notifications
Uri

«Es braucht Leute, die das Positive sehen» – Josef Schuler und Elias Arnold engagieren sich für ihr Dorf

Isenthal wird als «jugendfreundliches Bergdorf» geehrt. Ein Gespräch über Eigeninitiative, Heimatliebe, Digitalisierung und Fusionen.
Elias Arnold von der Jugendgruppe (links) und Gemeinderat Josef Schuler. (Bild: Florian Arnold (10. August 2020))
Elias Arnold von der Jugendgruppe (rechts) und Gemeinderat Josef Schuler. (Bild: Florian Arnold (10. August 2020))

Florian Arnold

Florian Arnold

Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) verleiht dem Isenthal den Titel «Jugendfreundliches Bergdorf». Ende August können Vertreter der Berggemeinde diese Auszeichnung entgegennehmen. Gemeinderat Josef Schuler und Elias Arnold von der Jugendgruppe Isenthal im Gespräch.

Wieso verdient Isenthal die Bezeichnung jugendfreundliches Dorf?Elias Arnold: Die Anzahl der Jugendlichen nimmt zwar ab, das Engagement steigt aber. Wir versuchen immer noch mehr Projekte zu verwirklichen. Nur weil es weniger Jugendliche gibt, soll nicht auch das Angebot zurückgehen.Wer ist die treibende Kraft dahinter?Arnold: Alle Vereine und die Gemeinde. Das sah man etwa beim Gemeindeduell von Coop, bei dem es darum ging, als Dorf möglichst viele Gehminuten zu sammeln. Die Vereine aber auch Privatpersonen haben sich ins Zeug gelegt. Woher kommt der Heimateffekt, die Liebe zum Isenthal?Arnold: Als Kind habe ich das Isenthal geliebt. Dann kam eine Übergangsphase. Als Jugendlicher fand ich das Isenthal nicht cool, weil ich in der Oberstufe in Seedorf anderes kennen gelernt habe. Aber sobald ich in der Lehre war und einen Roller besass, habe ich es wieder schätzen gelernt. Man hat alles, was man braucht. Berge, ein Skigebiet und den See in der Nähe. Viele Kollegen, mit denen ich aufgewachsen bin, leben hier. Für Leute von aussen gibt es sicher eine Hemmschwelle, aber wenn man den Schalter umkippt, kann jeder die Liebe aufbauen.Josef Schuler, Sie sind das beste Beispiel für jemanden, der diesen Schalter umlegte. Wie entstand Ihre Liebe zum Isenthal?Josef Schuler: Ich habe hier meine erste Stelle als Lehrer angenommen. Ich fand damals ein etwas mittelalterliches Ambiente vor, mit Klosterschwestern an der Schule, und man ging jeden Morgen in die Kirche. Ich hatte aber den Willen, aus dem Dorf etwas zu machen. Für mich ist es eine Langzeitstudie geworden. Heute sehe ich, was aus meinen ehemaligen Schülern geworden ist. Und ich sehe die Qualitäten der Landschaft und der Menschen. Irgendwo spürt man immer einen Gemeinschaftswillen. Gleichzeitig ist es aber auch ein ständiger Kampf: Es werden immer weniger Jugendliche und auch die Gesamtbevölkerungszahl ist nach langem Halten unter 500 gefallen. Wir müssen etwas unternehmen, um die Leute und Strukturen halten zu können. Dazu zählt auch die Jugendförderung. Was hat sich getan?Schuler: Wir haben geschaut, dass wir die Angebote und die Mitbeteiligung verbessern konnten. Beispielsweise einen Sportplatz zu bauen oder eine Turnhalle, das waren sehr schwierige Projekte, da das Geld knapp war, aber es hat geklappt. Wir sind im Outdoor-Bereich gewachsen mit Themenwegen, Spielplätzen und beispielsweise einer WC-Anlage beim Zeltplatz Chimiboden.Dann finden hier Jugendliche alles vor, was sie brauchen?Arnold: Gerade im Alter, in dem man in die Sek kommt, wo ein Jugendtreff wichtig ist, wird es schwierig. Doch es gibt eine Whatsapp-Gruppe mit 62 Teilnehmern, in der man sich melden kann, wenn man eine Fahrgelegenheit braucht. Fast immer lässt sich so eine Lösung finden. So kann man die Jugendangebote gut ausgleichen. Chatgruppen gibt es auch für spontane Sportaktivitäten. Es ist ein riesen Plus einer kleinen Gemeinde, dass man immer einen Sportplatz oder die Turnhalle zur Verfügung hat. Am Freitagabend schreiben jene, die Lust haben, in den Chat und ab sechs Personen wird in der Turnhalle Unihockey gespielt. Am Sonntagabend gibt es ab zehn Personen ein Fussballspiel auf dem Sportplatz. Wir brauchen dafür im Isenthal keinen extra Unihockey- oder Fussballverein. Man organisiert sich selber.Schuler: Der Punkt ist, dass man auch mit wenig Geld eine jugendfreundliche Infrastruktur anbieten kann. Kürzlich wurde entschieden, dass der Gemeindesaal aufgefrischt wird, dabei hat der Theaterverein die Bühnentechnik erneuert und die Jugendgruppe hat angeregt, einen Beamer zu installieren. Nachdem ein erstes Gesuch abgelehnt wurde, konnten wir dank einer Stiftung den Beamer doch noch