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Uri

Felice Zenoni zeigt einen Dok-Film über die Zürcher Jugendunruhen

Der Urner Regisseur lässt dabei den einstigen Polizeispitzel Willy Schaffner zu Wort kommen. Es gibt aber noch andere Urner Bezüge.
Das Schweizer Fernsehen zeigt den Film «Der Spitzel und die Chaoten» von Felice Zenoni. «Züri brännt»: Der Opernhauskrawall am 30. Mai 1980 löste die Zürcher Jugendbewegung aus. (Filmstill: SRF-Archiv / PD)
Das Schweizer Fernsehen zeigt den Dok-Film «Der Spitzel und die Chaoten» von Felice Zenoni. Filmautor Felice Zenoni im Gespräch mit dem ehemaligen Polizeispitzel Willy Schaffner. (Bild: Mesch & Ugge AG / PD)
Das Schweizer Fernsehen zeigt den Dok-Film «Der Spitzel und die Chaoten» von Felice Zenoni. Dreharbeiten in der Göscheneralp. Von links: Willy Schaffner, ehemaliger Polizeispitzel, Frank Messmer (Kamera), Iris Rüfenacht (Produzentin Mesch & Ugge AG). (Bild: Mesch & Ugge AG / PD)

Markus Zwyssig

Markus Zwyssig

Markus Zwyssig

Die Zürcher Jugendunruhen haben wir Urner damals nur am Rande miterlebt. Der Zufall wollte es, dass auch ich an jenem 30. Mai 1980 in Zürich war. Bob Marley gab sein einziges Konzert, dass er je in der Schweiz spielte, im Zürcher Hallenstadion. Auf der Heimfahrt nach dem denkwürdigen Abend musste das Tram umgeleitet werden, denn beim Opernhaus gab es kein Durchkommen. Die Jugendunruhen hatten gerade eben begonnen.

Der Urner Filmemacher Felice Zenoni hat die Zürcher Jugendunruhen aus einer ähnlichen Perspektive via TV und Zeitungen erlebt. «Wir haben das wohl mitbekommen, fühlten uns aber nicht so gross betroffen», sagt der 56-Jährige. Trotzdem hat er nun mit «Der Spitzel und die Chaoten» jene bewegte Zeit in einem Dok-Film festgehalten.

Und darum ging es bei den Zürcher Jugendunruhen: Nachdem der Zürcher Stadtrat 60 Millionen für das Opernhaus bewilligte hatte, hoffte Zürichs Jugend, jetzt würde auch der Startschuss für den Bau eines alternativen Jugendzentrums folgen. Doch der Stadtrat dachte nicht daran. Mit dem Opernhauskrawall nehmen in der Stadt Zürich die Jugendunruhen von 1980 ihren Anfang. Auf eine von Zerstörungswut geprägte Protestnacht, am Eröffnungstag der Juni-Festwochen, folgte ein langer, heisser Sommer.

Urner Spitzel hatte drei Anfragen, sagte aber Zenoni zu

Gereizt hat Zenoni am Thema insbesondere, dass in dieser aufreibenden Zeit ein Urner eine wichtige, aber auch aussergewöhnliche Rolle spielte. Der Filmemacher setzte sich daher mit dem einstigen Polizeispitzel Willy Schaffner in Verbindung und schrieb ihm einen Brief. Der heute 70-Jährige ist in Uri aufgewachsen und wurde als verdeckter Ermittler in die Zürcher Jugendszene eingeschleust. Bei einem Treffen mit Zenoni in Altdorf betonte Schaffner, dass er bereits drei Anfragen für Filmprojekte erhalten habe. Das Projekt von Zenoni sagte Schaffner aber offensichtlich zu. Denn nach ein wenig Bedenkzeit war er bereit, mitzumachen.

