und Kadersitzungen musste vor 13 Jahren eine endgültige Entscheidung her. Die hat der Doppleschwander Gemeinderat dann auch gefällt und sich dagegen ausgesprochen. Heers Begründung: «Wir als kleine Gemeinde hätten zu viel verloren. Ohne eigene Primarschule etwa gäbe es etliche Anlässe unserer Kinder nicht mehr, und das Kinderlachen im Dorf würde fehlen – Dinge, die in unserem kinderfreundlichen Dorf von grossem Wert sind.»
100 Einwohner mehr innert 18 Jahren
Vom damaligen Ziel der Gemeindereform ist Doppleschwand heute weit entfernt. «Im April haben wir den 800sten Einwohner gefeiert, eine junge Familie ist zugezogen», sagt Heer stolz, während er zum nächsten Standort fährt. Normalerweise würde der Gemeinderat in diesem Fall bei den Neuankömmlingen persönlich vorbeigehen, ein Geschenk überreichen, Danke sagen und einfach ein bisschen Zeit miteinander verbringen. Wegen Corona war dies heuer nicht möglich – eine Karte und ein Blumenstrauss schafften Abhilfe. An den Moment, als das Dorf die 700er-Grenze geknackt hat, mag sich Heer noch gut erinnern: «Das war vor 18 Jahren mit der Geburt eines kleinen Mädchens namens Michelle.» Diese Entwicklung bezeichnet der Vater dreier «Buebe» – der jüngste ist 23 Jahre alt, der älteste 30 – zwar als einen «Riesensprung» für die kleine Gemeinde, einen noch grösseren Zuwachs sieht er allerdings nicht.
Der nächste Stopp ist erreicht, von hier aus sieht man direkt auf den Dorfkern. «Hätte man vor 20 Jahren dasselbe Foto gemacht, wäre noch nicht viel drauf», sagt Heer. Während seiner Legislaturen hatte er oft mit Einzonungen und Bauverfahren zu tun. Neben Einfamilienhäusern wurde 2016 auch die neue Turnhalle erbaut. Ein Projekt, das sich die Gemeinde lange Zeit nicht leisten konnte – Finanzen waren immer ein heikles Thema. «Letztlich ist aber alles aufgegangen», resümiert Heer zufrieden.
Lieblingsort seit eh und je
Der letzte Halt ist das Bruneggchäppeli, im Volksmund Oberhüserechäppeli genannt. Mit Heers Amtsperiode hat das älteste Gebäude der Gemeinde zwar nichts zu tun, dafür mit seiner Liebe zum Dorf.
«Das hier ist mein absoluter Lieblingsplatz», verrät der ehemalige Schwinger und früherer technischer Leiter der Innerschweizer Jungschwinger, der Joel Wicki «als kleiner Knopf» trainiert hat. Schon als Kind war Heer oft hier gewesen und noch heute macht er gerne einen Spaziergang dahin. Vom Dorfkern bis zur Kapelle dauert der Fussmarsch etwa eine Stunde, schätzt er.
Bei kleinen Ausflügen wie diesem kann Heer entspannen. Etwa, was er in Zukunft vermehrt tun will. «Ich brauche mehr Zeit für mich», sagt er. Dass er zu viel auf seinen Schultern trägt, wurde ihm vor eineinhalb Jahren klar. Heer hat nämlich nicht nur einen Job, sondern gleich drei. «Seit zehn Jahren gehe ich in drei Gemeindehäusern ein und aus – als Gemeindepräsident in Doppleschwand, als Leiter Steueramt in Hasle und als Geschäftsführer der Luzerner Gemeindepersonalkasse in Wolhusen-Markt.»
Er will jungen Ideen eine Chance geben
Diese Vernetzungen ergäben «wunderbare Synergien», meint er. Und nicht zuletzt sei es von Vorteil gewesen, in Hasle selbst «nur» ein Verwaltungsangestellter zu sein – dies habe ihn als Gemeindepräsident in Doppleschwand mit dem Gemeinderat und den Angestellten noch nähergebracht. «Während all dieser Jahre sind wir so stark zusammengewachsen; das ist wie eine zweite Familie für mich.»
Ein Punkt, der das Aufhören nur noch schwerer macht. Trotzdem ist Heer überzeugt: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen. «Denn wenn man langsam auf die 60 zugeht, bringt man zwar viel Wissen und Erfahrung mit, doch die Gedanken sind nicht mehr immer so beweglich. Und eins wollte ich nie: junge Ideen bremsen.»