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Fall Walker: Jetzt liegt der Ball bei der Politik

Aus- und Nebenwirkungen des Bundesgerichtsurteils im Fall Walker
Bruno Arnold, Redaktionsleiter der Urner Zeitung

Bruno Arnold, Redaktionsleiter

Das Bundesgericht in Lausanne hat die Beschwerde von Ignaz Walker gegen das inzwischen dritte Urteil des Obergerichts des Kantons Uri abgewiesen. Damit ist der ehemalige Erstfelder Cabaret-Betreiber des versuchten Mordes an seiner Frau schuldig. Es bleibt bei der am 22. Januar 2018 verhängten Freiheitsstrafe von zehn Jahren für den 50-Jährigen. Rund viereinhalb Jahre hat Walker bereits in Untersuchungs- und Sicherheitshaft verbracht. Verhält er sich tadellos und besteht keine akute Gefahr, dass er wieder straffällig wird, dürfte er in gut zwei Jahren wieder auf freien Fuss kommen.

Mit dem am 7. Dezember publizierten finalen Urteil des Bundesgerichts findet das Hin und Her zwischen dem Obergericht des Kantons Uri und dem Bundesgericht ein Ende. Damit ist Schluss mit einem juristischen Hickhack, wie es die Schweiz zuvor noch selten gesehen hat. Die Bandbreite der Urteilssprüche zu den Schüssen auf Walkers Frau war riesig: von Freispruch bis 15 Jahre Haft. Am 6. Dezember hat Walker den Rest seiner nun 10-jährigen Haftstrafe angetreten.

Der Zickzack-Kurs des Obergerichts des Kantons Uri hat dem Vertrauen in die Urner Rechtsprechung geschadet. Und nicht nur das. Die Lausanner Richter haben die gefällten Urteile gleich zweimal an das Obergericht Uri zurückgewiesen. Im Dezember 2014 machte das Bundesgericht strafprozessuale Versäumnisse dafür verantwortlich. Nach dem Freispruch vom April 2016 erhielten die Urner Richter ein geradezu vernichtendes Urteil für ihre Arbeit: Die Würdigung der Beweise sei «ungenügend, in verschiedener Hinsicht nicht nachvollziehbar oder gar offensichtlich unhaltbar». Das Obergericht habe «in willkürlicher Weise» Belastendes systematisch ausgeblendet, hiess es unter anderem. Diese harsche Kritik der Bundesrichter liess verständlicherweise auch Zweifel an der fachlichen Kompetenz – vor allem der Profis im Richterteam – aufkommen. Denn gerade von ihnen, und nicht von den Laienrichtern, erwartet man als Kernkompetenz das nötige juristische Verständnis und Detail­wissen. Dieses angeschlagene Image aufzupolieren und die Glaubwürdigkeit wieder zu stärken, das muss unter anderem eines der Ziele jener Richter sein, die wir Urner am 10. Februar 2019 an der Urne wählen werden.

Für die Gerichte ist der Fall an sich abgeschlossen. Jetzt muss die Aufarbeitung auf politischer und verwaltungsinterner Ebene folgen. Bis heute haben sich Regierung und Landrat im Fall Walker vor allem in Zurückhaltung geübt – meistens mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren und auf die unantastbare Trennung der Gewalten. «Sobald ein rechtskräftiges Urteil vorliegt, wird der Regierungsrat beurteilen, ob allenfalls administrative oder organisatorische Schlüsse zu ziehen sind», versprach er im April 2016. Jetzt gilt es, den Tatbeweis zu erbringen.

Die Gefahr ist gross, jetzt die ganze Angelegenheit ad acta zu legen und dies damit zu begründen, dass aufgrund des jüngsten Urteils aus Lausanne alles klar sei und kein Handlungsbedarf mehr bestehe. Dies trifft aber ganz und gar nicht zu. Denn: Verschiedene Fragen zu möglichen Ungereimtheiten im Rahmen der Untersuchungen im Strafverfahren Walker sind nach wie vor ungeklärt. Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Audit zu Ausstands- und Befangenheitsfragen innerhalb der Polizei und zu möglichen diesbezüglichen Fehlentscheiden von damaligen (und heutigen) Kaderleuten wurde im September 2015 sistiert – bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen Urteils. Fragen haben sich auch zum Verhältnis zwischen dem mit dem Audit beauftragten Experten und dem im Fall Walker in die Kritik geratenen damaligen Urner Polizeikommandanten ergeben. Auch war von erpresserischen Machenschaften der Urner Strafvollzugsbehörden im Umgang mit Sasa Sindelic die Rede: Der serbisch-kroatische Doppelbürger ist vom Landgericht Uri für die Schüsse auf Walkers Frau verurteilt worden und hat das Strafmass akzeptiert.

Aktiv werden muss aber nicht nur die Regierung – etwa mit einer Weiterführung des sistierten Audits, sondern auch die Staatspolitische Kommission des Urner Landrats. Denn eine ihrer Aufgaben ist es, im Rahmen ihrer Oberaufsicht die Geschäftsführung des Regierungsrats und der Kantonsverwaltung zu überwachen. Und schliesslich – und keinesfalls zuletzt – muss es im ureigensten Interesse der Polizeiverantwortlichen liegen, alle Zweifel an der Integrität ihrer Mitarbeiter auszuräumen sowie (nötigenfalls) Massnahmen zur Wiederherstellung respektive Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Polizei zu ergreifen.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, den Fall Walker abseits der Gerichte aufzuarbeiten. Versprochen worden sind die Beantwortung offener Fragen, die Klärung möglicher Ungereimtheiten bei der Arbeit der Polizei und der Untersuchungsbehörden, aber auch die Prüfung staatspolitisch relevanter Vorwürfe wie Befangenheit und Nichtbeachten der Ausstandspflicht. Wer diese Versprechen nicht hält, der schadet seiner Glaubwürdigkeit – nicht mehr und nicht weniger als dies Richter mit einem Zickzack-Kurs tun. Regierung und Landrat müssen nun beweisen, dass sie tatsächlich Interesse haben an Transparenz und Wahrheitsfindung, dass sie bestrebt sind, aus der Wahrheit die richtigen Konsequenzen für die Zukunft zu ziehen. Sollten sie dies nicht tun, wäre dies als Geständnis zu würdigen, dass ihre Versprechen reine Hinhaltetaktik respektive Alibiübungen waren. Doch damit würden sie ihre Glaubwürdigkeit oder Integrität aufs Spiel setzen. Denn genau das schadet Richtern, Politikern und auch Staatsangestellten am meisten.

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