Im Vierwaldstättersee suchen Forscher seit einem Jahr Antworten auf Fragen rund um Tsunamis. Am 2-Millionen-Franken-Unterfangen, das zum grössten Teil vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) finanziert wird, sind Wissenschafter verschiedener Institutionen beteiligt, darunter auch die Universität Bern oder die ETH Zürich, wie es am Dienstag an einer Präsentation in Buochs geheissen hat. Das vierjährige interdisziplinäre Projekt soll im Kleinen Erkenntnisse liefern, die auch für Ozeane relevant sind.
Tsunamis entstehen in den Ozeanen etwa an Plattengrenzen, wenn sich diese verschieben und nach oben schnellen. Die darüberliegende Wassersäule hebt sich an und breitet sich in der Folge wellenförmig aus. Nicht die Höhe, sondern die Länge der Welle macht die Gefahr aus. In Seen sind es dagegen eher Schlammrutschungen, die ähnlich wie Schneebretter, spontan oder durch Erdbeben ausgelöst, sich unter Wasser bewegen und damit einen ähnlichen Effekt auslösen können. So seien bei einem Ereignis von 1601 im Vierwaldstättersee rund 50 Millionen Kubikmeter solcher Sedimente ausgelöst und verteilt worden. Für eine Flutwelle brauche es denn auch Massen im Millionenkubikbereich, hiess es.
Um mehr über vergangene Tsunamis und deren Wiederkehrrate in Schweizer Seen zu erfahren, entnehmen die Forscher Bohrkerne an drei Standorten rund um den Vierwaldstättersee. Die See-Sedimente werden seismisch und geotechnisch vermessen um herauszufinden, wie es um ihre Stabilität steht und wie sie auf Erdbewegungen reagieren. Dazu setzen die Forscher neun Ozean-Boden-Seismometer auf dem Seegrund ein. Sie wollen den Einfluss von Erdbeben auf die Hangstabilität entlang von Seeufern ermitteln. In der Schweiz sei diese Art der Untersuchung noch nie mit solch modernen Methoden vorgenommen worden, sagte Donat Fäh vom Schweizerischen Erdbebendienst (SED) der ETH Zürich.
Untersucht werden weiter die Unterwasserrutschungen in Deltas von Seen. Zur Erforschung von Entstehung, Ausbreitung und Modellierungen von Wellen in Seen werden einerseits Rutschungen in Wassertanks simuliert und anderseits Computermodelle erstellt. Auch der möglichen Gefährdung widmet sich ein Team. Ziel sei eine Art Mess-«Werkzeugkasten», den man für alle Schweizer Seen anwenden könne, um Risiken abzuschätzen. (sda/om)