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Uri

«Es ist cool, den Abschluss endlich im Sack zu haben»: Urner Lehrlinge nehmen ihre Zeugnisse entgegen

Viel Applaus und fröhliche Gesichter: 175 Lernende mit ausserkantonalem Schulort waren zur grossen Prüfung angetreten und 175 haben bestanden. Die Nase vorn hatten dabei zwei junge Frauen.
Zierpflanzengärtnerin Jasmin Gisler aus Schattdorf. (Bild: Christian Tschümperlin)
Yvonne Slongo führte durch die Feier. (Bild: Urs Hanhart)
Kauffrau Jennifer Zgraggen. (Bild: Christian Tschümperlin)
René Röthlisberger, Präsident Wirtschaft Uri. (Bild: Christian Tschümperlin)
Bildungsdirektor Beat Jörg. (Bild: Urs Hanhart)

Christian Tschümperlin

Was haben sie gebüffelt und dem grossen Moment entgegengefiebert. Nun ist der krönende Abschluss der Lehre endlich da: Die LAP-Feier. Am Samstag fanden sich an drei aufeinander folgenden Festakten 177 Lernende im Uristiersaal ein. Adrett gekleidet und voller Vorfreude konnten sie die Zeugnisübergabe kaum erwarten. 175 der anwesenden Absolventen hatten eine ausserkantonale Berufsschule besucht, zwei weitere waren aus einem besonderen Grund gekommen.

Am Einlass trifft man auf die bald zu kürende Zierpflanzengärtnerin Jasmin Gisler aus Schattdorf. «Es ist cool, den Abschluss endlich im Sack zu haben», sagt sie. Die Lehre habe ihr gut gefallen. «Die Gärtnerei ist ein abwechslungsreicher Beruf und die Blumen sind auch sehr vielseitig.» Auf die Frage, wie die Prüfungen gelaufen seien, sagt sie: «Gut, sonst wäre ich nicht hier» und lacht. Gisler ist eine von drei Lernenden der Gärtnerei Bürgin in Schattdorf, die dieses Jahr abschliessen. Ihr Chef Daniel Suter ist stolz: «Es ist eine Freude zu sehen, wie sich die drei Frauen in den drei Jahren entwickelt haben.»

Höhepunkt der Feier war die Zeugnisübergabe. Zur Prüfung angetreten war ein buntes Potpourri teils sehr spezialisierter Berufe. Vom Seilbahn-Mechatroniker über die Diatköchin bis zum Textilpraktiker war einiges dabei. Über den ganzen Jahrgang gesehen, also inklusive Berufsfachschule BWZ Uri, haben im 2020 98,7 Prozent aller Lernenden bestanden. Dies bei einem Gesamtnotenschnitt von 5,0, wie die Amtsvorsteherin für Berufsbildung Yvonne Slongo zu berichten wusste. Von den Lernenden, die ein ausserkantonales Kompetenzzentrum besuchten, waren es gar 100 Prozent. Für sie gab es zwar coronabedingt keinen Handschlag, dafür aber wie immer eine Rose. Das Zeugnis überreichte Bildungsdirektor Beat Jörg. 62 erreichten eine 5,2 oder höher und stellten sich nach der Zeugnisübergabe den Kameras.

Hochbauzeichnerin behauptet sich in Männerdomäne

Einen guten Abschluss hingelegt hat Hochbauzeichnerin Aileen Herger aus Schattdorf. «Mein Beruf ist interessant, weil man sehen kann, wie das, was man gezeichnet hat, umgesetzt wird.» Sie hat schon die Zeichnung von ein paar Einfamilienhäusern beziehungsweise Umbauten im Kanton Uri verantwortet. Auf die Frage, wie sie sich in einem von Männern dominierten Beruf behaupten kann, sagt sie: «Es machen immer mehr Frauen diesen Beruf.» Tatsächlich waren in ihrem Jahrgang unter den sieben Absolventen zwei Frauen. Wenn sie aber auf die Baustelle gehe, müsse sie sich einfach mit ihrem Wissen behaupten. «Sonst nehmen dich die Männer nicht ernst.» Aileen Herger möchte sich später im Bereich Holzbau und Umbauten weiterentwickeln und fasst dazu eine verkürzte Zweitlehre mit anschliessendem Studium ins Auge.

Viele waren gut, einige waren noch besser. Präsident René Röthlisberger überreichte im Namen von Wirtschaft Uri den vier Absolventen mit der höchsten Gesamtnote im Qualifikationsverfahren und Lehrbetrieb einen Geldpreis. Dieser lag dieses Jahr ganz in Frauenhand und ging an die Erstfelder Kauffrauen Senada Ljubuncic (5,8) und Jennifer Zgraggen (5,8) sowie an die Fachfrauen Gesundheit Anita Bissig aus Isenthal (5,7) und Marisa Huber aus Altdorf (5,7). Letztere hatten an der Berufsschule BWZ Uri abgeschlossen und konnten sich im Rahmen der Feier für Absolventen mit ausserkantonalem Schulort doch noch feiern lassen, nachdem die Feiern vom Juni und Juli abgesagt werden mussten.

