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Obwalden

Engelberg: Als die Queen ins Kloster ging

Am 29. August jährt sich zum 150. Mal der Besuch von Queen Victoria im Kloster Engelberg. Die englische Königin kam dabei in den Genuss der benediktinischen Gastfreundschaft, die auch heute noch gepflegt wird.
Vor 150 Jahren, genau am 29. August 1868, besuchte die englische Königin Victoria das Kloster in Engelberg. (Bilder:  Privatbesitz Andermatt/PD)
Vor 150 Jahren, genau am 29. August 1868, besuchte die englische Königin Victoria das Kloster in Engelberg. Im Bild: Gästebucheintrag des Klosters Engelberg mit der Königin als The Countness of Kent, darunter Lady Louise of Kent, Honble Leopold Kent, Marchioness of Ely, Rev. R. Duckworth, Henry F. Ponsonby, Colonel.(Bild: PD)
In der Folge von Queen Victorias Besuch wurden mehrere Hotels in der Region nach ihr benannt Im Bild: Postkarte des früheren Hotel Victoria in Engelberg um 1910 herum, später brannte das Hotel nieder. (Bild: PD)

Beat Christen

Beat Christen

Beat Christen

Der Eintrag im Gästebuch des Benediktinerklosters Engelberg ist mit «The Countess of Kent» einfach und schlicht. Es folgen weitere Namen wie Lady Louise of Kent oder Humble Leopold Kent und das Datum 29. August 1868. Mit «Countess of Kent» ist niemand anderes als die damalige englische Königin Victoria gemeint, deren Aufenthalt im Kloster vor 150 Jahren auf reges Interesse stiess. Als der damalige Abt Anselm Villiger sie zur Klosterpforte begleitete, wurden sie gemäss Tagebucheintrag des Abts bereits von einer grossen Menge von Kurgästen erwartet. Ihr Besuch kam einer kleinen Sensation gleich. War es doch keine Selbstverständlichkeit, dass sie als Frau, und dazu noch als Oberhaupt der Kirche von England, ins Innerste eines römisch-katholischen Klosters Einlass fand.

Das ursprüngliche Ziel von Queen Victoria, die Schweiz inkognito zu besuchen, war von allem Anfang an ein Ding der Unmöglichkeit. Sie konnte zwar auf die Diskretion der Hoteliers zählen, doch Medienberichte lösten grosse Aufmerksamkeit am Besuch der damals mächtigsten Frau der Welt aus. Auch in Engelberg. Da schützte sie offenbar auch die einfache Kleidung nicht. Dieser Eintrag, aber auch jene aus dem Tagebuch der Queen, offenbaren viele Details zum Aufenthalt. «Sie wohnte dem Salve bei, besuchte die Sakristei, Bibliothek, den grossen Saal und wollte auch eine Zelle sehen. Sie erkundigte sich genau um die Zahl der Patres, ihre Lebensweise und Tagesordnung», schrieb der Abt. Und er hielt auch fest, dass Königin Victoria in Engelberg «nirgends als im Kloster einkehrte, was bei den hiesigen Kurgästen einiges Aufsehen erregte. Sie und ihr Gefolge redeten sehr gut deutsch.»

Gastfreundschaft wird weiter grossgeschrieben

Die Königin selber staunte gemäss ihren in Buchform veröffentlichten Reisenotizen in der Sakristei über das schöne Messgeschirr und die äusserst wertvollen Gewänder. Von der Sakristei aus wurde sie und ihr Gefolge in die Bibliothek geführt. «Wir alle schrieben unsere Namen in das Besucherbuch.»

Dass Königin Victoria damals trotz ihrer Zugehörigkeit zu einem anderen Glauben Gastrecht im Kloster Engelberg genoss, überrascht den heutigen Engelberger Abt Christian Meyer nicht. «Die Aufnahme von Gästen geniesst seit der Klostergründung eine fortwährende Tradition. Immer wieder fanden auch politische oder religiöse Flüchtlinge, wie zur Zeit der Französischen Revolution, in der alten Klosterherrschaft Zuflucht.» Für ihn sind Klöster Pole in der Welt, «die im hektischen Puls da sind und auf etwas anderes hinweisen wollen. Wir bieten auch heute Einzelpersonen und Paaren, die eine Auszeit suchen, gerne unsere Gastfreundschaft an.»

Aus diesem Grunde liess das Benediktinerkloster in diesem Frühjahr weitere Gastzimmer sanieren. So steht der Aufnahme von Gästen im Rahmen des Jubiläums «900 Jahre Kloster Engelberg» im Jahr 2020 nichts im Wege. Für Abt Christian Meyer sind die Gründe für einen temporären Aufenthalt im Kloster unterschiedlicher Natur. «Die Gäste finden bei uns Ruhe, obwohl die Gastabteilung als Pfortenbereich des Klosters mit dem Besuch von Schulklassen, Führungen, Firmgruppen oder Seminaren oft sehr viel Leben in sich birgt. Gäste dürfen bei uns neue Kraft für die anstehenden Herausforderungen tanken. Dazu kommen auch angeregte Gespräche über Gott, die Welt, die Kirche und den Glauben.»

Hotels änderten ihren Namen auf «Victoria»

Wohl als eine Folge des königlichen Besuchs und weil sich immer mehr Gäste aus England für einen Ferienaufenthalt in Engelberg entschieden, wurde hinter dem Hotel Spannort eine englische Kapelle realisiert. Der Bau dürfte nach dem grossen Dorfbrand 1887 entstanden sein. Der bekannte Obwaldner Kartograf, Panoramazeichner, Reliefkünstler und Planer von Bergbahnen, Xaver Imfeld, hat die englische Kapelle in dem von ihm um 1889 gezeichneten Dorfplan von Engelberg bereits festgehalten. Dass es im Klosterdorf schon damals in Sachen Religionen ein Nebeneinander gab, beweist die ebenfalls um diese Zeit erfolgte Einweihung der lutheranischen Kapelle im Unterdorf, der heutigen evangelisch-reformierten Kapelle. Der überzeugte Katholik und Obwaldner Ständerat Theodor Wirz (1842–1901) teilte damals in seiner Grussbotschaft mit: «Ich bin tolerant nicht aus politischer Berechnung, sondern aus Charakter und aus christlicher Überzeugungstreue.» Davon überrascht, dass dies «in der friedlichen Nähe des altberühmten Klosters» möglich war, zeigte sich denn auch der damalige NZZ-Redaktor Albert Fleiner in seinem Buch «Engelberg – Streifzüge durch Gebirg und Tal». Die englische Kapelle wurde 1990 abgebrochen.

War der Besuch von Königin Victoria vor 150 Jahren für das Kloster Engelberg eine Ehre, nutzten nicht wenige den Aufenthalt der Queen für ihre eigene Werbung. Zahlreiche Hotel- und Gasthausbesitzer wollten vom Glanz des königlichen Besuchs profitieren und tauften in der Folge ihr Hotel oder ihre Pension «Victoria». So auch in Engelberg, wo das 1901 eröffnete Hotel Hug nur drei Jahre später in Hotel Victoria umbenannt wurde. Heute erinnert lediglich noch der Victoria-Garten vis-à-vis vom Tourist-Center an das bei einem Brand im Jahr 1939 total zerstörte Hotel.

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