Robert Knobel
Die Zeit der benzinbetriebenen Autos ist abgelaufen. Mehrere grosse Autohersteller haben angekündigt, aus dieser Technologie auszusteigen. Im Moment scheint klar, welche Antriebsart in Zukunft dominieren wird: Die Zahl der Elektroautos nimmt auch in der Schweiz stark zu.
Flugzeuge, Schiffe und Autos brauchen weiterhin Treibstoff
Doch eine totale Elektrifizierung des Verkehrs ist nicht realistisch. Es wird auch künftig noch Fahrzeuge geben, die auf Verbrennungsmotoren angewiesen sind: Langstreckenflugzeuge, Containerschiffe, Lastwagen, extrem leistungsstarke Autos – und Oldtimer. Das zeigte sich an einer Forumsveranstaltung im Rahmen der Oldtimer-Messe Swiss Classic World, welche noch bis Sonntag in Luzern stattfindet.
Auch wenn die Verbrennungstechnologie so schnell nicht verschwinden wird: Sie muss CO2-neutral werden, wenn die aktuellen Klimaziele erreicht werden sollen. Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, stellt klar:
«Benzin und Diesel müssen vollständig durch synthetische Treibstoffe ersetzt werden.»
Als synthetisch werden künstlich hergestellte Treibstoffe bezeichnet. Wird zum Beispiel Wasserstoff mit CO2 verbunden, ergibt sich Methanol. Dieses wird zu künstlichem Benzin raffiniert, das auch in herkömmlichen Verbrennungsmotoren eingesetzt werden kann. Das CO2, das beim Fahren freigesetzt wird, entspricht lediglich der Menge, die zuvor bei der Herstellung aus der Atmosphäre entzogen wurde.
Das Problem dabei: Die Herstellung von künstlichem Benzin benötigt etwa doppelt so viel Energie, wie am Ende im Fahrzeug nutzbar ist. In Zeiten drohender Stromknappheit in Europa ist es nicht realistisch, so viel Energie für eine Technologie mit schlechtem Wirkungsgrad zu verschwenden.
Porsche stellt 550 Millionen Liter Kunstbenzin her
Deshalb muss die Herstellung an einem Ort stattfinden, wo Energie im Überfluss vorhanden ist. Zum Beispiel in Patagonien. Dort baut der deutsche Autobauer Porsche gerade eine Produktionsanlage, welche ab 2022 erstmals künstliches Benzin liefern soll. Bis 2026 soll die Produktionsmenge auf 550 Millionen Liter pro Jahr ansteigen. Karl Dums, Politikleiter bei Porsche, erklärt:
«Alles, was wir dafür brauchen, ist ein Windrad und einen Wassertank.»
Das windreiche Patagonien habe man gewählt, weil dort der Strom weltweit am günstigsten zu haben sei: Die Produktionskosten belaufen sich lediglich auf 1,5 Rappen/kWh. Und das dort hergestellte Benzin sei «mit Sicherheit nicht schlechter, als was wir heute an der Tankstelle bekommen», betonte Dums. Das Porsche-Benzin wird übrigens nicht nur für Autos nutzbar, sondern auch für Schiffe und Flugzeuge.
An Standorten zur Herstellung von Kunstbenzin fehlt es nicht, sagt auch Christian Bach von der Empa:
«In den Wüsten steckt viel mehr Energie, als die Menschheit je nutzen kann.»
Mit grossen Solaranlagen könnten problemlos grosse Mengen an Benzin hergestellt werden.
So verlockend die fast unbegrenzten Energiequellen in fernen Ländern sein mögen: Die Gefahr besteht, dass die Schweiz zwar ihre Klimaziele erreicht, die finanziellen Gewinne der Energiewende aber anderswo anfallen. Immer wieder wurde das unerfreuliche Beispiel der Solartechnologie erwähnt: Europa hatte bei der Solarzellen-Forschung zwar die Nase vorn, doch vom Solarboom profitieren jetzt die chinesischen Hersteller. Diese Fehler gelte es diesmal zu vermeiden. «Es lohnt sich jetzt in synthetische Treibstoffe zu investieren – und nicht erst, wenn es nicht mehr anders geht», sagte Luca Schmidlin, Co-Gründer der Schweizer Firma Alphasynt. Diese forscht unter anderem über die Herstellung von Benzin auf Basis von Bioabfällen.
8 Rappen mehr fürs Benzin – und schon wird die Technologie konkurrenzfähig
Trotz aller Aufbruchstimmung: die Herstellung von Kunstbenzin ist zurzeit deutlich teurer als das Erdöl, das einfach aus dem Boden geholt werden kann. Dies zu ändern gehe wohl nicht ohne Lenkungsmassnahmen, sagt Christian Bach von der Empa. Allerdings brauche es dafür erstaunlich wenig: Um synthetische Treibstoffe konkurrenzfähig zu machen, würde es genügen, das herkömmliche Benzin um 8 Rappen pro Liter zu verteuern.
Die Messe Swiss Classic World in der Allmend Luzern findet noch bis Sonntag, 3. Oktober, statt. Mehr Informationen hier.