Klassenbeste bleibt dem Kanton Uri erhalten

Jennifer Zgraggen bedeutete die Auszeichnung «mega viel»: «Ich wollte immer als Klassenbeste abschliessen, hatte aber Angst, dass ich es nicht schaffen würde. Als der Bescheid kam, war ich überglücklich.» Sie habe viel Zeit in die Schule investiert, vor allem das Fach Betriebswirtschaftslehre habe ihr zugesagt. «Die grösste Herausforderung war es, kurzfristig wegen Corona von einer schriftlichen Prüfung auf eine mündliche Prüfung umzustellen.» Ihrem Arbeitgeber und dem Kanton Uri bleibe sie «definitiv» erhalten. Nun sei sie einfach nur erleichtert und wolle nachher noch mit dem Vater und dem Chef Nachtessen gehen.

In seiner Rede zur Preisverleihung ging René Röthlisberger darauf ein, dass die Lernenden ihren Abschluss inmitten einer «neuen Normalität» gemacht hätten. Rückblickend auf das Grounding der Swissair stellte er fest, dass «neue Normalitäten» zum Leben gehören. «Wie müssen wir damit umgehen, welche Rolle spielen wir dabei?» Der Präsident von Wirtschaft Uri appellierte an die Eigenverantwortung, den Scharfsinn und die Persönlichkeit der Absolventen. Nach der Lehre würden sich die Lernenden in einer neuen Umgebung wiederfinden. «Sie haben nicht mehr die Coaches, Lehrer und Eltern als Schutzschild im Hintergrund – Eigenverantwortung ist gefragt.»

Die Praxis sähe oft anders aus, als es im Schulbuch stehe, da sei Scharfsinn gefragt – und vor allem auch Persönlichkeit. «Sie treten als selbstständige Person auf und können sich nicht mehr im Klassenverband bewegen. Sie sind auf gleicher Augenhöhe mit allen Mitarbeitern der Unternehmung – Ihre Persönlichkeit wird registriert.» Als Präsident von Wirtschaft Uri wusste er zu berichten, dass die meisten der über 2500 Unternehmen und rund 18'000 Beschäftigten im Kanton Uri dank dieser proaktiven Eigenschaft erfolgreich unterwegs seien. «Die Zukunft und die Unternehmer brauchen diese Attribute und ihr Expertenwissen.»

Für lüpfige Musik sorgte das Trio Gass, Gisler, Rohrer mit Florian Gass am Schwyzerörgeli, Jonas Gisler am Klavier und Dominik Rohrer am Kontrabass.

Bildungsdirektor gratuliert zum Eintrag ins «Gipfelbuch»

Bildungsdirektor Beat Jörg verlieh der Feier mit seiner Festrede ihren offiziellen Rahmen. Den Lehrabschluss verglich er mit dem Eintrag ins «Gipfelbuch», zu dem er ihnen herzlich gratulierte. «Bei uns in der Berufsbildung ist das Zeichen für den grossen Erfolg nicht weniger handfest: Zeugnis, Ausweis, Attest. Alle diese Dokumente symbolisieren, was unsere jungen Berufsleute in den vergangenen Jahren geleistet haben.» Die Corona-Krise habe gezeigt, dass Lernende, Ausbildner und Kanton in der Lage seien, unerwartete grosse Herausforderungen anzunehmen und zu meistern.

Weil der Weg durchs Leben oft einer Bergwanderung ähnele, gab er den Absolventen die wichtigsten Gebote des Südtirolers Bergsteigers Luis Trenker mit auf ihren Lebensweg. Erstens solle man jede Bergfahrt sorgfältig vorbereiten. Das hätten die Lernenden bereits getan. Was bei einer Bergwanderung die physische und psychische Fitness sei, seien bei der Lehre die Stärken und Neigungen. Aber nur mit der richtigen Berufswahl sei es natürlich noch nicht getan, weshalb er zwei weitere Gebote ansprach: «Du sollst nicht Gipfel fressen», also keine Herausforderung annehmen, der man nicht gewachsen sei, und «Du sollst die Seele der Berge suchen», also die eigene Bestimmung finden und sich dieser Bestimmung gemäss immer weiterentwickeln.

Schliesslich solle man die Ehre wahren, gegenüber des Vereins und gegenüber der Kameradschaft. «Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir entfalten unsere grössten Stärken als Gemeinschaft.» Das zeige sich auch in der Coronakrise. Wenn jeder seinen Beitrag leiste, könne man die Krise meistern. Mit Blick auf die angespannte Lage am Arbeitsmarkt erinnerte er an die Innovationskraft der Schweiz: Ihre Stellung verdanke die Schweiz wesentlich ihrem Bildungssystem, das dafür sorge, dass junge Leute ihr Potenzial entfalten können. «Gehen Sie in die Welt hinaus und kommen sie später um viel Wissen und Erfahrung reicher zurück zu uns, zurück zu Ihren lieben, alten Kameraden. Wir brauchen Sie!» Und nun heisse es: «Berg frei!»

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