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Zug

Eine junge Frau kämpft um Erspartes, das sie bei der Chamer Firma Lyoness einbezahlte

Rund 23000 Franken hat eine 21-jährige aus Zürich bei der umstrittenen «Einkaufsgemeinschaft» Lyoness einbezahlt. Als sie das Geld zurück will, folgt die böse Überraschung. Sie will jetzt kämpfen. Hoffnung macht ihr ein Urteil des Zuger Obergerichts.

Mehr aus dem eigenen Geld herausholen, das wollen viele. Einige werden so auf die selbst ernannte länderübergreifende Einkaufsgemeinschaft Lyoness aufmerksam. Als gewöhnliches Mitglied erhält man Rabatte beim Einkauf bei Lyoness-Partnerunternehmen. Andere Vergütungen werden in Aussicht gestellt, wenn man sich im Empfehlungsmarketing als sogenannter Marketer betätigt. Es handelt sich unter anderem um ein Karriereprogramm bei welchen jene, die die Stufe 8 erreichen, Provisionen in Höhe von 75000 Franken erhalten sollen. Die Höhe hängt davon ab, wie viele Leute reingeholt werden und in welcher Höhe man sich finanziell beteiligt.

Im Februar 2018 stellte das Zuger Obergericht jedoch in einem vom Zuger Treuhänder Christian Plaschy angestrengten Zivilverfahren fest, dass das System von Lyoness als unlauteres Schneeballsystem zu qualifizieren sei und der Verträge zwischen Lyoness und ihren Mitgliedern somit wegen Sittenwidrigkeit nichtig seien (Ausgabe vom 4. Februar 2018). Dies macht nun einer 21-Jährigen Hoffnung.

Erst die Hälfte dann gar nichts

Die junge Frau aus Zürich machte bei Lyoness mit. Sie liess sich dazu von einer ehemaligen Schulkollegin überzeugen und wurde Ende 2016 Marketer. Um ihre Chancen auf Provisionen durch geworbene Mitglieder zu vergrössern, zahlte sie, wie sie es ausdrückt, mehrfach Beträge ein – rund 23000 Franken. «Das Höchste, was ich erhielt, waren einmal 100 Franken», so die junge Frau. Weil ihr das System fast nichts gebracht habe und sie aus privaten Gründen ihr Erspartes wieder gebraucht hätte, habe sie angefragt, ob ihr dieses wieder ausbezahlt werden könne.

Beim Kundenservice der Lyoness Suisse GmbH, die bis Juni dieses Jahres ihren Sitz in Cham hatte, habe man ihr dann gesagt, dass das möglich sei, sie müsse aber per Brief kündigen. «Ich schickte also einen eingeschriebenen Brief», erinnert sie sich. Als sie dann auch nach einem Monat keine Antwort erhalten habe, habe sie nachgefragt. «Man sagte mir, der Brief sei verloren gegangen und statt von einer kompletten Rückerstattung war plötzlich nur noch vom halben Betrag die Rede», erinnert sie sich.

Doch auch da sei sie immer wieder vertröstet worden, bis ihr dann die Rechtsabteilung der Lyoness Europe AG in Buchs (SG), wo nun auch die Lyoness Suisse ihren Sitz hat, mitgeteilt habe, dass ihre Forderung unberechtigt sei und ihr überhaupt kein Geld zurückbezahlt werden könne. Denn entgegen ihrer Darstellung habe sie kein Geld bei der Einkaufsgemeinschaft platziert, sondern schlichtweg Rabattgutscheine gekauft. Zudem habe sie sich durch die Vereinbarung für unabhängige Marketer bewusst für den unternehmerischen Weg entschieden und handle als selbstständige Unternehmerin. Ihre Erklärung, dass mitgeteilt worden sei, man würde ihr den vollen oder mindestens einen Teil des Betrags zurückerstatten, wird zudem als nicht nachvollziehbar bezeichnet. Derartige Zusagen mache man nicht. «Ich fühle mich wirklich total verschaukelt und will mein Geld zurück», regt sie sich nun auf. Sie brauche dieses dringend.

Konfrontiert mit dem Fall der 21-Jährigen, fühlt Christian Plaschy sich an seinen eigenen Fall erinnert. «Es wird die klassische Verzögerungs- und Verneblungstaktik angewendet.» So stimme beispielsweise die Behauptung gar nicht, dass man Gutscheine erwerbe, vielmehr handle es sich um von Lyoness ausgestellte sogenannte Gutscheincodes für den späteren Kauf von Gutscheinen. «Es ist eben ein undurchschaubares System», sagt Plaschy. Auch er war Marketer bei Lyoness. Als er aber festgestellt habe, dass so gut wie nichts vom Bonusprogramm zurückfliesse, wollte er sein Geld zurück, was ihm mit ähnlicher Begründung verwehrt worden sei. Dann klagte er und gewann.

«Da die Verträge laut Urteil nichtig sind, ist es egal, was für Begründungen die Rechtsabteilung heranzieht, die Frau hat einen Anspruch auf eine Rückzahlung ihres Geldes», so Plaschy. Seit dem Urteil hätten sich schon mehrere Betroffene bei ihm gemeldet, es lohne sich, für den Rückerhalt des Geldes zu kämpfen. Dass Lyoness zudem nicht mehr in Cham ist, wertet er als Indiz, dass die Firma so vermeiden will, noch einmal mit den gleichen Richtern konfrontiert zu werden.

Lyoness wehrt sich gegen Vorwürfe

Lyoness Suisse widerspricht auf Nachfrage. Die Verlegung des Standortes sei für ein dynamisches Unternehmen, das sich stetig wachse, nichts Aussergewöhnliches. Mit dem neuen Standort seien neue Synergien geschaffen und die Effizienz erhöht worden. Auch den Aussagen Plaschys, die Frau habe gar keinen Gutschein, sondern nur Codes erworben, widerspricht das Unternehmen. Bereits seit November 2014 gebe es dieses Produkt weltweit nicht mehr. Seit diesem Zeitpunkt seien daher keine Anzahlungen auf Gutscheinbestellungen mehr möglich. Die Frau habe sich erst im Dezember 2016 überhaupt registriert und Rabattgutscheine gekauft. Es sei bei Lyoness generell nicht möglich «Geld zu platzieren» beziehungsweise «Investments» zu tätigen, so Lyoness.

Zum Urteil des Obergerichts Zug und dessen möglichen Auswirkungen schreibt die Einkaufsgemeinschaft, dass dies ein Zivilverfahren betreffe, das von einem ehemaligen Mitglied angestrengt wurde. Es handle sich hier ausschliesslich um eine Einzelfallentscheidung. Lyoness sei dessen ungeachtet davon überzeugt, dass das Gericht sein Urteil auf einer fragwürdigen Anwendung von Bestimmungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb gefällt habe. Zudem sei in der Schweiz ein weiteres Gerichtsverfahren hängig, in welchem Lyoness wiederum mit dem Vorwurf des Schneeballsystems konfrontiert sei und das Unternehmen gehe davon aus, dass in diesem Verfahren die Rechtsansicht des Obergerichts Zug widerlegt werde.

Und die 21-jährige, die ihr Erspartes zurück will? Sie wurde von der Lyoness-Rechtsabteilung informiert, dass es in Einzelfällen Kulanzlösungen gebe. Wie bei Krankheiten oder unverschuldete Zahlungsschwierigkeiten. Falls sie die Erfordernisse erfülle, solle sie sich melden. Eine komplette Rückzahlung sei jedoch nicht vorgesehen.

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