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Luzern

Erstmals sind Stadtluzerner Katholiken in der Unterzahl

Eine symbolische Grenze ist unterschritten worden: In Luzern sind die Katholiken erstmals in der Unterzahl. Dies hat mit der Zuwanderung zu tun – aber nicht nur.
Die Hofkirche in Luzern. Bild: Nadia Schärli (12. September 2017))

Simon Mathis

Simon Mathis

Die römisch-katholische Kirche hat einen schweren Stand, auch in der Stadt Luzern. Mehr und mehr Gläubige erklären ihren Austritt. Im vergangenen Jahr führte diese Entwicklung zu einem Novum: Nun sind die Stadtluzerner Katholiken erstmals in der Unterzahl. 49 Prozent betrug der Anteil Römisch-Katholischer letztes Jahr. Dies zeigen die neusten Daten von Lustat Statistik Luzern (siehe Grafik unten).

Zwar ist die Zahl der Katholiken im Vergleich zu 2016 um gut 4000 Personen gestiegen. Die Zuwanderung in die Stadt wog dies jedoch mehr als auf. Denn viele Personen, die nach Luzern ziehen, sind nicht katholisch. «Das macht den Mix der Religionen reichhaltiger und relativiert die Zahl der Katholiken», erläutert Antonius Liedhegener, Professor für Politik und Religion an der Universität Luzern. Forschungen der Uni haben ergeben, dass die Zahl kleiner Religionsgemeinschaften in Luzern in letzter Zeit stark zugenommen hat.

Nur jedes dritte Kind in Luzern ist katholisch

Ein weiterer Grund für die Abnahme ist, dass es in Luzern auffällig wenige katholische Kinder gibt. Insgesamt nur 34,2 Prozent der 1- bis 14-Jährigen Stadtluzerner sind laut Liedhegeners Berechnungen römisch-katholisch. Dahinter könne eine Abwärtsspirale stecken, sagt er: Vor allem jüngere Personen würden aus der Kirche austreten, und diese liessen ihre Kinder oft nicht mehr taufen.

Dass es in Luzern weniger Taufen gibt, bestreitet Urban Schwegler, Medienverantwortlicher der Katholischen Kirche Stadt Luzern: «In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Taufen in etwa auf dem gleichen Stand geblieben.» Das heisst etwa 240 pro Jahr. Aber die Taufe im Säuglingsalter indes sei heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr. Vermehrt wollten religiös mündige Eltern erst später und gemeinsam mit ihren Kindern über die Taufe entscheiden, so Schwegler.

«Magische Grenze» unterschritten

«Dass der Anteil der Katholiken in der Stadt Luzern unter 50 Prozent fällt, ist schon eine Überraschung», sagt Antonius Liedhegener. «Damit wurde sozusagen eine magische Grenze unterschritten, was in der Wahrnehmung vieler wohl einer Qualitätsveränderung gleich kommt.» Dies umso mehr, da Luzern als wichtigste Stadt in der traditionell katholischen Zentralschweiz Symbolcharakter habe.

«Heute ist die katholische Kirche eine unter verschiedenen Religionsgemeinschaften, wenn auch noch immer verhältnismässig gross», sagt Urban Schwegler. Da sei es wichtig, dass die Kirche über ihr christliches Profil und ihre Aufgaben innerhalb einer zunehmend differenzierten Gesellschaft nachdenke.

«Der Rückgang erfolgt in der Stadt Luzern schneller als im Rest der Schweiz.»

Antonius Liedhegener,




Professor für Politik und Religion




Die Stadt Luzern ist längst kein Ausnahmefall: Auch im Kanton Luzern und in der gesamten Schweiz geht der Anteil der Katholiken stetig zurück. «In der Stadt Luzern geschieht dies allerdings ein bisschen schneller als im Rest der Schweiz», so Liedhegener, der auf sein Forschungsprojekt zur Religionszugehörigkeit in Europa verweist. Dieses hat ergeben, dass der Anteil der Katholiken schweizweit zwischen 2010 und 2016 von 38 auf 36,5 Prozent zurückgegangen ist. Zum Vergleich: In derselben Zeit ging in der Stadt Luzern der Anteil von 54,5 auf 51,5 Prozent zurück. Also um 1,6 Prozent mehr.

Austritte wegen Gesellschaftspolitik

Welche Gründe hinter einem Kirchenaustritt stecken, ist oft nicht ganz klar. «Die Kirchen erkundigen sich noch zu wenig danach, weshalb ihre Mitglieder austreten», sagt Liedhegener. Auch wissenschaftlich sei diese Frage nicht abschliessend beantwortet. Eine Auswertung des Bundesamts für Statistik habe schweizweit einen ersten Einblick in die Austrittsgründe gegeben. 2014 sagten drei von zehn Befragten, sie hätten den Glauben verloren. Jeder vierte Befragte gab die Gesellschaftspolitik der Kirche als Grund an. Und jeweils jeder Zehnte wollte den Glauben entweder auf andere Art leben oder gab direkt zu, die Kirchensteuer sparen zu wollen.

«Der Zerfall des katholischen Milieus ist nach wie vor im Gange», erläutert Liedhegener. Auch in Luzern verliere der Katholizismus in Alltag, Politik und Kultur stetig an Bedeutung. «Das macht es für die Leute, die in der Seelsorge tätig sind, nicht leichter.»

Zumal die Seelsorger auch auf weltkirchliche Verwerfungen reagieren müssen, wie etwa die Aussagen des Papstes Franziskus zur Homosexualität und Abtreibung. «Die Aussage des Papstes, Abtreibung sei Auftragsmord, zeugt von wenig Sensibilität für die Nöte der betroffenen Frauen», sagt Urban Schwegler von der Katholischen Kirche Stadt Luzern. Und: «Als Kirche in Luzern sind wir Teil der weltweiten katholischen Kirche und durchaus immer mal wieder in einer heiklen Vermittlerposition.»

Eine Gratwanderung also zwischen lokaler Gemeinde und Pontifex. Wie kann diese gelingen? «Gelassenheit bei Konflikten lautet das Zauberwort», meint Antonius Liedhegener. «Wer die Kirche lebendig halten will, muss mit Meinungsverschiedenheiten umsichtig umgehen.» Die Kirchgemeinden könnten die Menschen etwa dadurch erreichen, dass sie ihnen Gemeinschaft und Lebensorientierung bieten. Zudem seien die vielfältigen Möglichkeiten zum freiwilligen Engagement sowie ein authentischer, gelebter Glaube an Gott eine Chance, die Katholiken anzusprechen.

Der Trend bricht nicht ab

Offizielle Zahlen für das Jahr 2018 gibt es noch nicht. Es sieht allerdings so aus, als würde die Zahl der Mitglieder des Katholischen Kirche Stadt Luzern weiter schrumpfen. «In diesem Jahr ist die Zahl der Kirchenaustritte bis jetzt wieder höher als im 2017, aber niedriger als im 2016», sagt Urban Schwegler.

Die ständigen Austritte gehen übrigens ans Portemonnaie. Dies sagte Kirchmeierin Sibylle Lehmann an der letzten Sitzung des Grossen Kirchenrates der Katholische Kirchgemeinde Luzern: «Wir haben 300000 Franken weniger Steuereinnahmen von natürlichen Personen budgetiert, weil die Mitgliederzahlen laufend sinken.»

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