beschaffen. Die Jugendgruppe kann nun an der Chilbi ihren Lagerfilm zeigen. Ein tolles Zusammenspiel.Sie zeigen viel Engagement und Eigeninitiative. Trifft das auf alle Jugendlichen im Isenthal zu?Arnold: Es braucht immer solche, die das Positive sehen. So steckt man auch andere Leute an.Schuler: Das gilt auch für die Erwachsenenwelt. Es braucht Einzelne, die andere begeistern können. Ein gutes Beispiel sind die Bürgermitwirkungsabende, die 2018 aus einer Krise heraus ins Leben gerufen wurden. Damals hatte man Schwierigkeiten, Leute für den Schul- und den Gemeinderat zu finden. Alle Bürger wurden zum Diskutieren eingeladen und der Flyer wurde auch in den Chat der Jugendgruppe gestellt. Am ersten Abend kamen etwa 50 Leute, also gut 10 Prozent der Bevölkerung, darunter auch einige Jugendliche.Ist denn die Hoffnung vorhanden, dass Leute ins Isenthal ziehen?Arnold: Definitiv. Die Coronazeit hat es gezeigt, dass sich sehr viele Leute für das Isenthal interessieren. Es waren so viele da, dass es schon fast nicht mehr schön war. Aber es hat das Potenzial gezeigt. Das Interesse an so einem Rückzugsort wird es immer geben.Schuler: Einige Familien haben in den vergangenen Jahren neu gebaut. In der Regel hat ein Part einen Bezug zum Isenthal, oft kommt dann die Partnerin von aussen mit. Im Dorfladenareal gibt es sogar eine Jugend-WG, wo auch jemand von aussen eingezogen ist. Für uns ist es wichtig, dass wir ein Tal sind, das auch für Leute interessant sein kann, die noch keine Beziehung zum Isenthal haben. Wichtig ist, dass mit Neuzuzügern sofort ein guter Kontakt aufgebaut wird, damit ein Gefühl von Gemeinschaft entsteht.Dann ist die Gemeinschaft das Alleinstellungsmerkmal?Schuler: Es ist kein nostalgisches Zusammenhalten, sondern ein pragmatisches Schauen, wo es Schnittstellen für Interessen gibt. Auf Gitschenen ist das Gasthaus in neue Hände übergegangen, und bereits haben Leute aus Gitschenen, Tourismus und Kultur Interesse für eine gute Zusammenarbeit bekundet. So entsteht Neues.Trotzdem ist es eher unwahrscheinlich, dass Topausgebildete hierher ziehen.Arnold: Das ist nicht sicher. Corona hat gezeigt, dass Homeoffice funktioniert. Und das ist auch im Isenthal möglich. Ein schöneres Homeoffice als hier könnte ich mir nicht vorstellen.Schuler: Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Digitalisierung in Bergdörfern ist. Auch wenn es ein umstrittenes Thema ist, wird bald eine 5G-Antenne gebaut. Denkbar wäre auch ein Co-Working-Space. Wir sind gefordert, auch mit Menschen, die eine gute Ausbildung absolvieren, in Kontakt zu bleiben, auch mit den Ferienhausbesitzern. Denn diese bringen viel Know-how mit.Eher hinderlich, dass Isenthal einen hohen Steuerfuss hat. Schuler: Bei Neuzuzügern spielt das sicher eine Rolle, auch wenn die Mieten etwas tiefer sind. Wir würden gerne etwas zurückfahren, aber wir befinden uns als Gemeinde immer knapp an der Grenze zu Liquiditätsengpässen. Womit wir bei der Gretchenfrage sind: Wird es je eine Fusion mit Seedorf geben?Arnold: Ich hätte Mühe damit, dass in meinem Ausweis der Heimatort Seedorf stehen würde. Der Stolz des Isenth­alers ist da. Es gibt viele positive Aspekte, die für eine Fusion sprechen, aber das edlere Metall zerfrisst das unedlere. Wenn Isenthal die Schule nicht mehr halten kann, würde es schwierig werden, ein Lager oder eine Kinderchilbi zu veranstalten.Schuler: Ich schaue dies ohne Scheuklappen an. Solange es geht, man die Behörden besetzen kann und finanziell über die Runden kommt, kann man eigenständig bleiben. Aber den Fusionsgedanken darf man nicht verdrängen. Wir müssten uns bewusst machen, wo wir stark sind, was wir haben. Es bräuchte analog zum Meiental eine Vereinigung Pro Isenthal, die an Zukunftsprojekten weiterarbeiten würde. Die besten Leute müssten in den Gemeinderat nach Seedorf gehen.Vielleicht bewirkt die neue Auszeichnung einen positiven Aufschwung. Was bedeutet sie Ihnen?Arnold: Sie ist ein Zeichen, dass man auf dem richtigen Weg ist. Es ist eine Anerkennung für unsere Arbeit, man macht viel und es ist lässig zu sehen, dass nicht nur wir dies so sehen.Schuler: Das ist nach aussen ein Zeichen einer gewissen Attraktivität, und nach innen eine Verstärkung, dass wir nicht locker lassen dürfen. Oft rutscht die Jugendförderung auf der Traktandenliste der Behörden nach unten, das ist ein Fehler. Man muss Jugendlichen die Mitwirkung und Verantwortung ermöglichen. Ihr Votum ist gleichwertig mit jenem der Erwachsenen.
Kommentare (0)