Mit Fredy Meier, der damals als «Herr Müller» für einen Skandal im Fernsehen sorgte, war eine zweite Hauptfigur gefunden. Als Vertreter der Jugendbewegung eingeladen, gab er sich vor vierzig Jahren im Fernsehen zusammen mit einer Partnerin als rechtsbürgerlichen «Musterbürger» aus. So forderten die beiden mehr Tränengas und grössere Gummigeschosse. In Zenonis Film spricht Fredy Meier auch über seine Zeit im Gefängnis, als direkte Folge seines Engagements in der Bewegung.

Eine weitere wichtige Protagonistin in Zenonis Dok-Film ist Barbara Ellmerer. Die Bernerin ist heute als Malerin und Zeichnerin tätig und war damals in der Jugendszene sehr aktiv. Zenoni war eine Protagonistin im Dok-Film wichtig. «Die Frauen mussten sich damals ihren Platz in der männerdominierten Gesellschaft erst noch erkämpfen», gibt er zu bedenken. Ellmerer engagiert sich als Feministin. Die Künstlerin ist in der Frauen- und Kulturgruppe aktiv, wo sie sich vor allem für Veränderungen in der Politik einsetzt.

Grosszügige Unterstützung von Uri, kein Geld von Zürich

Über zwei Jahre lang hat Felice Zenoni gemeinsam mit dem kleinen Team der Produktionsfirma Mesch & Ugge AG am Dokumentarfilm gearbeitet. «Der Kanton Uri hat uns extrem gut unterstützt, ebenso Innerschweizer Stiftungen», sagt der Urner Filmemacher erfreut. Sehr enttäuscht war er hingegen vom Bundesamt für Kultur sowie von der Stadt Zürich. «Das war ein Schock für mich», so Zenoni. Die Jugendunruhen seien eines der wichtigsten Kapitel der Stadt gewesen. «Vor verschlossenen Türen zu stehen, das war für mich unverständlich.»

Gedreht wurde trotzdem. Das Projekt musste jedoch abgespeckt, der Aufwand minimiert werden. Er lässt durchblicken, dass er gerne mehr vor allem in die Archivaufnahmen investiert hätte. «Ich hoffe, wir konnten trotzdem das Optimum herausholen und man sieht es dem Film nicht an, dass wir uns nach der Decke strecken mussten.»

Der rund 150 000 Franken teure Dok-Film, der in enger Zusammenarbeit mit SRF entstanden ist, hat einen unkonventionellen Teil und führt als Roadmovie in den Kanton Uri nach Gurtnellen, zum Wohnort von Willy Schaffner. Dazu brauchte es einen Mercedes aus der damaligen Zeit. Der Flüeler Garagist Patrik Monn schaffte es, ein solches Auto aufzutreiben und flottzumachen. Die Wahl der Automarke erfolgte aus einem besonderen Grund: Mercedes-Sterne wurden damals, als Statussymbol der verhassten reichen Leute, der «Bonzen», in der Jugendbewegung zuhauf abgebrochen und gesammelt.

Zenoni will mit seinem Dok-Film das historische Ereignis nicht nur aus der nostalgischen Perspektive betrachten. «Mir war wichtig, im Film zu zeigen, wie die Protagonisten heute über die damalige Zeit denken», sagt Zenoni. Für Willy Schaffner, der erst nach seiner Pensionierung an der Öffentlichkeit trat, ist klar: «Wir müssen aus der Geschichte unsere Lehren ziehen, wie man es nicht machen sollte.»

Weil Regisseur Felice Zenoni aus Altdorf stammt und Uri das Projekt grosszügig unterstützte, wäre geplant gewesen, den Film als Vorpremiere im Cinema Leuzinger in Altdorf zu zeigen. Die SRG Sektion Uri hatte bereits alles vorbereitet für die Vorpremiere. Doch die Coronakrise machte dem Ansinnen nun einen Strich durch die Rechnung.

Hinweis: Der Dok-Film «Der Spitzel und die Chaoten» ist am Donnerstag, 16. April, um 20.05 Uhr auf SRF 1 zu sehen.

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