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Fahrtraining in Uri: Wenn Frauen freiwillig ins Schleudern geraten

Am Sonntag war das Eventcenter in Seelisberg ganz in Frauenhand. Angeleitet von einer Profi-Rennfahrerin festigte unsere Redaktorin zusammen mit 32 Mitfahrerinnen ihr Können am Steuer – und ist jetzt auch für brenzlige Situationen gewappnet.
UZ-Redaktorin Carmen Epp am Schleudern auf der nassen Gleitfläche. (Bild: Philipp Schmidli/Freelancer, (Seelisberg, 17. Juni 2018))

Wenns ums Autofahren geht, bin ich relativ unerschrocken. Die meisten privaten Fahrstunden habe ich in einem Auto absolviert, das älter war als ich mit meinen damals 23 Jahren. Da mein Freund nach mir die Führerscheinprüfung machte, war ich lange Zeit diejenige, die den Transporter zum Zügeln, den Kleinwagen im irischen Linksverkehr und das Wohnmobil im hohen Norden lenken musste. Und schliesslich sass ich in Island mehrere Wochen hinter dem Steuer eines wuchtigen Dodge Ram, den ich erfolgreich über Glatteis und drei Mal gar – gewollt! – durch strömende Gletscherflüsse manövrierte.

Als die Medieneinladung zum Ladys Day im Eventcenter Seelisberg kam, war deshalb klar: Da will ich hin! Nicht, weil ich als einzige Frau auf der Redaktion überhaupt in Frage kam. Sondern weil ich mich in meinem Autofahrerinnenstolz angesprochen fühlte – und es der Männerwelt und nicht zuletzt auch mir beweisen wollte. «Grosse Klappe, nichts dahinter» war ja schliesslich ein Sprichwort, das eher über das männliche Geschlecht gesagt wird. Es war an der Zeit, Taten folgen zu lassen. Und dafür gibt es gemäss Einladung am «Ladys Day» Gelegenheit genug: An diesem Tag gehört das Eventcenter Seelisberg ganz den «Frauen mit Drive», auf die gemäss Flyer «ein Tag voll Power, Action und jeder Menge Spass» wartete.

33 unterschiedliche Frauen ganz unter sich

Als es am Sonntagmorgen so weit ist und ich im Eventcenter in Seelisberg eintreffe, ist meine Klappe auf einmal doch nicht mehr so gross wie noch an der Redaktionssitzung. Dieser riesige Platz mit der weissen Fläche am Boden und in der Kurve im Gelände, die Ampeln und Anzeigetafeln und die Banden erst – das alles scheint mir auf einmal bedrohlich. Was, wenn ich als Frau doch nicht so mutig bin hinter dem Steuer im Vergleich zu den anderen Teilnehmerinnen des Fahrtrainings? Hatte ich den Mund vielleicht doch zu voll genommen?

Je mehr Teilnehmerinnen nach und nach im Eventcenter eintrudeln, desto mehr verfliegt meine Angst. «Habt ihr so was schon mal gemacht?», fragt mein Vis-à-vis am Tisch mit Kaffee und Gipfeli. Ich erzähle von meinem Winterfahrtraining in Ambri, ernte staunende Gesichter. Die zwei Frauen an meinem Tisch entpuppen sich als Fahrtraining-Anfängerinnen und – zu meiner grossen Freude – als ganz normale Frauen im besten Alter, wohnhaft im Kanton Zürich. Ihre Männer seien autovernarrt, erzählen sie. «Jetzt sind wir mal dran.»

Damit entsprechen die beiden genau der Zielgruppe, die Rosy Lüber im Auge hatte, als sie den Event ins Leben rief. Die ehemalige Winterthurer «Miss Oktoberfest» fährt selbst gerne schnelle Autos und reist für diverse Fahrtrainings und Rennen ins Ausland. Viele Frauen hätten grosses Interesse an solchen Anlässen, so Lüber. «Der weite Weg bis nach Österreich, Frankreich oder Deutschland ist aber für viele ein Hindernis.» Ausserdem würden sich Frauen schnell durch Mitfahrer verunsichern lassen. Nach dem Motto «Selbst ist die Frau» nahm die 35-jährige Zürcher Oberländerin die Sache selber in die Hand und organisierte zusammen mit der Autogarage Hutter Dynamics Winterthur das schweizweit erste Fahrtraining nur für Frauen. Mit Erfolg: Eine bunt gemischte Gruppe aus 33 Frauen der ganzen Deutschschweiz erscheint zum «Ladys Day» in Seelisberg: von der erfahrenen LKW-Chauffeurin über die neugierige junge Gelegenheitsfahrerin bis hin zur erfolgreichen Geschäftsfrau und Mutter in den Fünfzigern.

