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Uri

Ferrari-Lenker touchiert auf dem Klausenpass einen Töfffahrer – Anklage wegen Körperverletzung

Ein Glarner steht wegen fahrlässiger Körperverletzung und pflichtwidrigen Verhaltens nach einem Unfall vor Gericht. Zumindest einen der Punkte bestreitet er.
Ein Ferrari 360 Spider mit Baujahr um die Jahrtausendwende. (Bild: Carlos Osorio/AP/Keystone (Detroit, 9. Januar 2001))

Lucien Rahm

Der Mann steuert sein 300 PS starkes Cabrio an diesem Sonntagnachmittag im Frühherbst mit offenem Dach über den Klausenpass. Vor dem Ferrari 360 Spider mit Glarner Nummernschild fährt ein Motorrad, ebenfalls aus dem Kanton Glarus stammend. Zwischen Unterschächen und der Bushaltestelle Urigen empfindet der Ferrari-Fahrer das Tempo des Töffs offenbar als zu gemächlich. Er setzt zum Überholmanöver an – demoliert dabei gemäss Anklageschrift den Seitenspiegel des Töffs und touchiert das Knie des Zweiradlenkers. «Komplexe Risse am inneren Meniskus-Hinterhorn» seien die Folge davon, was beim Töfffahrer mehrere Operationen notwendig gemacht habe.

Dafür und für den Vorwurf, er habe sich von der Unfallstelle entfernt, ohne sich um den Verletzten zu kümmern, erlässt die Urner Staatsanwältin Nora Greter dem 44-jährigen Familienvater eine Busse von 2300 Franken sowie eine bedingte Geldstrafe von 8000 Franken. Doch der Glarner akzeptiert den Strafbefehl nicht und legt Berufung ein.

«Wäre der Erste gewesen, der angehalten hätte.»

Am Dienstag fand er sich daher vor dem Urner Landgericht ein, um seine Sicht der Dinge zu schildern – in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft, die dazu nicht verpflichtet war. Gemäss seinen Aussagen habe sich die Fahrt, die heute knapp zwei Jahre zurückliegt, wesentlich anders abgespielt, als sie der Töfffahrer schildert. «Mir ist nicht bewusst, wie das passieren konnte», sagte der Beschuldigte in freundlichem doch energischem Ton gegenüber Gerichtspräsident Philipp Arnold. «Dass ich ein Überholmanöver vollzogen habe, stimmt. Aber mir ist dabei nichts Aussergewöhnliches aufgefallen.» Denn als er den Töff überholt gehabt habe und er ihn im Rückspiegel sichtete, habe sich dieser in keiner Weise auffällig verhalten. «Wenn mir etwas aufgefallen wäre, wäre ich der Erste gewesen, der angehalten hätte.»

Erst durch den Besuch zweier Polizisten, die ihn am Tag darauf zu Hause aufsuchten und den Ferrari zur Spurensicherung unter die Lupe nahmen, habe er überhaupt erfahren, dass sein Sportwagen mit etwas zusammengestossen sein muss. «Ich habe dann auch die Spuren am Auto gesehen. Aber ich möchte nochmals ganz klar festhalten, dass ich während der Fahrt nichts bemerkt habe», so der Beschuldigte.

Offenes Dach führte zu grösserem Lärm

Richter Arnold wollte in Erfahrung bringen, inwiefern der Mann in seinem Wagen eine Kollision überhaupt mitbekommen konnte, da er sich angesichts des heruntergelassenen Fahrzeugdachs einem erhöhten Motorenlärm ausgesetzt sah. Sein Modell sei etwas älter, gab der Glarner an, der sich damit einen «Bubentraum» erfüllt habe. «Wenn man beschleunigt, dann wird es schon etwas lauter», sagte er.

Da der Töfffahrer aber auch keinerlei Signale von sich gegeben habe, dass etwas nicht stimme, habe er nicht entsprechend reagieren können. Auch, als sie sich später in einer stehenden Kolonne wieder begegneten, habe dieser ihm gegenüber nicht angedeutet, dass etwas nicht in Ordnung sei. Dass er sich pflichtwidrig vom Unfall entfernt habe, könne man ihm daher nicht vorwerfen.

Demgegenüber behaupte der Töfffahrer, den Ferrari-Lenker später in der Kolonne angesprochen zu haben, wie der Verteidiger des Sportwagenbesitzers ausführte. Sein Mandant hätte keinen Grund gehabt, zu flüchten. «Sein Kontrollschild hätte sich der Töfffahrer ja bis dann längst notieren können.»

Abnützungserscheinungen am Knie «schon zuvor»

Der Verteidiger verwies auf einen Arztbericht, der die Verletzungen am linken Knie des Motorradlenkers festhält. Diese seien gut verheilt. «Und schon zuvor haben sich dort Abnützungserscheinungen gezeigt.» Es bestünden ernsthafte Zweifel, dass die Darstellung des Töfffahrers stimme, so der Verteidiger weiter:

«Er hat eine Story aufgebaut, die einfach nicht stimmen kann.»

Zu diesem Schluss kommt der Anwalt unter anderem deshalb, weil der Töfflenker in den Befragungen angegeben habe, in einer Kurve angefahren worden zu sein. Auf Grund des Neigungswinkels, den das Motorrad dabei hätte aufweisen müssen, könne dies allerdings gar nicht zutreffen. Daher sei sein Mandant von allen Vorwürfen freizusprechen.

Der Anwalt des Töfffahrers, der ohne seinen Mandanten erschienen war, bestritt die Ausführungen der Gegenseite. «Es schleckt keine Geiss weg, dass sich die Fahrzeuge berührt haben.» Ob in einer Kurve oder nicht, spiele letztlich keine Rolle. «Wer jemanden überholt, muss Vorsicht walten lassen.» Seinem Mandanten würden wohl noch weitere Operationen bevorstehen.

Das Gericht wird das Urteil in den kommenden Tagen schriftlich eröffnen.

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