Fabian Gubser
Fabian Gubser
«Ich hatte schlaflose Nächte, es ging wirklich an die Substanz», sagt André Odermatt. Er habe vor 42 Jahren sein Geschäft von der Post- an der Gotthardstrasse verlegt: «Noch vor der Metalli waren wir hier.» Gerne hätte der Zuger das Geschäft, das er von seinen Eltern übernommen hatte, weitergeführt. Doch im vergangenen August beschloss Odermatt, den Laden aufzugeben:
«Es ging nicht mehr anders.»
Wie kam es dazu? André Odermatts Hauptgeschäft besteht vor allem aus Reparaturen aber auch dem Verkauf von Lederwaren und Koffern. Mit vielen Herstellern handelte er Verträge aus, damit deren Kunden bei Garantiefällen in sein Geschäft kommen. Das lief gut, bis die Coronakrise begann: Seit einem Jahr schon steht die Reisebranche still. «In diesem Bereich verzeichnen wir jetzt gerade mal noch sieben Prozent des üblichen Umsatzes», erläutert der 59-Jährige.
Uneinigkeit über die Höhe des Mieterlasses
Wie viele andere Geschäfte auch konnte Odermatt fast nichts reparieren oder verkaufen, während die Fixkosten weiterliefen – etwa die Miete. Leider sei ihm die Vermieterin, die Firma Bentom AG aus Zug, bei der Bitte um einen Mieterlass für den ersten Lockdown kaum entgegengekommen. Für ihn als langjährigen Mieter sei ihr Angebot «enttäuschend» gewesen: Nur auf Druck habe sie ihm angeboten, etwas weniger als die Hälfte einer Netto-Monatsmiete, also etwa einen Viertel einer Brutto-Monatsmiete, im Frühling 2020 erlassen. «Ein lachhafter Betrag», findet Odermatt. Im Einkaufszentrum Metalli hingegen hätten sich die Vermieter viel kulanter gezeigt – mit halben und ganzen Brutto-Monatsmieten während zwei Monaten. Der nur bescheidene Mieterlass habe schliesslich den Ausschlag gegeben, dass er sein Geschäft aufgab.
Was sagt die Vermieterin dazu? «Anfang Mai 2020 konnten wir Herrn Odermatt ein Angebot machen und erliessen ihm – wie auch anderen Mietern – zirka 50 Prozent einer Monatsmiete», teilt Nicole Russi von der Bentom AG auf Anfrage mit. André Odermatt habe das Angebot abgelehnt, da er «ungefähr 70 Prozent» gefordert habe. Noch habe man sich leider nicht einigen können. Und weiter schreibt Russi:
«Nicht unerwähnt lassen möchten wir die kostenlose Nutzung eines weiteren Ladens für einen Outlet-Store über Monate – vor Corona.»
Zudem habe die Bentom AG den Mietzins 2019 freiwillig um knapp einen Viertel gesenkt, dies aufgrund eines persönliches Gesprächs mit André Odermatt. «Die Geschäfte laufen nicht mehr so gut wie früher, hiess es.»
Die Bürokratie für Härtefallhilfe und Kurzarbeit sei immens
Ein weiterer Grund für die Schliessung des Lederwarengeschäfts macht Odermatt im boomenden Onlinehandel aus. Aber: «Ohne Corona hätte ich es locker noch bis zur Pension geschafft.» Dass der Onlinehandel weiterwachsen wird, davon ist er überzeugt. Damit einher geht für ihn auch das Lädelisterben in der Stadt:
«Zug verarmt!»
Die Bahnhofstrasse sei ja auf der einen Seite bereits fast leer. Dafür macht er auch die Politik verantwortlich und fordert sie zum Handeln auf.
Immerhin habe er Ende Februar Härtefallgelder des Kantons erhalten, sagt Odermatt. So viel, dass er mindestens ein weiteres knappes Jahr durchhalten könne. Auch wenn er dankbar sei: «Dies bedeutete einen brutalen Bürokrieg für mich», betont Odermatt. Für die Anträge der Härtefallhilfe und der Kurzarbeit habe er mehrere Sonntage vor dem Computer verbracht. «Der riesige Aufwand» für die Bürokratie sei für ihn nicht verständlich.
Mehrere Angestellte mussten gehen
In seinem bisherigen Atelier an der Industriestrasse 57 im Göbli-Zentrum wird Odermatt weiterhin Reparaturen und Einzelanfertigungen von Lederwaren durchführen. Nach der Pandemie möchte er auch wieder Kurse anbieten, in denen eigene Taschen und Rucksäcke hergestellt werden können. Von seinem bisherigen Team bleibt ihm lediglich eine Lehrtochter erhalten. Die sogenannte Feintäschnerin, die Brieftaschen oder Aktenmappen aus Leder herstellt, ist auf ihrem Gebiet die einzige Lehrtochter in der gesamten Schweiz. Im Lederwarenbereich werde zukünftig niemand mehr Lehrlinge ausbilden, ist Odermatt überzeugt. Zwei weiteren Angestellten musste er kündigen, einer beendete seine Lehre regulär und ein weiterer musste sie wegen der aktuellen Situation abbrechen.
André Odermatt zeigt sich optimistisch, was die Zukunft unter neuen Vorzeichen anbelangt: «Ich bin erstaunt, wie viele Leute ins Göbli kommen – es scheint weiterhin eine Nachfrage da zu sein.» Aber: «Die Aufgabe des Geschäfts tut weh, es war eine lässige Zeit.» Das Geschäftslokal schliesst er Ende März.