«Team Orange» wird auf einmal ganz still

In vier Gruppen eingeteilt geht es zu den Posten. Auf «meine» Gruppe wartet zunächst das sogenannte «Lead & Follow»: Mit aktuellen BMW-Modellen geht es auf eine Spritzfahrt von Seelisberg nach Buochs, Stans Oberdorf und wieder zurück. Beim Wechsel vom einen Modell ins andere können wir uns so schon mal ein wenig warmlaufen – zwar noch nicht auf unbekanntem Terrain, sondern mit unbekannten Autos.

Zurück in Seelisberg sind die anderen Gruppen noch immer auf der Fahranlage des Eventcenters zugange, womit uns Rückkehrerinnen allmählich dämmert, was uns als Nächstes erwarten wird: eine Rutschpartie auf den klitschnassen Gleitflächen und Schleuderplatten der Anlage. Bange Blicke kreuzen sich. Das siebenköpfige «Team Orange», das zuvor noch ganz mutig auf die Pedale gedrückt hatte und die Motoren aufheulen liess, wird auf einmal ganz still.

Zunächst wartet aber die vermeintlich harmlosere der Übungen auf dem Rutsch- und Schleudergelände auf uns. Noch dazu mit der wahrscheinlich passendsten Instruktorin: Cyndie Allemann. Die Schweizer Super-GT-Fahrerin aus dem Jura und Moderatorin der Motorsportsendung «Grip» gibt uns Frauen ihre Erfahrungen im Rennsport weiter, sorgt für die optimale Sitzposition in unseren Autos und lotst uns via Funk durch den Slalom. Zuerst gemächlich, dann nach weiteren Tipps und Tricks der Expertin immer mutiger fahren wir um die Pylonen in der Kurve. «Traut euch, lotet die Grenzen eures Autos aus», schallt es mit sympathischem französischen Akzent aus dem Funkgerät ins Innere jedes Autos. «Gas! Gas! Gas! Ich will die Reifen quietschen hören!» Gesagt, getan – und mit jeder Runde werden wir schneller, mutiger. Ganz zur Freude von Allemann. «Der Motorsport ist leider ein Machosport», sagt sie. «Obwohl viele Frauen genau so das Zeug zum Erfolg hätten.»

Beim nächsten Posten geht es weniger um Schnelligkeit, sondern um Sicherheit. Unter der Leitung von Erwin Vonwil, Instruktor im Eventcenter Seelisberg, üben wir Vollbremsungen bei 30 und 60 km/h und frischen unser Wissen rund um Reaktions- und Bremswege auf. Am Schluss geht’s auf den Teil des Geländes, der mir zu Beginn des Tages den Angstschweiss auf die Stirn trieb: die grosse Gleitfläche mit Schleuderplatte. Hier üben wir, wie wir das Auto wieder unter Kontrolle bringen, wenn das Heck ausbricht. Trotz anfänglicher Skepsis überwiegt nicht etwa die Panik im Auto, sondern der Spass und der Stolz darüber, zu wissen, wie ich auch im Schleudermodus wieder «Herrin» über mein Gefährt werden kann.

Von der Schleuderstrecke in den Beauty-Salon

Beim letzten Posten ist Entspannung und Verwöhnung angesagt: In einem Raum wartet ein professionelles Make-up und Hairstyling, ein Modelabel und ein anschliessendes Fotoshooting mit dem Boliden von Rennfahrer Yves Meier, dem Sohn von Motorsportlegende und Eventcenter-Betreiber Hans Schori. Auf diesen Posten verzichte ich; mir reichen die Bilder im Kopf.

Am Ende des Tages sind wir Teilnehmerinnen um viele Erfahrungen reicher und treten durch die entspannte Atmosphäre unter Frauen gestärkt und mit noch mehr Selbstbewusstsein die Heimfahrt an.

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