Stefan Dähler
Rund 40 Hektaren Landwirtschaftsland und 5 Hektaren Wald müssen für die Aufweitung des Flussbetts der Reuss geopfert werden. Kein Wunder, stösst das Hochwasser- und Renaturierungsprojekt des Kantons Luzern vor allem bei rund 30 betroffenen Landwirten auf Widerstand.
Die Spannungen etwas gemildert hat Stefan Moser (57). Er arbeitet beim Berufsbildungs- und Beratungszentrum Natur und Ernährung in Hohenrain (BBZN) und vermittelt im Auftrag des Kantons zwischen den Behörden und den betroffenen Landnutzern (wir berichteten).
Weniger Enteignungen: Bauern behalten ihr Land
«Mein Ziel ist es, möglichst viele einvernehmliche Lösungen zu finden und den Bauernfamilien zu helfen», sagt Moser, der eine Ausbildung als Coach absolviert hat. Dafür geht er oft zu den Betrieben, spricht mit Betroffenen, berät sie und meldet deren Anliegen beim Kanton. «Der grösste Kritikpunkt am Projekt – dass viel Nutzfläche verloren geht – bleibt natürlich bestehen. Es gibt aber auch Forderungen, auf die der Kanton eingehen will.» Beispiele seien andere Wegführungen oder leicht veränderte und reduzierte Gewässerräume. «Die grösste Änderung aber ist, dass der Kanton nun vermehrt auf Dienstbarkeitsverträge setzt.» Ursprünglich wollte er 86 Prozent der benötigten Fläche erwerben, nun sollen es weniger als 60 Prozent sein.
«Damit steigen die Chancen auf einvernehmliche Lösungen», sagt Stefan Moser. Bei einer Dienstbarkeit könne der Landwirt das Grundstück, das dem Gewässerraum zugewiesen wird, behalten und es unter Auflagen weiterhin nutzen, zum Beispiel als Blumenwiese. Dafür erhält er vom Kanton eine Entschädigung. «Wie hoch diese ausfällt, hängt von den Nutzungsbedingungen ab und muss einzeln ausgehandelt werden. Das ist zwar aufwendiger als bei einem Kauf oder einer Enteignung, dafür gibt es mehr Spielraum für individuelle Lösungen.» Trotzdem spielt auch die Suche nach Ersatzland weiterhin eine grosse Rolle.
Nicht immer gibt es eine einvernehmliche Lösung
Für Patrick Schmid, Präsident der IG Reuss, welche die Interessen der betroffenen Landnutzer vertritt, ist die Dienstbarkeit ein Schritt in die richtige Richtung, wie er vor einigen Tagen gegenüber unserer Zeitung sagte. Stefan Moser sei «ernstlich darum bemüht, gemeinsam mit den Landwirten Lösungen zu finden». An der Haltung der IG, dass das Reuss-Projekt zu viel Nutzland beanspruche, ändere das aber nichts.
Dass am Ende nicht in allen Fällen einvernehmliche Lösungen resultieren werden, ist auch Stefan Moser bewusst. Schliesslich sind einige Betriebe durch das Projekt stark betroffen. Durch seine Beratungstätigkeit am BBZN sei er regelmässig mit Bauern in schwierigen Situationen konfrontiert. «Wichtig ist, mit Empathie, aber auch einer gewissen Distanz auf die Leute zuzugehen. Ich versuche jeweils, nicht das Problem, sondern die Lösung ins Zentrum zu stellen.» Denn schliesslich könnten am Ende alle Beteiligten nur gewinnen. «Die Situation kann sich für die Betroffenen nicht mehr verschlechtern, sondern nur noch verbessern.» In den allermeisten Fällen seien diese auch bereit, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen.
Dass Mosers Arbeitgeber als Angestellter des BBZN ebenfalls der Kanton ist, sei kein Problem, zumal er nicht in die Planungen des Reuss-Projekts involviert ist. «Der Auftrag für unsere Aufgabe, die sogenannte ‹land- und forstwirtschaftliche Begleitplanung›, ist vom Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement ausgeschrieben worden.» Das BBZN gehört dagegen zum Bildungs- und Kulturdepartement. Seine Arbeit als Vermittler aufgenommen hat Moser vor rund einem Jahr – nach der vom Kantonsrat verlangten Überprüfung des Reuss-Projekts. Wie lange sie noch dauern wird, sei schwierig abzuschätzen. «Sicher noch vier Jahre, bis die Projektbewilligung vorliegt und die rechtlichen Verfahren abgeschlossen sind.»
Volk hat 2021 das letzte Wort
Mit dem Hochwasser- und Renaturierungsprojekt der Reuss will der Kanton Luzern ein verheerendes Hochwasser wie 2005 verhindern. Zwischen Emmen und der Kantonsgrenze soll der Gewässerraum verbreitert werden. Die Kosten betragen rund 195 Millionen Franken, davon soll der Bund bis zu 80 Prozent übernehmen. Voraussetzung dafür sind umfangreiche Renaturierungen. Voraussichtlich 2021 kommt es zu einer Volksabstimmung, die Arbeiten sollen 2022 beginnen und elf Jahre dauern.